

Ein Einblick in die Wirkung von Pferden in psychotherapeutischen Kontexten, die Verbreitung in diesem speziellen Einsatzbereich und die beruflichen Perspektive, die sich für Psychotherapeuten ergibt, wenn sie Pferde in ihre Arbeit mit einbeziehen
Der Einsatz von Pferden in therapeutischen Settings ist nicht neu, seit mehr als 40 Jahren werden in Deutschland gezielt Pferde in (heil)pädagogischen, ergotherapeutischen oder physiotherapeutischen Arbeitsfeldern eingesetzt. Dass das Pferd auch eine Stellung als „Therapiepartner“ in der Psychotherapie erhält, ist jünger, setzt sich aber mehr und mehr durch. Eine herausfordernde Zusammenarbeit für Mensch und Tier, die auf große positive Resonanz bei den Klienten stößt. Die Nachfrage nach pferdegestützten Angeboten ist enorm und auch die Fachwelt öffnet sich vermehrt dem Thema. Einzelne Wissenschaftler versuchen, die Wirkung pferdegestützter Therapie zu evaluieren und Erfolge messbar zu machen.
Zuerst zu einigen angenommenen Wirkfaktoren von Pferden, die in der psychotherapeutischen Arbeit Relevanz haben:
Das Pferd wird in der westlichen Gesellschaft vermehrt als Partner wahrgenommen. Es hat sich vom Nutztier über das Sporttier hin zum Freizeitpartner entwickelt. Viele Reiter erkennen die besondere Möglichkeit der Kommunikation mit Pferden. Durch ihr ansprechendes Äußeres und die Möglichkeit, sie zu reiten, haben sie in der Tierwelt eine außergewöhnliche Bedeutung für den Menschen und motivieren ihn auf besondere Weise.
So wird im therapeutischen Einsatz von dem „Motivationsträger Pferd“ gesprochen. Motivation ist der erste grundlegende Baustein, um Veränderung beim Klienten zu bewirken. Der Einbezug eines Tieres, hier insbesondere des Pferdes, bringt eine Erweiterung des dyadischen psychotherapeutischen Settings auf ein triadisches Arbeiten mit sich. Innerhalb der Triade kann der Klient in Beziehung zum Psychotherapeuten und/oder zum Pferd treten. Daher ergibt sich die Möglichkeit, dass Klienten, die in der zwischenmenschlichen Interaktion gestört sind, sich erst stärker dem tierischen Therapeuten zuwenden und der Psychotherapeut langsam hinzutritt. Viele Klienten benötigen aber auch die Sicherheit durch den Psychotherapeuten, um sich dem Pferd zuzuwenden. Hier kann die Beziehung zum Therapeuten gestärkt werden.
Emotionale Öffnung
Die hohe Bedeutung einer guten Beziehung im psychotherapeutischen Kontext ist unbestritten – das Pferd kann eine weitere Beziehung im psychotherapeutischen Kontext bieten und zugleich die Beziehung zwischen Therapeut und Klient verbessern oder festigen. Beobachtungen der Arbeit mit Klienten am Pferd zeigten, dass es durch den großflächigen Körperkontakt zum Pferd (beim Anlehnen und Kuscheln oder Liegen auf dem Pferd), ebenso wie durch die Interaktion mit dem Pferd und dem Getragenwerden auf dem Pferd zu einer „emotionalen Öffnung“ kommt. Die Klienten werden zugänglicher, öffnen sich für emotionale Reaktionen, lassen Gespräche zu, die sonst nicht möglich schienen.
Das Pferd bietet neben den Aspekten Motivation und Beziehung weitere Ansatzpunkte, mit denen psychotherapeutisch gearbeitet werden kann: Nähe zulassen und ebenso Distanz aufbauen, sich regressiv vom Pferd tragen lassen und geführt werden oder Verantwortung über- und die „Zügel in die Hand nehmen“. Führung für das Pferd übernehmen oder Verantwortung an das Pferd oder den Therapeuten abgeben. Dies sind grundlegende Themen, die bei vielen Störungsbildern bearbeitet werden müssen und am Pferd eine quasi bildliche, direkt erlebbare Dimension erhalten.
Als letztes soll noch die Spiegelfunktion der Pferde angesprochen werden, die sozusagen als lebendiges „Biofeedback“ funktionieren kann. Das Pferd ist als Fluchttier sehr stark darauf angewiesen, kleine Veränderungen von Anspannung oder Entspannung in der Herde wahrzunehmen. Auch im Zusammensein mit dem Menschen zeigt sich immer wieder, dass Anspannung und Angst wie auch Aggressivität von Pferden schnell „gelesen“ werden und sie ebenfalls mit Anspannung, Angst oder auch Aggression reagieren. Ebenso gehen sie sofort wieder in Entspannung, wenn sich der Mensch entspannt und ihnen Sicherheit vermittelt. Diese Spiegelfunktion kann gezielt eingesetzt werden, um Klienten ihre innere und auch äußere Haltung zu verdeutlichen.
