

Eine Essener Ausstellung lässt den Besucher an den literarischen und kunstgeschichtlichen Leidenschaften des Modezaren teilhaben.
Jeder kennt ihn als deutschen Modezar, der in Paris Weltkarriere gemacht hat, als gerngesehenen, eloquenten Gast in Talkshows, neuerdings sogar als Steiff-Figur zum Knuddeln. Zudem sucht er die Präsenz im Internet, wo er viel von sich preisgibt, doch letztlich umgibt ihn eine Zone der Distanz. Er selbst hat in einem Interview einmal gesagt: „Zwischen mir und dem Rest der Welt steht eine Glaswand.“ Dieser Ausspruch erinnert an die Klage des großen Schweizer Malers Felix Vallotton: „Lebenslang bin ich der gewesen, der hinter einer Glasscheibe steht und zuschaut, wie draußen gelebt wird und nicht mit dabei ist.“ Doch Karl Lagerfeld hat offensichtlich zeitlebens bewusst diese Aura der geheimnisumwitterten Distanz gesucht, wenn nicht gar inszeniert. Entsprechend groß war das Medieninteresse bei der Pressekonferenz zur Ausstellung „Karl Lagerfeld. Parallele Gegensätze. Fotografie – Buchkunst – Mode“ im Museum Folkwang Essen, vielleicht, weil mancher gehofft hatte, einen Blick hinter die Fassade des Meisters zu erhaschen.
Einen Überblick über die schier unglaubliche Bandbreite der Interessen und Fähigkeiten Karl Lagerfelds erhielt man allerdings am ehesten beim Rundgang durch die eindrucksvolle Ausstellung und nicht beim Besuch der Pressekonferenz, auf der KL routiniert, und durchaus uneitel, seine Statements abgab und die üblichen belanglosen Fragen beantwortete. Die Ausstellung hingegen ist nach den Plänen von KL wie ein Gesamtkunstwerk konzipiert und lässt den Besucher teilhaben an seinen literarischen und kunstgeschichtlichen Leidenschaften und seinem allgemeinen Interesse am Gegenüber. Nicht von ungefähr ist die Fotografie als erstes neben Buchkunst und Mode im Ausstellungstitel aufgeführt, und die kongenialen fotografischen Adaptationen zum Werk von Anselm Feuerbach, Edward Hopper und Lyonel Feininger bestätigen seinen Rang auf diesem Gebiet. Ein weiteres Meisterwerk ist der Fotozyklus nach Oscar Wildes „A Portrait of Dorian Gray“. Wer denkt dabei nicht an den scheinbar niemals alternden Meister selbst?
Die Zeichenkunst spielte von Anfang an eine herausragende Rolle im Schaffen von KL. Als Jugendlicher gewann er 1954 mit dem Entwurf eines Wollmantels einen internationalen Wettbewerb und begann danach als Assistent von Pierre Balmain, Paris, in der Modebranche zu arbeiten. Seitdem sind Zeichnungen bis zum heutigen Tage Voraussetzung für Karl Lagerfelds Entwürfe, und sieben aktuelle Modezeichnungen für die Haute-Couture-Kollektion von Chanel FW 2013/14 sind eines der Highlights der Ausstellung, ebenso wie die Nachstellung der aufwendigen Modepräsentationen im Grand Palais in Paris, mal in einer extra gebauten Theaterruine, mal als Catwalk zwischen rotierenden Windrädern.
Ein unbedingtes Muss ist der in bekannt opulenter Weise vom Steidl Verlag, Göttingen, herausgegebene Katalog zur Ausstellung, (320 Seiten, 18 Euro), in dem man vieles nachlesen kann, was einem in der überwältigenden Fülle der Ausstellung entgangen ist. Die Ausstellung läuft bis zum 11. Mai.
Dr. med. Helmut Jaeschke