SUPPLEMENT: Perspektiven der Kardiologie
Myokarditis: Meist mit Defektheilung
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Neben EKG, Labor, Ultraschall und MRT ist zur definitiven Sicherung der Diagnose bei schwereren Verlaufsformen eine Herzmuskelbiopsie erforderlich.
Myokarditiden sind entzündliche Erkrankungen des Herzmuskels mit vielfältigen infektiösen und nichtinfektiösen Ursachen, die in jedem Lebensalter auftreten können. Die Entzündungsantwort kann eine schwere und aber auch nur eine leichte Ventrikelfunktionsstörung auslösen. Sie kann zum Beispiel nach einer erfolgreichen Virus-elimination in circa 60–70 Prozent der Fälle abklingen und zu einer spontanen Erholung der Myokardfunktion führen.
Da für eine erfolgreiche Erregerelimination infizierte Herzmuskelzellen durch die ins Gewebe eingewanderten Entzündungszellen zerstört werden müssen, liegt jedoch fast immer eine Defektheilung vor (1). Gelingt es nicht frühzeitig, den infektiösen Erreger zu eliminieren, entwickelt sich eine chronische Infektion, die mit oder ohne Begleitentzündung ablaufen und das Myokard weiter schädigen kann (2, 3). Klingt dagegen die Entzündungsreaktion trotz erfolgreicher Elimination der auslösenden Noxe nicht spontan ab, liegt eine postinfektiöse chronisch-entzündliche Kardiomyopathie vor (4).
Klinische Diagnostik
Die Mehrzahl der Myokarditiden wird aufgrund uncharakteristischer Beschwerden häufig erst zu spät erkannt und eine Herzbeteiligung differenzialdiagnostisch somit erst in Betracht gezogen, wenn spezifischere kardiale Symptome länger nach einem abgeklungenen Infekt persistieren oder sich neu entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt liegen die für eine akute Myokarditis charakteristischen elektrokardiographischen und laborchemischen Befunde nicht mehr vor, so dass Labor, EKG/LZ-EKG, Echokardiographie, CT/MRT und die Katheterdiagnostik keine Hinweise auf die Ätiologie der Myokardschädigung mehr geben.
Die MRT-basierte Gewebecharakterisierung kann Hinweise für eine entzündliche Myokarderkrankung ergeben („Lake-Luise-Kriterien“), wobei dissiminierte fokale Entzündungsherde oder diffuse geringe Entzündungsprozesse oftmals nicht erfasst werden (5). Bildgebende Verfahren können eine direkte Gewebediagnostik/Endomyokardbiopsie, die qualitativ und quantitativ verschiedene Virussubtypen und unterschiedliche Entzündungszellpopulationen erfasst, in keinem Stadium der Myokarditis ersetzen.
So erlaubt nur die Biopsie-basierte Entzündungsdiagnostik bei Nachweis unterschiedlicher Zellinfiltrate von Lymphozyten (CD3, Leukozyten, Eosinophilen, Riesenzellen) und Makrophagen (Foto) (CD68/Mac1) eine definitive Diagnostik und Zugang zur Differenzialdiagnostik (zum Beispiel Riesenzellmyokarditis, Aktive oder Borderline Myokarditis). Auch erlauben immunhistologische Ergebnisse, wie zum Beispiel der Nachweis von Perforin-positiven zytotoxischen T-Zellen, Aussagen zur Prognose (6).
Zurzeit laufen Untersuchungen zur Etablierung von Genprofilen, mit denen Verdachtsdiagnosen erhärtet und der sogenannte „Sampling Error“ überwunden werden könnten (7). Einen besonderen Stellenwert hat die molekularbiologische Virusdiagnostik, durch die nahezu alle relevanten Infektionserreger sensitiv erfasst werden können.
Zehn bis 15 Prozent der virusassoziierten Myokarditiden beruhen auf Enterovirusinfektionen (Coxsackieviren A und B1–5). Daneben finden sich Adenoviren (vor allem bei Kindern), Herpesviren, Cytomegalieviren, HIV, Hepatitisviren und Erythroviren (Parvovirus B19) (2).
