ArchivDeutsches Ärzteblatt3/2015Frage der Woche an . . . Prof. Dr. med. Daniel Strech, Juniorprofessor für Medizinethik an der

ÄRZTESTELLEN: Frage der Woche

Frage der Woche an . . . Prof. Dr. med. Daniel Strech, Juniorprofessor für Medizinethik an der

Wie kann „Choosing Wisely“ auch in Deutschland Schule machen?

Ollenschläger, Philipp

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Die American Board of Internal Medicine (ABIM) Foundation hat im Jahr 2012 die sogenannte Choosing Wisely Initiative gestartet. Diese Initiative überzeugte bis heute mehr als 60 US-amerikanische medizinische Fachgesellschaften davon, sogenannte Top-5-Listen zu erstellen. Diese von Ärzten selbst entwickelten Listen präsentieren medizinische Maßnahmen, bei denen Überversorgung stattfindet.

Wie kann „Choosing Wisely“ auch in Deutschland Schule machen?

Strech: Überversorgung, das Thema von Choosing Wisely, existiert in nicht unerheblichem Ausmaß auch in Deutschland. Ob die Choosing Wisely Initiative auch in Deutschland Schule machen kann und sollte, wurde in den letzten zwei Jahren in verschiedenen Workshops mit Ärzten, Patientenvertretern und weiteren Akteuren diskutiert. Die grundsätzliche Idee hinter dieser Initiative und die Tatsache, dass Ärztinnen und Ärzte hierbei die treibende Kraft sind, wurde von allen Beteiligten sehr begrüßt. Die Workshops brachten aber auch Anregungen für praktische und konzeptionelle Ergänzungen zur nordamerikanischen Choosing Wisely Initiative:

1) Zu überlegen wäre, Top-5-Listen nicht nur für Überversorgung, sondern auch für Unterversorgung zu erstellen.

2) Bisher fehlen methodische Vorgaben an die Erstellung von Top-5-Listen (wie Partizipation von Patientenvertretern, Evidenzbasierung, Konsensusverfahren). Dies könnte in Deutschland relativ pragmatisch ergänzt werden, indem man Top-5-Listen für Überversorgung aus Negativempfehlungen hochwertiger klinischer Leitlinien zusammenstellt.

3) Auch die Leitlinienentwicklung selber könnte von einer Kooperation mit der Choosing Wisely Initiative profitieren. Bislang fehlen in Leitlinien Informationen dazu, welche Negativempfehlungen in der Praxis oft missachtet (Überversorgung) und welche Positivempfehlungen wenig umgesetzt werden (Unterversorgung).

4) Die Erstellung von Top-5-Listen ist unvermeidbar mit Priorisierungs- und Wertentscheidungen verknüpft. Hier könnten sich interessante Kooperationsmöglichkeiten zwischen der deutschen Priorisierungsdebatte und einer Choosing Wisely Initiative ergeben.

5) Top-5 Listen dürfen nicht den falschen Eindruck erwecken, die Herausforderungen von Über- und Unterversorgung und die aktuell diskutierten ökonomischen Fehlanreize in der Medizin seien mit diesem einen Schlag gelöst. Vielmehr sollten sie die angestoßenen Debatten zu erforderlichen Veränderung bei Anreizsystemen weiter vertiefen. Ol

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