POLITIK
Weltthrombosetag: Weniger Leid durch neue Leitlinien


An Thrombosen denken viele Bürger allenfalls, wenn sie eine lange Flugreise antreten oder die betagte Mutter längere Zeit im Krankenhaus liegen muss. Dabei können viel mehr Anlässe eine Thrombose auslösen - woran auch Ärzte häufiger denken sollten.
Als der CDU-Politiker Philipp Mißfelder im Sommer mit 35 Jahren an einer Lungenembolie starb, reagierten viele nicht nur bestürzt, sondern auch überrascht. Eine tödliche Lungenembolie – bei jemand so Jungem? Schon damals wies die Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA) darauf hin, dass Thrombosen und damit einhergehende Komplikationen wie Lungenembolien in den letzten Jahren zugenommen haben: An einer venösen Thromboembolie, so der Sammelbegriff, erkrankten jedes Jahr etwa 1,5 pro 1 000 Einwohner. Geschätzt mehr als 40 000 Todesfälle pro Jahr sind nach Angaben der DGA allein in Deutschland die Folge.
Bewusstsein schärfen
Zwar steigt die Inzidenz ab dem 50. Lebensjahr deutlich an. Doch weil zu den möglichen Auslösern einer Thrombose auch Hormonveränderungen in der Schwangerschaft, Krebserkrankungen oder schwere Allgemeinerkrankungen mit Entzündung und Fieber gehören können, sind nicht nur ältere Menschen gefährdet.
Auf dieses oft unterschätzte Leiden hat die DGA nun aus Anlass des Weltthrombosetags (WTT) am 13. Oktober im Verbund mit anderen Experten hingewiesen. Sie hat 2014 das Aktionsbündnis Thrombose gegründet. Darin engagieren sich unter anderem auch die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie, die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung(GTH) sowie die Deutsche Gefäßliga und Pharmaunternehmen. Sie alle wollen das öffentliche Bewusstsein für Prävention, Diagnose und Therapie von Thrombosen und Lungenembolien stärken.
„Wir sehen oft Patienten, bei denen klar ist, dass der Verlauf der Thrombose oder der Lungenembolie besser hätte sein können“, erläuterte Prof. Dr. med. Rupert Bauersachs, wissenschaftlicher Leiter des Aktionsbündnisses. „Wir müssen das Bewusstsein und die Kenntnisse über das Krankheitsbild schärfen.“ Das gelte für Patienten wie für Ärzte. Darüber hinaus benötige man bessere Daten über die Versorgung in Deutschland.
Fortschritte auf diesem Weg erhoffen sich die Fachleute von der Umsetzung mehrerer neuer Leitlinien: Zum Weltthrombosetag befand sich eine interdisziplinäre S2-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie in der Endabstimmung. Daran haben mehr als ein Dutzend Fachgesellschaften mitgearbeitet. Gleichzeitig wird auch eine neue S3-Leitlinie zur Versorgung von Patienten mit peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten fertig, an der rund 30 Fachgesellschaften beteiligt waren.
Mehrere neue Leitlinien
Beide soll man in Kürze auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) heruntergeladen können. AWMF-Past-Präsident Prof. Dr. med. Albrecht Encke, der die neue S3-Leitlinie koordiniert hat, berichtete außerdem, dass das Aktionsbündnis Patientensicherheit Interesse daran habe, eine Patientenversion zu veröffentlichen. Die Koordinatorin der S2-Leitlinie, Prof. Dr. med. Viola Hach-Wunderle, ist überzeugt davon, dass die fachübergreifende Leitlinienarbeit es erleichtern wird, die neuen Erkenntnisse in den einzelnen Fachgebieten umzusetzen.
Seit kurzem liegt zudem eine deutsche Kommentierung der neuen europäischen Leitlinie zur Lungenembolie vor, wie der dafür verantwortliche Kardiologe Prof. Dr. med. Stavros Konstantinides erläuterte. Die Lungenembolie sei das dritthäufigste Herz-Kreislauf-Syndrom, betonte er. Das Problem seien oft unspezifische und untypische Symptome bei Patienten. Die neue Leitlinie gebe einen Behandlungsalgoritmus vor, auch um Risiken zu erkennen und angemessen damit umzugehen. Das Wissen über Thrombosen und Embolien müsse erweitert werden, befand auch Konstantinides, „damit alle an dieses Krankheitsbild denken, so wie an Herzinfarkt oder Schlaganfall“.
Vom Nutzen der neuen Leitlinien ist auch Prof. Dr. med. Edelgard Lindhoff-Last überzeugt, Vorstandsmitglied der GTH. Bisher habe es teilweise „verwirrende Empfehlungen“ zur Behandlung gegeben. Nun seien die Vorschläge klarer. „Die Prophylaxe venöser Thrombosen ist die beste Medizin“, betonte Lindhoff-Last aber: „Wir müssen vorbeugen lernen.“
Thema am Weltthrombosetag waren auch unzureichende Erkenntnisse über die Versorgung in Praxen und Kliniken, fehlende Kooperationsstrukturen der Behandler sowie finanzielle Fehlanreize. So wird der D-Dimer-Test als wichtiges Instrument zur Risikoeinschätzung in den Praxen derzeit noch nicht einmal zum Einkaufspreis vergütet.
Sabine Rieser
@Mehr Informationen unter:
www.risiko-thrombose.de
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