ArchivDeutsches Ärzteblatt44/2014Arzneimitteltherapie: Ein „Was ist Was“ der Sicherheit

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Arzneimitteltherapie: Ein „Was ist Was“ der Sicherheit

Aly, Amin-Farid

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Nur wer weiß, was man unter einem Medikationsfehler versteht, kann einen solchen auch melden. Experten haben ein Glossar vorgelegt, an dem sich Wissenschaftler, Behörden und Ärzte orientieren können.

Foto: Fotolia/Gina Sanders
Foto: Fotolia/Gina Sanders

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind für etwa fünf Prozent aller Krankenhauseinweisungen in Deutschland verantwortlich. Ein Viertel dieser Fälle wäre vermeidbar, wenn Medikamente richtig dosiert oder eingenommen würden. So steht es im „Aktionsplan 2013 bis 2015“, mit dem das Bundesministerium für Gesundheit die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern will. Dass aufgrund vermeidbarer Fehler Patienten zu Schaden kommen, ist die eine Seite. Die andere sind die Kosten für das Gesundheitssystem. Wenn es gelänge, die als vermeidbar eingeschätzten unerwünschten Arzneimittelereignisse zu verhindern, könnten in Deutschland jährlich zwischen 816 Millionen und 1,3 Milliarden Euro eingespart werden, schreibt das Ministerium.

Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte das Thema im Jahr 1999. Damals veröffentlichte das US-amerikanische Institute of Medicine einen Bericht, der vor allem prozessbedingte Ereignisse in der Arzneimitteltherapie erfasste und darauf hinwies, dass ein beachtlicher Teil unerwünschter Ereignisse vermieden werden kann, wenn anerkannte Verschreibungs- und Anwendungsregeln beachtet werden. Der Titel des Artikels: „To Err is Human – Irren ist menschlich.“

Seither hat sich auf dem Feld der Arzneimitteltherapiesicherheit einiges bewegt. Den Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit des Bundesgesundheitsministeriums gibt es seit 2007. Er sollte die am Medikationsprozess Beteiligten wie Ärzte, Apotheker, Behörden und Patienten zusammenführen, um Strukturen und Abläufe der Pharmakotherapie systematisch zu analysieren und zu verbessern, wie das Ministerium damals ankündigte. Seit dieser Zeit ist bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) eine Koordinierungsgruppe angesiedelt, die die Umsetzung des Aktionsplans begleitet. Denn nicht jede Intervention, von der angenommen wird, dass sie die Sicherheit erhöht, hat letztendlich auch den gewünschten Effekt. Insbesondere beim Einsatz neuer Technologien zur Unterstützung der Therapiesicherheit ergeben sich auch neue Fehlermöglichkeiten.

Mit der Änderung der Richtlinie 2001/83/EG vom 1. Juli 2012 wurde für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Definition der „Nebenwirkung“ („adverse drug reaction“) geändert. Neben Medikationsfehlern gilt seither auch der Missbrauch von Arzneimitteln als „Nebenwirkung“ und wird damit im Pharmakovigilanzsystem der EU-Staaten erfasst. Ganz im Sinne der Guideline on Good Pharmacovigilance Practices ist die Arzneimitteltherapiesicherheit dadurch Bestandteil der Pharmakovigilanz. Pharmazeutische Unternehmer und Behörden sind jetzt rechtlich verpflichtet, auch solche Nebenwirkungen zu melden, die auf Medikationsfehler zurückzuführen sind.

Für die Umsetzbarkeit dieser Meldeverpflichtung, aber auch für die wissenschaftliche Diskussion ist es erforderlich, die Begriffe im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapiesicherheit inhaltlich zu definieren (siehe Kasten). Denn man kann nur dann einen Medikationsfehler melden, wenn man weiß, was darunter zu verstehen ist. Ein solches Glossar hat die Koordinierungsgruppe bei der AkdÄ jetzt vorgelegt.

Die vorgeschlagenen Definitionen basieren auf einem Expertenkonsens und sind für die wissenschaftliche Arbeit im Bereich von Versorgungsforschung und Pharmakovigilanz gedacht. Sie sind nicht im juristischen Sinn belastbar.

Dr. med. Amin-Farid Aly*

*Der Artikel wurde in der Koordinierungsgruppe zur Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplans des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland (Aktionsplan AMTS) erarbeitet. Kontakt: Dr. Amin-Farid Aly, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin, farid.aly@akdae.de

Erklärte Begriffe

Die vom Bundesministerium für Gesundheit bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft angesiedelte Koordinierungsgruppe für den Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit hat Begriffe der Arzneimitteltherapiesicherheit definiert. Ziel ist es, dadurch die Umsetzbarkeit von Maßnahmen zu erleichtern und Grundlagen für die wissenschaftliche Diskussion zu schaffen. Folgende Begriffe haben die Experten erklärt: Arzneimittelverkehrssicherheit, Pharmakovigilanz, Arzneimittelsicherheit, Arzneimitteltherapiesicherheit, Medikationsprozess, bestimmungsgemäßer Gebrauch, Medikationsmanagement, arzneimittelbezogene Probleme, Medikationsfehler, unerwünschtes Arzneimittelereignis, Nebenwirkung, unerwünschte Arzneimittelwirkung und Arzneimitteltherapiesicherheitsforschung.

@Die Definitionen und
weiterführende Literatur unter
www.aerzteblatt.de/141892

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