MEDIZIN: cme
Arzneimittelinteraktionen: Prinzipien, Beispiele und klinische Folgen
Hintergrund: Arzneimittelinteraktionen können zu erwünschten, aber auch zu verminderten und unerwünschten Wirkungen führen. Die Wahrscheinlichkeit von Wechselwirkungen steigt mit der Zahl eingenommener Medikamente. Die hohe Verschreibungsrate bei älteren Patienten (65-jährige Patienten nehmen im Durchschnitt fünf Medikamente zu sich) erhöht das Risiko, dass Arzneimittel selbst zur Ursache von Hospitalisierung werden. Metaanalysen zufolge sind 7 % aller Krankenhausaufnahmen arzneimittelbedingt.
Methode: Selektive Literaturübersicht.
Ergebnisse: Man unterscheidet pharmakodynamische und pharmakokinetische Interaktionen: Beispiele pharmakodynamischer Wechselwirkungen sind die gleichzeitige Gabe von NSAID und Phenprocoumon (additive Interaktion) sowie von ASS und Ibuprofen (antagonistische Interaktion). Pharmakokinetische Wechselwirkungen bestehen unter anderem auf den Ebenen der Resorption (Beispiel: Levothyroxin und neutralisierende Antazida), der Elimination (Beispiel: Digoxin und Makrolide) und des Metabolismus, wie bei der Konkurrenz um Cytochrom-P450-Enzyme (Beispiel: SSRI und bestimmte Betablocker).
Schlussfolgerung: Da insbesondere die pharmakokinetischen Interaktionen einer Systematik folgen, sind sie bei Kenntnis von Resorption, Elimination und Metabolismus der Arzneistoffe zu verhindern. Die Vorhersage pharmakodynamischer Wechselwirkungen erfordert oftmals eine tiefere Kenntnis der Wirkmechanismen. Praktisch hilfreich sind elektronische Verordnungssysteme.


Die zunehmende Multimorbidität im Alter bedingt die Notwendigkeit, häufig mehrere Arzneimittel gleichzeitig an einen Patienten zu verordnen. Die Folge ist, dass der 65-jährige Patient durchschnittlich fünf Medikamente gleichzeitig einnimmt (1). Der Gipfel der Arzneimittelverordnungen liegt in der Gruppe der 75- bis 84-Jährigen; hier zeigte eine europäische Studie an im Mittel 81-Jährigen, dass diese zu 34 bis 68 % ≥ sechs Arzneimittel einnahmen (2).
Hieraus ergibt sich zwangsläufig die Gefahr, dass Wechselwirkungen der Arzneimittel zu ernsten unerwünschten Wirkungen oder auch zur Verminderung des therapeutischen Effektes einzelner Wirkstoffe führen können. Potenzielle Interaktionen können in jedem Lebensalter auftreten, die häufige Polypharmazie im Alter erhöht jedoch das Risiko deutlich. Metaanalysen zu den Ursachen von Hospitalisierungen auf internistischen Stationen ermittelten einen Anteil von 7 % schwerer Arzneimittelnebenwirkungen als Einweisungsgrund oder Ursache längerer stationärer Aufenthalte (3, e1, e2). Zu ähnlichen Ergebnissen war zuvor eine österreichische Studie an 543 neu hospitalisierten alten Patienten (medianes Alter 82 Jahre) gelangt, die bei Aufnahme 7,5 ± 3,8 Medikamente einnahmen (4). Als verzichtbar wurden von den Autoren 36 % der Medikamente angesehen und 30 % als für alte Menschen inadäquat (siehe auch die Empfehlungen der PRISCUS-Liste [5]). Bei 10 % der Patienten wurden unerwünschte Arzneimittelwirkung als Grund für die stationäre Aufnahme erachtet und bei 18,7 % war eine Arzneimittelinteraktion sehr wahrscheinlich an deren Entstehung beteiligt (6). Auch während der stationären Behandlung stellen unerwünschte Arzneimittelwirkungen ein – teilweise vermeidbares – Problem dar. Hier sind besonders auch falsche oder nicht angepasste Dosierungen, speziell bei eingeschränkter Nierenfunktion (7) eine der häufigen Ursachen. Eine britische Studie an 3 695 Patienten wies nach, dass nahezu 15 % der Patienten während des Klinikaufenthaltes ein oder mehrere UAW (unerwünschte Arzneimittelwirkung)-Ereignisse erlitten, was in mehr als einem Viertel der Fälle zu einer Verlängerung des Aufenthaltes führte. Unter Einbeziehung von Geschlecht, Alter und Stationsart (internistisch, chirurgisch) war die Anzahl der gleichzeitig verordneten Medikamente der einzige signifikante Prädiktor (7). In einer Erhebung in Schweden wurde der Anteil von Arzneimitteln an der Gesamtmortalität mit 3 % geschätzt, wobei alleine gastrointestinale und zentralnervöse Hämorrhagien zu einem Drittel der Inzidenz beitrugen (e3).
