ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2015Von schräg unten: Berufsethische Empörung
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Die vom Kollegen Böhmeke erwähnten pseudokardiologischen Notfälle in diversen exotischen Ländern zum alleinigen Zweck der Mehrung von einträglichen Honoraren löst mit Recht juristische und berufsethische Empörung aus, handelt es sich doch zumindest um vorsätzliche Körperverletzung, da in fast allen Fällen keine medizinische Indikation vorlag. Weitere Tatbestände aus aus dem Strafgesetzbuch kommen hinzu. Dennoch könnte die entgegengehaltene Reflexion auf die heimische Ehrlichkeit ein Geschmäckle haben, wenn man sich die etwa doppelt so häufig durchgeführten deutschen Herzkatheteruntersuchungen im Vergleich zu denen der Schweiz vor Augen führt. Auch meine persönlichen Erfahrungen außerhalb des kardiologischen Fachgebietes nähren meine Skepsis gegenüber dem selbstgerechten Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen. Ich denke an folgende kollegialen (?) Abrechnungsusancen bei mir als Patient: Die Narkose bei einem akuten Bandscheibenprolaps wurde mit der Begründung obstruktive Lungenerkrankung mit dem 3,5-fachen Satz der GOÄ in Rechnung gestellt. Tatsächlich war entgegen der pulmonalen Pathologisierung wegen der Bauchlage ein erhöhter Beatmungsdruck erforderlich. Ich habe dem betreffenden Kollegen seine „Fehldiagnose“ damit erklärt, dass ich als DLRG-Rettungsschwimmer auch noch über 50 Jahre nach meiner aktiven Phase bei Schwimmbadbesuchen einen Tauchgang von 25 Metern Länge problemlos schaffe.

Eine weitere Erfahrung . . . : Bei einer Behandlung auf der Intensivstation wegen eines zuvor im Krankenhaus akquirierten Keimes mit nachfolgender Sepsis, Nierenversagen und Fieberdelir (42 °C) wurde mir für die fünf Tage Aufenthalt ein tägliches eingehendes therapeutisches Gespräch (GOÄ-Ziffer 804) in Rechnung gestellt.

Sicher nachvollziehbar kann ich mich – delirant, wie ich war – in keinster Weise an irgendwelch geartete verbale Kommunikationen in diesen fünf Tagen erinnern. Auf einen mehrfach erbetenen (und natürlich abgerechneten Arztbrief) über diesen Krisenzeitraum warte ich nach einem Jahr noch immer!

Wegen meiner Kritik wurde vom Chefarzt der Oberarzt delegiert, der sich in der prekären Lage befand, mit mir telefonisch diese besagte Ziffer herunterzuhandeln. Ähnlich gefeilscht habe ich letztmalig vor vielen Jahren auf dem großen Basar von Istanbul beim Kauf eines Backgammon-Spiels.

Ich hoffe sehr, dass auch Dank meiner Interventionen die obligatorischen jährlichen Tariferhöhungen meiner Privatkrankenkasse für das kommende Jahr soweit moderat ausfallen mögen, dass sie noch nicht die Grenze von einem Drittel meiner Ruhebezüge überschreiten . . .

Dr. med. Hans-Joachim Ecker, 79183 Waldkirch

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