Am häufigsten ist in unseren Breiten ein positiver DNA-Nachweis von Parvovirus B19 (PVB19) zu führen, deren Krankheitswert noch nicht geklärt ist, da PVB19-DNA in vielen Organen ohne Funktionsstörung nachzuweisen ist. Ein jedoch zusätzlicher PVB19-mRNA-Nachweis mag hier eine andere Bedeutung haben (8).
Therapie
Grundlage jeder Therapie ist die etablierte Behandlung der Herzinsuffizienz (9). Die spezifische Behandlung richtet sich nach den Ergebnissen der myokardbioptischen Diagnostik. Da in den meisten Therapiestudien keine vollständige Biopsiediagnostik und insbesondere kein Virusnachweis erfolgte, basieren die hier diskutierten Therapieempfehlungen auf nur zwei randomisierten Studien zur Immunsuppression beziehungsweise einer offenen und einer kontrollierten antiviralen Studie sowie langjährigen Erfahrungen weniger größerer Zentren (Tabelle 1) (10–15).
Therapieleitlinien der Fachgesellschaften liegen bisher nicht vor (16).
Nach einem Biopsie-geführten Virusausschluss wird grundsätzlich jedoch eine immunsuppressive Therapie mit Kortison und Azathioprin empfohlen (16). Immunglobulingaben hingegen werden nicht mehr grundsätzlich empfohlen (17). Der Erfolg von Immunadsorptionsstrategien, mit denen Autoantikörper eliminiert werden können, wird zurzeit durch Studien untersucht (18). Ähnliches gilt zu Colchicin und Retuximab.
Beim Nachweis von Entero- oder Adenoviren kann eine immunmodulierende Therapie mit Interferon Beta durchgeführt werden (13). Zurzeit wird diskutiert ob Interferone auch bei bestimmten Konstellationen einer PVB-Infektionen wirksam sind.
Es liegen einige Berichte vor, dass Patienten mit einer mRNA-PVB19-Infektion von Replikationshemmern profitieren können. Die dazugehörigen Mechanismen sind aber noch nicht abschließend beurteilbar und werden evaluiert. Niedrige PVB-DNA-Nachweise können ignoriert werden.
Fazit:
- Für eine differenzialdiagnostische Abklärung einer Myokarditis und sich daraus ableitender spezifischen Behandlungsstrategien ist eine eindeutige Diagnosesicherung erforderlich.
- Patienten, die sich akut rasch verschlechtern oder solche, die sich über einen längeren Verlauf nicht erholen müssen nach den ESC-Empfehlungen myokardbioptisch evaluiert werden.
- Blutanalysen oder alleinige MRT-Untersuchungen reichen nicht.
- Dilemma: Bisherige kleinere Studien zeigen, dass entzündlich- oder viralinduzierte chronische Kardiomyopathien prinzipiell von spezifischen Behandlungsansätzen profitieren. Die optimalen Behandlungszeitpunkte und Behandlungsbedingungen müssen aber noch durch randomisierte Untersuchungen an größeren Patientengruppen verifiziert werden. ▄
DOI: 10.3238/PersKardio.2015.09.18.06
Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie,
Berliner Zentrum für Regenerative Therapien (BCRT),
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum (CVK)
Dr. rer. nat. Uwe Kühl
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie,
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum
Interessenkonflikt: Prof. Tschöpe erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von den Firmen Novartis, Servier und Berlin Chemie. Dr. Kühl erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
@Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3815
1. | Grün S, Schumm J, Greulich S, et al.: Long-term follow-up of biopsy-proven viral myocarditis. Predictors of mortality and incomplete recovery,. J Am Coll Cardiol 2012; 59: 1604–15 CrossRef MEDLINE |
2. | Kuhl U, Pauschinger M, Noutsias M, et al.: High prevalence of viral genomes and multiple viral infections in the myocardium of adults with „idiopathic“ left ventricular dysfunction. Circulation 2005; 111: 887–93 CrossRef MEDLINE |