Das Wissen um Interaktionen und deren Ursachen kann zu deren Vermeidung beitragen. So verlief eine Studie, in der das Klinikpersonal einer Intensivstation durch schriftliche, auf elektronischen Dateninformationssystemen beruhende Arzneimittelinformationen über Arzneimittelinteraktionen aufgeklärt wurde, sehr erfolgreich und reduzierte die Zahl von Interaktionen von 66 auf 54 % sowie von unerwünschten Ereignissen von 44 auf 25 % (e4) (Kasten 1).
Lernziele
Dieser CME-Artikel beschreibt beispielhaft Interaktionen auf pharmakodynamischer Ebene vorwiegend anhand von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID). Der Schwerpunkt liegt auf einer Darstellung der Systematik pharmakokinetischer Interaktionen. Hieraus leiten sich die Lernziele ab: Kenntnisse wichtiger und häufiger
- pharmakodynamischer Interaktionen
- pharmakokinetischer Interaktionen auf der Ebene der Resorption und Exkretion und
- pharmakokinetischer Interaktionen auf der Ebene des Arzneistoffmetabolismus, vornehmlich von Cytochrom-P450-Enzymen.
Der Übersichtsartikel beruht auf einer selektiven Literaturrecherche in PubMed und öffentlich zugänglichen Datenbanken wie http://medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/. Das klinische Bild von Interaktionen kann sehr unterschiedlich sein. So können eine nicht ausreichende Blutdrucksenkung wie auch Blutdruckabfall bis hin zum hypovolämischen Schock das Resultat von pharmakodynamischen und/oder -kinetischen Wechselwirkungen sein. Um schwere Folgen möglichst schon im Ansatz zu vermeiden, besteht daher die Notwendigkeit, Arzneimittelinteraktionen besser vorhersagen zu können. In einzelnen Fällen können aber auch erwünschte Interaktionen den therapeutischen Effekt verbessern, wenn zum Beispiel die lokale Bioverfügbarkeit durch Hemmung der Abbauwege erhöht wird.
Pharmakodynamische Interaktionen
Unter pharmakodynamischen Interaktionen versteht man Wechselwirkungen, bei denen sich Pharmaka in ihrer Wirkung unmittelbar beeinflussen. In der Regel können zum Beispiel sedierende Arzneimittel sich gegenseitig verstärken. Dies gilt auch für Alkohol, der unspezifisch die sedierende Wirkung einer Vielzahl von Arzneimitteln potenzieren kann.
Oftmals ist eine pharmakodynamische Interaktion aber durchaus erwünscht, wenn hierdurch gleichgerichtete, sich verstärkende (synergistische) Wirkungen erzielt werden, etwa bei der Anwendung von Antiinfektiva oder in der Schmerztherapie. Wird der Effekt eines Arzneimittels durch ein zweites behindert, so spricht man von antagonistischer Wirkung.
Auch kaum beobachtete, unerwünschte Effekte können sich bedrohlich verstärken. Werden beispielsweise Fluorchinolone mit Makroliden wie Erythromycin kombiniert, kann es zu einer QT-Zeit-Verlängerung kommen. Die Kombination von ACE-Hemmern mit Kalium-sparenden Diuretika wie Amilorid kann eine Kaliumretention so verstärken, dass eine lebensbedrohliche Hyperkaliämie resultiert. Im Folgenden sollen am Beispiel von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) und Paracetamol pharmakodynamische Wechselwirkungen erläutert werden.
