

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wirklich? Bis in den Tod?
Die aktuelle Entwicklung der Sterbehilfe-Diskussion lässt jedenfalls Raum für neue Hoffnung – gemessen am Ernst, der zunehmenden Qualität und der Differenziertheit, mit der Politiker wie Meinungsbildner die Debatte zum Thema Sterbehilfe inzwischen führen. Die anfängliche Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit scheint weitgehend verschwunden, die Argumente werden – Ausnahmen bestätigen die Regel – zusehends qualifizierter, einer humanen Gesellschaft angemessener.
Deutschlands Ärzteschaft hat sich in ihrer zentralen Betroffenheit ausgesprochen aktiv in die Diskussion um die Rolle und das Selbstverständnis des Arztes in dieser Frage eingebracht. Die klare und einmütig vertretene Haltung, dass es Aufgabe des Arztes ist zu helfen, aber nicht zu töten (siehe Seite Eins DÄ 51/2014) – der Deutsche Ethikrat hat in seiner Stellungnahme vom Dezember 2014 genau das unterstützt – erfordert zwangsläufig die Information, was die Alternative zu anderweitig postulierten gesetzlichen Änderungen ist.
Hilfe beim Sterben zu leisten ist, das hat die Ärzteschaft im Verlauf des ethischen Schlagabtauschs immer wieder betont, medizinisch auf Basis der bestehenden Regelungen machbar. Was in der Palliativmedizin geht, was im Alltag geleistet wird, ist auch im Deutschen Ärzteblatt an Beispielen immer wieder dargestellt worden.
Dennoch: Die vorhandenen Zweifel an den Möglichkeiten, aber auch an der Beherrschbarkeit medizinischer oder juristischer Grenzfallfragestellungen veranlassen zur Aufklärung. Auf Initiative der Bundesärztekammer startet das Deutsche Ärzteblatt mit dieser Ausgabe eine Reihe von Falldarstellungen, die – fachlich auf das Wesentliche zugespitzt – Fragen beantworten. Sie verschaffen jedoch außerdem eine Vorstellung von dem, was in der Palliativmedizin, in Hospizen und/oder Kliniken, aber auch von betreuenden Ärzten geleistet werden kann, darf und muss. Ein Expertenteam aus Palliativmedizinern, Fach- und Allgemeinärzten sowie Juristen wird ab dieser Ausgabe in den kommenden Monaten wesentliche Fragestellungen aufgreifen und beantworten. Zu viel wurde im letzten Jahr in Abrede gestellt, verdreht, auch fachlich verwässert.
Sich hier verantwortungsbewusst gegenüber Dritten zu zeigen – egal ob Patienten, Politikern, Presse oder privat interessierten Mitmenschen, muss im Rahmen des aktuellen Diskurses auf Basis guten Fachwissens erfolgen. Die Fallbeispiele – sie resultieren aus dem „Alltag“ der Palliativmedizin – geben praktische Antworten auf typische Fragen. Sie sollen nicht nur helfen, Wissenslücken zu schließen, sondern auch, in der Diskussion um die Sterbehilfe die eigene Position nicht nur ethisch qualifiziert, sondern auch fachlich überzeugend darzustellen.
Klar werden muss im weiteren Prozess der öffentlichen Diskussion: Der soziale Umgang mit dem Sterben ist alles andere als eine überzogene oder gar überflüssige Luxusdebatte. Den Wert einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den schwächsten ihrer Glieder verfährt, soll Bundespräsident Gustav Heinemann gesagt haben. Das hat Gewicht, mehr als eine schlichte gesetzliche Liberalisierung. Die Würde des Menschen – bis in den Tod unantastbar? So eine humane Gesellschaft die richtigen Antworten gibt, die Voraussetzungen schafft und diese auch verteidigt: Ja!
Egbert Maibach-Nagel
Chefredakteur