3. | Baboonian C, Treasure T: Meta-analysis of the association of enteroviruses with human heart disease. Heart 1997; 78: 539–43 CrossRef |
4. | D’Ambrosio A, Patti G, Manzoli A, et al.: The fate of acute myocarditis between spontaneous improvement and evolution to dilated cardiomyopathy: a review. Heart 2001; 85: 499–504 CrossRef |
5. | Friedrich MG, Sechtem U, Schulz-Menger J, et al.: Cardiovascular magnetic resonance in myocarditis: A JACC White Paper. J Am Coll Cardiol 2009; 53: 475–87 CrossRef |
6. | Escher F, Kuhl U, Lassner D, et al.: Presence of perforin in endomyocardial biopsies of patients with inflammatory cardiomyopathy predicts poor outcome. Eur J Heart Fail 2014; 16: 1066–72 CrossRef |
7. | Lassner D, Kuehl U, Siegesmund CS, et al.: Improved Diagnosis of Idiopathic Giant Cell Myocarditis and Cardiac Sarcoidosis by Myocardial Gene Expression Profiling. Europ Heart J 2014; 35: 2186–95 CrossRef MEDLINE |
8. | Kuehl U, Lassner D, Dorner A, et al.: A distinct subgroup of cardiomyopathy patients characterized by transcriptionally active cardiotropic erythrovirus and altered cardiac gene expression Basic Res Cardiology 2013; 108: 372–82 CrossRef MEDLINE |
9. | Hunt SA, Abraham WT, Chin MH, et al.: 2009 focused update incorporated into the ACC/AHA 2005 Guidelines for the Diagnosis and Management of Heart Failure in Adults: a report of the American College of Cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines: developed in collaboration with the International Society for Heart and Lung Transplantation. Circulation 2009; 119: e391–479 CrossRef MEDLINE |
10. | Frustaci A, Chimenti C, Calabrese F, et al.: Immunosuppressive therapy for active lymphocytic myocarditis: virological and immunologic profile of responders versus nonresponders. Circulation 2003; 107: 857–63 CrossRef MEDLINE |
11. | Schultheiss HP, Kuhl U.: Myocarditis. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133 Suppl 8: S290–4 CrossRef MEDLINE |
12. | Wojnicz R, Nowalany-Kozielska E, Wojciechowska C, et al.: Randomized, placebo-controlled study for immunosuppressive treatment of inflammatory dilated cardiomyopathy: two-year follow-up results. Circulation 2001; 104: 39–45 CrossRef MEDLINE |
13. | Kuehl U, Lassner D, von Schlippenbach J, Poller W, Schultheiss H-P: Interferon-beta-Improves Survival in Enterovirus-Associated Cardiomyopathy. J Am Coll Cardiol 2012; 60: 1295–6 CrossRef MEDLINE |
14. | Kuehl U, Lassner D, Wallaschek N, et al.: Chromosomally integrated human herpesvirus 6 in heart failure – prevalence and treatment. Eur J Heart Fail 2015; 17: 9–19 CrossRef MEDLINE |
15. | Maleszewski JJ, Orellana VM, Hodge DO, et al.. Long-term risk of recurrence, morbidity and mortality in giant cell myocarditis. Am J Cardiol 2015; 115: 1733–8 CrossRef MEDLINE |
16. | Caforio AL, Pankuweit S, Arbustini E, et al.: Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management, and therapy of myocarditis: a position statement of the European Society of Cardiology Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J 2013; 34: 2636–48 CrossRef MEDLINE |
17. | McNamara DM, Holubkov R, Starling RC, et al.: Controlled trial of intravenous immune globulin in recent-onset dilated cardiomyopathy. Circulation 2001; 103: 2254–9 CrossRef MEDLINE |
18. | Felix SB, Staudt A, Friedrich GB: Improvement of cardiac function after immunoadsorption in patients with dilated cardiomyopathy. Autoimmunity 2001; 34: 211–5 CrossRef |
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