Pharmakodynamische Interaktionen von NSAID
Thrombozytäre Interaktionen – Es ist allgemein bekannt, dass die gleichzeitige Gabe von NSAID die COX1-vermittelte Hemmung der Thromboxansynthese und damit das Risiko gastrointestinaler Blutungen synergistisch verstärkt. Jedoch können bestimmte NSAID auch den Thrombonzytenaggregations-hemmenden Effekt von niedrig dosiertem ASS vermindern. Dies wurde zuerst für das saure Antiphlogistikum Ibuprofen gezeigt. Hier verhindert die spezifische reversible Bindung an die COX-1, dass Acetylsalicylsäure (ASS) den Serinrest an Position 529 des COX-1-Proteins acetylieren kann. Die irreversible und somit lange anhaltende Inhibition der COX-1-vermittelten Thromboxan-A2-Synthese durch ASS kann somit verhindert werden und das kardiale Risiko von Patienten mit koronarer Herzerkrankung kann steigen (8).
Klinische Langzeitbeobachtungen bestätigten diese Ex-vivo-Beobachtungen (e5), Diese klinisch wichtige Wechselwirkung trifft jüngeren Untersuchungen zufolge ebenso für Naproxen und Celecoxib, aber auch für das Schmerzmittel Metamizol zu. Nicht von der Wechselwirkung betroffen sind dagegen das NSAID Diclofenac und das Analgetikum und Antipyretikum Paracetamol (e6). Entsprechend sollte bei regelmäßiger Einnahme die gleichzeitige Gabe bestimmter NSAIDs wie Ibuprofen oder Naproxen, aber auch von Metamizol bei KHK-Patienten mit ASS-Prophylaxe vermieden werden.
Eine Verstärkung gastrointestinaler Blutungen erfolgt auch bei gleichzeitiger Verabreichung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) wie beispielsweise Citalopram mit NSAID (e7). SSRI hemmen den Transport von Serotonin in die Thrombozyten mit konsekutiver weiterer Funktionseinschränkung und Verdopplung der Blutungsgefahr. Die SSRI-vermittelte Funktionseinschränkung von Thrombozyten kann auch die Blutungsgefahr durch Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin und Phenprocoumon verstärken (9, e8). SSRI waren mit einer Odds ratio von 2,6 (95-%-Konfidenzintervall [KI] 1,5–4,3) mit einem erhöhten Risiko gastrointestinaler Blutungen verbunden, während andere Antidepressiva das Risiko kaum verstärken. NSAID und spezifische COX-2-Inhibitoren verstärkten dagegen ebenfalls das Blutungsrisiko mit einer Odds ratio von 2,6 (95-%-KI 1,6–4,2) beziehungsweise 3,1 (95-%-KI 1,4–6,7). Diese Studienergebnisse weisen somit darauf hin, dass SSRI in gleichem Maße das Blutungsrisiko von Vitamin-K-Antagonisten erhöhen wie NSAID. Da die absolute Zahl von Blutungsereignissen unter SSRI aber eher gering ist, sollte die gleichzeitige Gabe von SSRI und Antikoagulanzien beziehungsweise NSAID vor allem bei Risikopatienten mit anamnestisch bekannten Blutungen vermieden werden (e7). Zur Interaktion mit neuen oralen Antikoagulanzien liegen bislang keine Daten vor, jedoch wird in den entsprechenden Fachinformationen ebenfalls vor diesen Risiken gewarnt.
Interaktionen am Gefäßsystem – NSAID können die blutdrucksenkende Wirkung von ACE-Hemmern vermindern. Der Mechanismus erfolgt überwiegend über eine Verminderung der glomerulären Perfusion durch Minderung der lokalen Prostaglandin-E2-Synthese und entsprechend reaktiver Reninausschüttung. In einer kontrollierten klinischen Studie erhöhte sich unter Piroxicam der Blutdruck von mit Lisinopril behandelten Probanden um 7 bis 9 mmHg (e9). Kürzlich wurde berichtet, dass diese wichtige Wechselwirkung von NSAID auch für AT1-Rezeptor-Blocker gilt (10). Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure scheint dagegen keinen Einfluss auf den arteriellen Blutdruck zu haben (e10). Jedoch können Dosierungen von 300 mg ASS und höher die Effekte von ACE-Hemmern mindern.
