ArchivDeutsches Ärzteblatt3/2015Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal: Möglichkeiten und Grenzen

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Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal: Möglichkeiten und Grenzen

Krull, Birgit

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Bei der Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliche Mitarbeiter sollte jede Ärztin, jeder Arzt besondere Sorgfalt walten lassen.

Er arbeite nach dem Prinzip, „dass man niemals etwas selbst tun soll, was jemand anderes für einen erledigen kann“, hat John D. Rockefeller gesagt. Richtig ist, dass die Delegation von Leistungen Zeitfenster für andere, ebenfalls notwendige Tätigkeiten schaffen kann. Auch Ärztinnen und Ärzte können ärztliche Leistungen auf nichtärztliches Personal delegieren. Die Möglichkeiten und Grenzen hierfür ergeben sich aus Gesetz, Verordnungen und/oder dem Arbeitsvertrag.

Unterstützende Maßnahmen der Diagnostik wie EKG und Blutabnahme zählen zu den delegationsfähigen Leistungen. Foto: mauritius images
Unterstützende Maßnahmen der Diagnostik wie EKG und Blutabnahme zählen zu den delegationsfähigen Leistungen. Foto: mauritius images

Ärzte können nicht jede Hilfeleistung am Patienten an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen zum Behandlungsvertrag, der juristisch als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Nach § 613 Satz 1 BGB hat der Arzt die Dienstleistung grundsätzlich und im Zweifel persönlich zu erbringen. Diese Pflicht ist auch im ärztlichen Berufsrecht (§ 19 Abs. 1 der MBO-Ä), im Vertragsarztrecht (§ 32 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte – Ärzte-ZV) und unter anderem hinsichtlich der Abrechnung der „Wahlleistungen“, die der Krankenhausarzt gesondert abrechnet (§ 17 Abs. 1 KHEntG), normiert.

Delegationsfähige Leistungen

Die Notwendigkeit der Delegation hat ihre Gründe im Fachpersonalmangel, in wirtschaftlichen Erfordernissen und in organisatorischen Gegebenheiten. Bereits 1975 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Arzt an qualifiziertes, nichtärztliches Personal delegieren kann, wenn die Tätigkeit nicht dem Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt (Az.: VI ZR 72/74).

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem GKV-Spitzenverband als Anlage zum Bundesmanteltarifvertrag-Ärzte (BMV-Ä) am 1. Oktober 2013 eine Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB V geschlossen. Aus dieser ergeben sich in Ergänzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der gesetzlichen Vorschriften als nicht delegierbare Leistungen des Arztes die Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidungen über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe.

Delegationsfähige Leistungen sind zum Beispiel physikalisch-medizinische Leistungen, Wechsel des Dauerkatheters, Durchführung einfacher Messverfahren (audiometrische Messungen, Prüfung des Hörens), Laborleistungen – mit Ausnahme der Leistungen der Speziallabore – und unterstützende Maßnahmen der Diagnostik wie etwa Blutentnahme und EKG. Die vorgenannte Vereinbarung hat als Anhang zur Anlage 24 des BMV-Ä einen nicht abschließenden Beispielkatalog bezüglich delegierbarer ärztlicher Leistungen entwickelt, der vom Arzt als Richtlinie herangezogen werden kann.

Damit der angestellte Arzt im Rahmen der ärztlichen Behandlung des Patienten die Hilfeleistung anderer Personen in Anspruch nehmen kann, muss er gegenüber dem nichtärztlichen Mitarbeiter weisungsbefugt sein. Diese Weisungsbefugnis ist durch eine schriftliche Vereinbarung zu dokumentieren und sicherzustellen. Aufgrund dieses Erfordernisses sollte im Arbeitsvertrag des delegierenden Arztes schriftlich fixiert sein, welche Tätigkeiten er an wen delegieren darf und welches Qualifikationserfordernis für diese Person besteht.

Unabhängig von der schriftlich fixierten Weisungsbefugnis hat der delegierende Arzt hinsichtlich der delegierten Leistung eine Auswahl-, Anleitungs- und Überwachungspflicht. Er hat sicherzustellen, dass das nichtärztliche Personal, an das er delegiert, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erbringung der delegierten Leistung hat (Auswahlpflicht). Zudem hat er es zur Erbringung der Leistung anzuleiten (Anleitungspflicht) und im Weiteren die Ausübung durch den nichtärztlichen Mitarbeiter regelmäßig zu überwachen (Überwachungspflicht). Als Anhaltspunkt für die Intensität dieser Pflichten des delegierenden Arztes dient die Qualifikation des Personals, an das delegiert wird. Je besser die Qualifikation, umso geringer die Kontrolle durch den Arzt.

Es gilt der Grundsatz, dass die Delegation regelmäßig die Anwesenheit des Arztes beziehungsweise dessen kurzfristige Erreichbarkeit in der Praxis oder im Krankenhaus voraussetzt. Somit ist es nicht zulässig, dass etwa in einer Arztpraxis durch das nichtärztliche Personal Leistungen durchgeführt werden, wenn der Arzt persönlich nicht erscheinen kann und längerfristig abwesend ist. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arzt binnen kurzer Zeit eintreffen wird und somit in angemessener Zeit persönlich erreichbar ist.

Jeder Arzt sollte bei der Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliche Mitarbeiter besondere Sorgfalt walten lassen. Denn sowohl der angestellte Arzt, der nicht im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen delegiert, als auch der niedergelassene Arzt haften gegenüber dem Patienten aus dem Behandlungsvertrag sowohl für eigene als auch für Fehler und Pflichtverletzungen, die deren nichtärztliches Personal im Rahmen der delegierten Leistungen begehen. Sie haften ebenfalls für die Auswahl, Anleitung und Überwachung des Personals. Da von der Rechtsprechung zum Schutz des Patienten umfangreiche Grundsätze zur Beweislasterleichterung bis hin zur Beweislast-umkehr entwickelt worden sind, ist vom Arzt im Regelfall nachzuweisen, dass er sämtliche Pflichten bei der Durchführung der Delegation ordnungsgemäß erfüllt hat. Dieser Nachweis kann vom Arzt in der Regel nur durch umfangreiche Dokumentation hinsichtlich der Auswahl, Anleitung und Überwachung geführt werden, weshalb hierauf besondere Sorgfalt verwandt werden sollte.

Birgit Krull
Krull & Neudam Rechtsanwälte, Wiesbaden



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