SCHLUSSPUNKT
Körperbilder – Gustave Courbet (1819–1877): Die ewig weibliche Natur


Der Wirklichkeit entrückt, in sich ruhend, wie in Trance liegen oder stehen sie da – die berühmten Frauenakte, die Courbet zwischen 1864 and 1868 malte und zu denen auch „Die drei Badenden“ gehören. Der Titel gibt ebenso viele Rätsel auf wie die Komposition selbst: Handelt es sich bei der schwarzhaarigen Schönen um eine badende Frau in Begleitung von Freundin und Magd? Oder um ein mystisches Wesen als Symbol weiblicher Fruchtbarkeit? Steigt sie ins Wasser oder schwebt sie über einem Abgrund? Wovon träumt sie?
Courbets vieldeutiges Traumspiel hört jedoch bei seiner Hauptfigur auf. Anders als die damals üblichen idealisierten Nackten, deren oft schwülstige Erotik verklausuliert durch antike Allegorien oder orientale Umgebung gut beim Publikum ankam, besitzt seine Badende einen realen Frauenleib ihrer Zeit – mit Wülsten und Einschnürungen, die das Korsett hinterlassen hat, ihre üppigen Brüste scheinen zum Greifen nah, ihre Haut atmet. Ihre zauberhafte Verträumtheit macht sie unabhängig von männlichem Begehren, ihre Sinnlichkeit ist frei von Lüsternheit, vielmehr Ausdruck archaisch-weiblicher Urkraft. Nur selten hat Courbet Frauen und Männer zusammen auf die Leinwand gebannt, dafür häufig Frauen als Freundinnen oder Liebespaare. „Eingebettet in die Natur“ geraten sie zur „anthropomorphen Verdichtung von Wasser und Pflanzenwuchs“, wie der 2013 verstorbene Courbet-Experte Prof. Werner Hofmann in einem Aufsatz betonte. Dass Courbet Frauen gerne im Kontext von Flüssen und Grotten darstellte, geht auf seine Kindheit in Ornans im ostfranzösischen Jura und sein panerotisches Verständnis der Natur als weibliches Geschöpf zurück: Frau und Quelle, weibliches Geschlecht und Höhle bildeten für ihn Synonyme.
Ohne den mildernden Rahmen der Landschaft malte er 1866 einen Akt in bis dato unbekanntem, bis heute schockierendem Realismus: „L’Origine du monde“ zeigt den behaarten Schoß einer Frau in extremer Nahsicht. Das Skandalwerk, das der Künstler für den ägyptischen Diplomaten Khalil Bey schuf und das ein Jahrhundert nicht öffentlich gezeigt werden durfte, ist in der Baseler Retrospektive ebenfalls zu sehen – erstmals im deutschsprachigen Raum. Sabine Schuchart
Ausstellung
„Gustave Courbet“
Fondation Beyeler, Baselstraße 101, CH-4125 Riehen/Basel; www.fondationbeyeler.ch; tgl. 10–18, Mi. 10–20 Uhr; bis 18. Januar 2015
Ulf Küster: „Gustave Courbet“, Katalog zur Ausstellung, gebundene Ausgabe, 200 Seiten, Hatje Cantz 2014; 49,80 Euro
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