Weitere Interaktionen von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAAS) – Die aldosteronantagonisierende Wirkung von ACE-Hemmern und AT1-Rezeptor-Antagonisten kann in Kombination mit kalium-sparenden Diuretika oder spezifischen Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton und Eplerenon gefährliche Hyperkaliämien beziehungsweise Nierenversagen bewirken. Nach Einführung von Spironolacton zur Therapie der Herzinsuffizienz nahm die Zahl der Hospitalisierungen wegen Hyperkaliämien deutlich zu (11). Für dieses potenzielle Problem besteht aber offensichtlich inzwischen eine erhöhte Aufmerksamkeit; obwohl Aldosteronantagonisten nach den ESC-Leitlinien neben RAAS-Hemmern Mittel der Wahl bei NYHA II sind und folglich häufig eingesetzt werden, weisen jüngere Studien keine signifikanten Hyperkaliämieraten bei deren Kombination mit RAAS-Hemmern mehr nach (e11, e12).
Für pharmakodynamische Interaktionen kann man keine einfache Systematik wie auf dem Gebiet der pharmakokinetischen Interaktionen ableiten, sondern hier ist sorgfältig abzuwägen, welche Substanzgruppen erwünschte und unerwünschte Effekte bedingen, die sich wiederum verstärken oder abschwächen können (Tabelle 1).
Pharmakokinetische Interaktionen
Die gegenseitige Beeinflussung der Absorption, Verteilung in verschiedene Kompartimente, Metabolisierung und Elimination kann die effektiven Konzentrationen am Wirkort beeinflussen. Ursachen können Komplexbildung, Kompetition um Aufnahmetransporter, aber auch Induktion von metabolisierenden Enzymen und Effluxtransportern sein (Grafik 1).
Die Systematik wird zunehmend besser verstanden, so dass sich die Wechselwirkungen verschiedener Arzneimittel teilweise auch unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen – zumindest für bestimmte Medikamentengruppen – gut vorhersagen lässt (11). Eine Quantifizierung des Ausmaßes der Interaktion entzieht sich jedoch in der Regel einfachen Gesetzmäßigkeiten, wie sie zum Beispiel bei der Dosisadaptation für renal eliminierte Pharmaka in Abhängigkeit von der glomerulären Filtrationsrate Anwendung finden (Kasten 2).
Interaktionen auf der Ebene der Resorption – Komplexbildungen
Komplexe können die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen erheblich herabsetzen. Die bei Osteoporose eingesetzten Bisphosphonate wie zum Beispiel Alendronat haben eine sehr geringe Bioverfügbarkeit von lediglich 0,5–2 %. Kalziumionen in Mineralwasser oder Milch setzen diese nochmals deutlich herab. Multivalente Kationen können auch Tetrazykline oder Chinolone komplexieren und auch die Bioverfügbarkeit von Levothyroxin herabsetzen; die gleichzeitige orale Verabreichung kalziumhaltiger Ernährung oder von neutralisierenden Antazida, die Aluminium- oder Magnesiumionen enthalten, muss daher vermieden werden. Kürzlich wurde auch eine Verminderung der protektiven Eigenschaften von Alendronat im Hinblick auf Vermeidung von Hüftfrakturen bei gleichzeitiger Gabe von Protonenpumpenhemmern beobachtet (13).
Interaktionen auf der Ebene der Resorption – Membrantransport
Multidrug-Effluxtransporter wie beispielsweise P-Glykoprotein (P-gp, ABCB1) wurden zuerst als eine der Ursachen der Chemotherapieresistenz von Tumoren beschrieben. P-Glykoprotein wird an vielen Gewebebarrieren wie Intestinum, Leber, Niere, und Blut-Hirn-Schranke sowie Plazenta, Testis, Lymphozyten und Tumorzellen exprimiert und extrudiert vorwiegend lipophile Verbindungen von intrazellulär über die apikalen Membranen der Epithel- oder Endothelzellen.