Wissenschaftliche Absicherung erfährt der Einsatz von Pferden in therapeutischen Settings vermehrt in kleinen Untersuchungen, denn für größere Untersuchungen fehlen zurzeit noch die Forschungsgelder. Ältere Arbeiten von Scheidhacker et al. (1) zeigen die positive Wirkung bei schizophrenen Patienten auf, insbesondere für die Bewältigung von Ängsten.
Starke Professionalisierung
Eine Einzelfallstudie konnte erste Hinweise liefern, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen vom Einbezug des Pferdes profitieren können (2). In einer Meta-Analyse zum Einfluss pferdegestützter Therapie auf psychische Parameter kamen die Autoren zu dem Schluss, dass besonders Kinder und Jugendliche mit emotionalen Problemen und Verhaltensstörungen von der Intervention mit Pferden profitieren (3).
Der Zusammentragung wissenschaftlicher Erkenntnisse, der Anregung weiterer Forschungsprojekte und der Durchführung von Begleitforschung von Interventionsprogrammen hat sich das gemeinnützige Forschungszentrum GREAT (German Research Center for Equine Assisted Therapy, www.great-horses.org) angenommen. In den letzten Jahren wurde deutlich, dass sich der Einsatz von Pferden in therapeutischen Settings stark professionalisiert hat. So werden Weiter- und Fortbildungen für spezielle Berufsgruppen und unterschiedliche Einsatzbereiche angeboten, auch speziell für Psychotherapeuten. Die Einbindung des Reittieres Pferd ist nämlich eine besondere Aufgabe, die fachliche Qualifikation in der Ausbildung und dem Training von Pferden erfordert, damit Sicherheit und Zufriedenheit für Klient und Pferd resultieren können. Gewaltfreiheit im Umgang mit dem Pferd ist dabei unerlässlich und die ethische Haltung gegenüber dem Pferd ein wichtiger Faktor, mit dem sich Fachkräfte auseinandersetzen müssen.
Der Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen (Berufsverband PI, www.berufsverband-pi.de) hat in Deutschland jüngst die Aufgabe übernommen, die Qualität pferdegestützter Angebote zu prüfen sowie Fachkräfte, die Pferde in ihre Arbeit einbinden, berufspolitisch zu vertreten und zugleich eine Anlaufstelle für Klienten zu sein.
In der Praxis werden Pferde in der psychotherapeutischen Arbeit vermehrt innerhalb von Kliniken, im Schwerpunkt in der Psychosomatik bei Patienten nach Traumata, Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder Essstörungen eingesetzt. Hier macht der Einsatz des Verfahrens mit einer körperlichen Ausrichtung auch besonderen Sinn. Allerdings werden diese Angebote häufig noch nicht von Psychotherapeuten selbst umgesetzt und als „Freizeitmaßnahme“ eingestuft. Die Inhalte können so nur ungenügend psychotherapeutisch genutzt werden. In der ambulanten Praxis sind in Deutschland eine geringe Zahl von Psychotherapeutinnen und -therapeuten tätig, die das Pferd in ihre Arbeit einbeziehen.
Die Finanzierung ist häufig nicht geklärt, da es sich bei dem Einsatz der Pferde noch um eine „Grauzone“ handelt. Patienten zahlen entweder die Arbeit am Pferd privat oder es wird als Kassenleistung abgerechnet, teils mit, teils ohne eine private Zuzahlung. In der Regel werden einzelne Sitzungen zu bestimmten Themen am Pferd umgesetzt, das Medium Pferd also als Arbeitsmethode in die Psychotherapie eingebunden.
Bereicherung und Entlastung
Das Pferd kann den psychotherapeutischen Prozess deutlich bereichern und auch entlasten. Der Psychotherapeut hat einen „pferdischen Partner“, der viele Themen auf eine erlebnisreiche und motivierende Art bearbeiten lässt. Ob innerhalb des Kliniksettings oder in der ambulanten Arbeit, das Pferd kann vielfältig psychotherapeutisch eingebunden werden. Künftig muss sich, aufgrund der immer größer werdenden Verbreitung, der Einsatz aus der „Grauzone“ herausbewegen, so dass das Pferd als anerkanntes Medium in die Psychotherapie – unabhängig von der psychotherapeutischen Ausrichtung – eingesetzt werden kann.
- Zitierweise dieses Beitrags:
PP 2014; 12(8): 356–7
Anschrift der Verfasserin
Dr. rer. nat. Annette Gomolla,
GREAT – German Research Center for Equine
Assisted Therapy, Gemeinnützige UG,
Bruder-Klaus-Straße 8, 78467 Konstanz,
info@great-horses.org, www.great-horses.org
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.