Die Hemmung dieses Auswärtstransporters könnte somit zur Überwindung der Chemoresistenz beitragen. P-gp-vermittelter Auswärtstransport trägt auch zur Verminderung des Ansprechens von Lymphozyten auf HIV-Protease-Inhibitoren bei. Ritonavir, das bei höheren Dosen nebenwirkungsreich ist, hemmt gleichzeitig P-gp und auch das arzneistoffmetabolisierende Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4). Die fixe Kombination von Ritonavir mit zum Beispiel 200 mg Lopinavir verbessert die Bioverfügbarkeit des Proteasehemmstoffs, der Efflux von Lopinavir aus den Lymphozyten und der Abbau in der Leber wird somit vermindert. Der Versuch, die Chemoresistenz von Tumoren durch Hemmung von Effluxtransportern insbesondere von P-Glykoprotein zu überwinden, ist bislang jedoch wenig erfolgreich verlaufen.
Ein Beispiel einer typischen Medikamenteninteraktion auf der Ebene von P-gp ist die wesentlich höhere Bioverfügbarkeit des Herzglykosids Digoxin durch orale Applikation des Kalziumantagonisten Verapamil. Zu den Substraten zählen weiterhin Opioide (Loperamid kann bei Verapamilgabe zentrale Effekte auslösen) Antrazyklin-Zytostatika, HIV-Proteaseinhibitoren oder Immunsuppressiva (die Nephrotoxizität von Ciclosporin kann durch Makrolide wie Erythromycin erhöht werden).
Eine Auswahl von P-gp-Substraten, Hemmstoffen und Induktoren zeigt Tabelle 2.
Die Induktion von P-gp kann umgekehrt den Auswärtstransport beschleunigen und die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen herabsetzen. Für Ciclosporin bedeutet dies, dass die gleichzeitige Administration des Tuberkulostatikums Rifampicin zu subtherapeutischen Konzentrationen führen kann. Rifampicin bindet intrazellulär an den nukleären Rezeptor PXR, einen der wesentlichen Regulatoren der transkriptionellen Kontrolle der P-gp-Expression (14, e13) (Grafik 2). Zu weiteren PXR-Liganden und somit induzierenden Medikamenten zählen die Antikonvulsiva Carbamazepin (in geringerem Maß Oxcarbazepin), Phenobarbital und Phenytoin wie auch das HIV-Therapeutikum Efavirenz. Von ungeahnter klinischer Relevanz war das Fallbeispiel, bei dem die Einnahme von Johanniskrautextrakt zu einer so starken Abnahme der Ciclosporinkonzentration führte, dass eine akute Transplantatabstoßungsreaktion auftrat (15). Ausschlaggebend ist hier das im Johanniskrautextrakt vorhandene Hyperforin, das ebenfalls als PXR-Ligand identifiziert wurde.
Neben P-Glykoprotein sind die Effluxtransporter ABCC2 (MRP2) und ABCG2 (BCRP) ebenfalls für den Auswärtstransport vieler Arzneistoffe verantwortlich und können Interaktionen mit Inhibitoren unterliegen.
Umgekehrt führt die Hemmung von Aufnahmetransportern zur Verminderung der Bioverfügbarkeit. Ein Beispiel ist die Hemmung der Aufnahme von Metformin über den organischen Kationentransporter OCT1 durch Repaglinid (e14).
Interaktionen auf der Ebene des Metabolismus
Die Hemmung des Abbaus von Arzneistoffen ist eine häufige Ursache von Medikamenteninteraktionen. Der überwiegende Teil der metabolischen Interaktionen beruht auf einer Konkurrenz um in der Leber exprimierte Cytochrom-P450-Enzyme (CYP), die die Phase-I-Oxidation von mehr als der Hälfte aller Medikamente katalysieren (16).
Besonders ausgeprägt sind Interaktionen von CYP3A4, da dieses Isoenzym ein besonders breites Substratspektrum aufweist (e15). Die CYP3A4-Substrate, -Inhibitoren und -Induktoren sind teilweise mit denen des P-Glykoproteins identisch, was auf einen synergistischen Abwehrmechanismus gegen Fremdstoffe hinweist, der sich im Laufe der Evolution herausgebildet hat (Tabelle 3 und 4).
Antikoagulanzien – Relevant sind Interaktionen vor allem für Arzneistoffe mit enger therapeutischer Breite wie beispielsweise Ciclosporin oder Phenprocoumon. Wie erwähnt, können Vitamin-K-Antagonisten lebensbedrohliche Hämorrhagien auslösen und tragen mit zur Inzidenz arzneimittelbedingter Hospitalisierungen bei. Ursache könnten hier Interaktionen mit älteren Makrolidantibiotika wie Erythromycin und Clarithromycin sein, die das am Abbau von Phenprocoumon wesentlich beteiligten Cytochrom P450 3A4 hemmen. Azithromycin weist kaum Wechselwirkungen am Cytochrom-P450-System auf. Auch der Kalziumkanalblocker Verapamil und Azolantimykotika sind teilweise hochpotente CYP3A4-Inhibitoren. Ketokonazol hemmt derart stark das Cytochrom-P450-System, dass es mittlerweile als Standardinhibitor in der klinischen Entwicklung von Arzneimitteln eingesetzt wird, um Interaktionen unter anderem mit CYP3A4 zu prüfen. Fluconazol ist ebenfalls ein, wenn auch schwächerer CYP3A4-Hemmstoff. Über Blutungskomplikationen unter anderem mit Fluconazol wurde auch bei Patienten, die mit Warfarin antikoaguliert wurden, berichtet. Hier beruht die Erhöhung der Bioverfügbarkeit von Warfarin auf einer Fluconazol-vermittelten Hemmung von CYP2C9 (e16).
Für Vitamin-K-Antagonisten scheint aber auch die Koadministration von Breitspektrum-Antibiotika wie Amoxicillin (alleine oder mit Clavulansäure) oder Doxyzyklin eine Determinante für Blutungsereignisse zu sein. Die Ursache liegt hier weniger im inhibierten Metabolismus als möglicherweise in der Änderung des Gerinnungsstatus bei der zugrundeliegenden fieberhaften Infektionserkrankung (17). Hier ist also sorgfältig von einer Arzneimittelinteraktion zu unterscheiden.
Das in Zitrusfrüchten (besonders in Grapefruit) enthaltene Flavonoid Naringin ist ebenfalls ein Hemmstoff von CYP3A4 und kann somit die Bioverfügbarkeit einer Vielzahl von anderen Arzneistoffen erhöhen. In einer Studie an gesunden Freiwilligen verursachte das einmalige Trinken eines Glases Grapefruitsaft, dass die Bioverfügbarkeit von oral verabreichtem Midazolam erst nach drei Tagen wieder Normalwerte erreichte (e17). Die klinische Relevanz für Phenprocoumon ist umstritten, zumindest sollten übermäßige Mengen von Zitrusfrüchten bei mit Vitamin-K-Antagonisten antikoagulierten Patienten vermieden werden.
Antidepressiva – Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) sind potente Inhibitoren von CYP2D6 (Fluoxetin, Paroxetin) (e18) oder CYP1A2 (Fluvoxamin).
Dies hat Konsequenzen für die Koadministration anderer Arzneistoffe.
Im praktischen Alltag ist aber auch auf Interaktionen von Antidepressiva mit gängigen Arzneistoffen wie bestimmten Betablockern zu achten. Fluoxetin und Paroxetin hemmen auch den Metabolismus des Betablockers Metoprolol und können somit Blutdrucksenkung, Bradykardie und andere unerwünschte Wirkungen verursachen.
Fluvoxamin hemmt dagegen dagegen CYP1A2 und kann somit die Toxizität von Theophyllin oder Clozapin erhöhen. Auch gibt es Literatur, in der eine Interaktion von Fluoxetin mit Clozapin mit letalem Ausgang publiziert wurde (e19).
Die CYP2D6-Hemmung kann auch die Bildung aktiver Metaboliten aus Codein zum Morphin oder Tramadol zum O-Desmethyltramadol vermindern. Weiterhin konnte in großen Studien nachgewiesen werden, dass die Hemmung der CYP2D6-vermittelten Aktivierung des Antiöstrogens Tamoxifen zu Endoxifen durch SSRI mit einer erhöhten Mammakarzinom-Mortalität einhergeht (18).
Neben den pharmakokinetischen Interaktionen ist bei SSRI auf die Verstärkung serotoninerger Effekte zu achten. Bekannt ist, dass die gleichzeitige Applikation von Moclobemid ein Serotoninsyndrom auslösen kann und daher kontraindiziert ist. Aber auch andere Pharmaka mit serotoninerger Wirkung wie Tramadol oder Triptane können das Risiko eines Serotoninsyndroms erhöhen. Bei der gleichzeitigen Anwendung von Triptanen wie zum Beispiel Sumatriptan besteht das zusätzliche Risiko einer koronaren Gefäßverengung und Hypertonie. Durch die lange Halbwertszeit der SSRI muss auch mehrere Tage nach der letzten Verabreichung noch mit Interaktionen gerechnet werden (Kasten 3).
Chinolone – Chinolone wie Ofloxacin und Ciprofloxacin sind vorwiegend Inhibitoren des CYP1A2, das auch am Abbau von Theophyllin oder Clozapin beteiligt ist. Die gleichzeitige Administration beispielsweise von Ciprofloxacin und Theophyllin kann zum Anstieg der Theophyllin-Plasmakonzentration mit entsprechender klinischer Symptomatik kardialer und gastrointestinaler UAW führen (19). Die Bioverfügbarkeit von Chinolonen selbst kann deutlich eingeschränkt werden, wenn diese gleichzeitig mit bi- oder trivalenten Kationen gegeben werden, wie sie in Antazida oder Zink- und Eisenformulierungen enthalten sind (Kasten 4).
Protonenpumpenhemmer (PPIs) – Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol oder Rabeprazol inhibieren unterschiedlich stark das Cytochrom P450 2C19 (CYP2C19). Vor allem Omeprazol (geringer Esomeprazol) ist Substrat und Inhibitor von CYP2C19. In jüngerer Zeit ist daher eine Diskussion über die Konsequenzen der Interaktion mit dem Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel entbrannt. Clopidogrel ist ein Prodrug, das in zwei Schritten zum aktiven Metaboliten unter wesentlicher Beteiligung von CYP2C19 metabolisiert wird. Ho et al. zeigten einen Anstieg von 20,8 auf 29,8 % der Endpunkte Tod oder Rehospitalisierung von Patienten, die wegen eines akuten Koronarsyndroms mit Clopidogrel und gleichzeitig mit Protonenpumpenhemmern behandelt wurden (adjustierte Odds ratio 1,25 [95-%-KI 1,11–1,41]) (20). Ein ähnlicher Zusammenhang wurde auch bei Trägern der nicht aktiven genetischen Varianten von CYP2C19 nachgewiesen (21, e20). Die CYP2C19*2-splice-site-Variante wie auch die *3 missense-Variante führen zu einem kompletten Wirkungsverlust des Proteins. Homozygote CYP2C19*2-Träger weisen bei Kaukasiern eine Häufigkeit von etwa 3 % auf, *3-Träger tragen in der asiatischen Bevölkerung zum „Poor-Metabolizer“-Status bei. Eine systematische Metaanalyse von Folgestudien konnte zwar den Zusammenhang von CYP2C19-Polymorphismen mit der Thrombozytenaggregationshemmung von Clopidogrel bestätigen, klinisch ließ sich jedoch kein signifikanter Effekt auf das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse nachweisen (22). Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) weist in der entsprechenden Clopidogrel-Fachinformation auf das geringere Ansprechen von CYP2C19-Nichtmetabolisierern hin. In Hinblick auf Interaktionen empfiehlt die FDA, möglichst kein Omeprazol, sondern den Protonenpumpenhemmer Pantoprazol zu wählen. Die deutsche Fachinformation rät – ohne Arzneistoffe zu nennen – vom gleichzeitigen Gebrauch von starken CYP2C19-Hemmern ab.
Umgekehrt kann Omeprazol den Abbau anderer Arzneistoffe hemmen. Citalopram wird beispielsweise durch Omeprazol in seinem Abbau verlangsamt (e21), es steigt die Gefahr unerwünschter Wirkungen wie potenzielle QT-Zeit-Verlängerungen. Omeprazol hemmt darüber hinaus die Demethylierung des Benzodiazepins Diazepam. Bei einer Dosis von 20 mg Omeprazol resultiert eine Erhöhung der Diazepamhalbwertzeit um 36 % und Abnahme der Clearance um 27 %, während die Gabe von 40 mg Omeprazol die Halbwertzeit um 130 % verlängert und die Clearance um 54 % vermindert. Lansoprazol hemmt ebenfalls die Metabolisierung von Diazepam, wenngleich schwächer. Dieser Nachweis konnte für Pantoprazol nicht geführt werden (e22).
Neben der Hemmung von CYP2C19 führt Omeprazol zu einer geringen Induktion von CYP1A2 (23, e23). Während Lanzoprazol ebenfalls CYP1A2 zu induzieren vermag, wurde diese Interaktion bei Pantoprazol nicht beobachtet (24). Letzteres scheint kaum Interaktionen aufzuweisen.
Nicht durch Cytochrom P450 vermittelt, sondern als Folge der pH-Wert-Anhebung, wurde ein signifikanter Einfluss von Omeprazol auf die Bioverfügbarkeit des HIV-Protease-Inhibitors Atazanivir beobachtet. Bei Probanden, die 300 mg Atazanavir/100 mg Ritonavir über zwei Wochen erhielten, wurde sowohl unter 40 mg Omeprazol als auch unter 150 mg Ranitidin eine Verminderung der Cmax von Azatanavir um 48 % und der AUC um 62 % beobachtet. Die Kinetik von Lopinavir wurde durch Omeprazol oder Ranitidin hingegen nicht verändert (e24). Laut Fachinformation kompensiert eine Erhöhung der Atazanavir-Dosis auf 400 mg nicht den Einfluss von Omeprazol auf die Atazanavir-Exposition. Daher sollten Protonenpumpenhemmer oder mutmaßlich auch H2-Rezeptor-Blocker nicht gleichzeitig mit Atazanavir angewendet werden.
Schlussfolgerungen
Insbesondere pharmakokinetische Interaktionen folgen einer Systematik. Die Kenntnis, über welchen enzymatischen Abbauweg ein Arzneistoff klinisch relevant metabolisiert wird, ob er Substrat eines Arzneimitteltransporters ist oder ob er diese Proteine hemmt oder induziert, ermöglicht eine Vorhersage über pharmakokinetische Wechselwirkungen. Inhibitoren bestimmter Cytochrom-P450-Enzyme können eine ganze Gruppe vom gleichen Enzym metabolisierter Arzneistoffe in ihrer Bioverfügbarkeit beeinflussen, während Induktoren in der Regel zum Wirkungsverlust beitragen. Prinzipiell weisen Arzneistoffe mit hoher Metabolisierungsrate und geringer Bioverfügbarkeit ein hohes potenzielles Risiko von Interaktionen auf. Die Vorhersage pharmakodynamischer Wechselwirkungen erfordert oftmals eine tiefere Kenntnis der Wirkungsmechanismen; wie bei pharmakokinetischen Wechselwirkungen ist aber auch hier eine gewisse Systematik erkennbar. Hilfreich sind elektronische Verordnungssysteme, die frühzeitig auf Gefahren möglicher Interaktionen aufmerksam machen und bei Auswahl und Dosierung assistieren können.
Interessenkonflikt
Prof. Cascorbi erhielt Honorare für die Vorbereitung wissenschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen von Novartis, MSD und Sanofi-Aventis.
Manuskriptdaten
eingereicht: 16. 5. 2012, revidierte Fassung angenommen: 18. 7. 2012
Vom Autor aktualisiert: 16. 4. 2014
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ingolf Cascorbi
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Arnold-Heller-Straße 3
24105 Kiel
cascorbi@pharmakologie.uni-kiel.de
J Thromb Haemost 2008; 6: 284–90.
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