MEDIZIN: Originalarbeit
Tabakkonsum und Passivrauchbelastung bei Jugendlichen in Deutschland
Verbreitung, zeitliche Entwicklung und soziale Unterschiede
Smoking and passive smoke exposure among adolescents in Germany—prevalence, trends over time, and differences between social groups
;
Hintergrund: Kinder und Jugendliche sind die wichtigste Zielgruppe der Tabakprävention und des Nichtraucherschutzes. Der Beitrag analysiert die zeitliche Entwicklung und soziale Unterschiede im Tabakkonsum und in der Passivrauchbelastung bei Jugendlichen in Deutschland.
Methoden: Die Auswertungen basieren auf zwei Erhebungen der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS), die von 2003–2006 und 2009–2012 durchgeführt wurden. Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren wurden zu ihrem Rauchverhalten und zur Passivrauchbelastung (Basiserhebung: n = 6 812; Welle 1: n = 5 258) befragt. Der soziale Status wurde anhand eines Indexes bestimmt, in den Angaben der Eltern zu Bildung, Beruf und Einkommen eingingen.
Ergebnisse: Innerhalb von rund sechs Jahren ist die Raucherprävalenz bei Jugendlichen von 20,4 % auf 12,0 % gesunken (p < 0,001). Der tägliche Konsum nahm von 13,3 % auf 5,4 % ab (p < 0,001). Der Anteil der Nichtraucher, die sich mehrmals pro Woche oder täglich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird, ging von 35,1 % auf 18,8 % zurück (p < 0,001). Je niedriger der soziale Status der Jugendlichen, desto stärker war vor allem der tägliche Tabakkonsum und die regelmäßige Passivrauchbelastung verbreitet.
Schlussfolgerung: Die Befunde sprechen dafür, dass die zahlreichen Maßnahmen, die in den letzten Jahren umgesetzt wurden, um Heranwachsende vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens und Passivrauchens zu schützen, unabhängig vom sozialen Status der Jugendlichen eine positive Wirkung erzielt haben.


Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 100 000 Menschen an den gesundheitlichen Folgen des Rauchens, rund 3 300 Todesfälle werden auf Passivrauchbelastungen zurückgeführt (1, 2). Die Reduktion des Tabakkonsums in der Bevölkerung und der Nichtraucherschutz sind daher primäre Handlungsfelder der Gesundheits- und Suchtpolitik (3) und sowohl im nationalen Gesundheitszieleprozess (4, 5) als auch in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verankert (6). Kinder und Jugendliche gelten als die wichtigste Zielgruppe der Tabakprävention (7), da der Einstieg in den Tabakkonsum zumeist vor Erreichen der Volljährigkeit erfolgt (8, 9) und ein früher Raucheinstieg die Wahrscheinlichkeit einer späteren Nikotinabhängigkeit und eines vorzeitigen Auftretens tabakassoziierter Erkrankungen erhöht (10–12).
Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens und Passivrauchens zu schützen (13, 14). Mehrstufige Tabaksteuererhöhungen haben zu einem spürbaren Preisanstieg bei Zigaretten und anderen Tabakprodukten geführt. Mit den seit 2007 erlassenen Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder traten weitreichende Rauchverbote in Kraft, unter anderem für öffentliche Gebäude und Verkehrsmittel, Bildungseinrichtungen, Gaststätten und Diskotheken. Zum 1. September 2007 wurde der § 10 des Jugendschutzgesetzes geändert und die Altersgrenze für den Erwerb und den Konsum von Tabakprodukten in der Öffentlichkeit von 16 auf 18 Jahre angehoben. Der Zugang zu Zigarettenautomaten ist für Minderjährige mittlerweile durch den obligatorischen Einsatz technischer Altersnachweissysteme erschwert. Auch die gesetzlichen Regelungen für Tabakwerbung wurden verschärft. Diese Maßnahmen wurden begleitet durch eine Ausweitung bevölkerungs- und settingbezogener Programme, zum Beispiel der „rauchfrei“-Jugendkampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (15), des bundesweiten Wettbewerbs für Schulklassen „Be smart – don’t start“ (13, 16) oder der von Medizinstudierenden gegründeten Initiative „Aufklärung gegen Tabak“ (17, 18).
Um die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen bewerten und zukünftige Interventionen besser planen zu können, werden regelmäßig verfügbare und belastbare Daten benötigt, die sowohl über die aktuelle Verbreitung als auch über zeitliche Entwicklungen und Trends des Tabakkonsums und der Passivrauchbelastung von Jugendlichen Auskunft geben (14). Hinsichtlich des Tabakkonsums kann zu diesem Zweck auf die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) des Robert Koch-Instituts (7, 19, 20), die Repräsentativerhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (21), die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) des Instituts für Therapieforschung (22) und die WHO-Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) (23) zurückgegriffen werden. Im Gegensatz zu den anderen drei Studien liefert die KiGGS-Studie auch Daten zur Passivrauchbelastung von Kindern und Jugendlichen. Erste diesbezügliche Auswertungen auf Grundlage der im Zeitraum von 2003 bis 2006 durchgeführten KiGGS-Basiserhebung wurden unter anderem in dieser Zeitschrift veröffentlicht (7).
Mit den nun vorliegenden neuerlichen Daten aus KiGGS Welle 1, die von 2009 bis 2012 erhoben wurden, können Aussagen über die aktuelle Verbreitung und die zeitliche Entwicklung des Tabakkonsums und der Passivrauchbelastung bei 11- bis 17-jährigen Jugendlichen getroffen werden. Untersucht wird im Folgenden, inwieweit sich dabei Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Sozialstatus ergeben.
Methode
KiGGS ist Bestandteil des Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts und als kombinierte Querschnitt- und Kohortenstudie konzipiert. Ziele, Konzept und Design von KiGGS sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben (24–27). Für den Altersbereich 0–17 Jahre soll KiGGS wiederholt bundesweit erhobene Prävalenzdaten zur gesundheitlichen Situation der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen liefern. Die KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) umfasste Befragungen, Untersuchungen und Laboranalysen, KiGGS Welle 1 (2009–2012) Befragungen in Form von Telefoninterviews. Die KiGGS-Basiserhebung wurde als reine Querschnittstudie mit insgesamt 17 641 Probanden im Alter von 0–17 Jahren bei einer Response von 66,6 % realisiert. Die Einzuladenden wurden in einer geschichteten Zufallsstichprobe von 167 Orten Deutschlands zufällig aus den Melderegistern gezogen (25). Die Stichprobe von KiGGS Welle 1 bestand zum einen aus einer neuen Querschnittstichprobe 0- bis 6-Jähriger, die wiederum zufällig aus den Melderegistern der ursprünglichen Studienorte gezogen wurden. Zum anderen wurden die ehemaligen Teilnehmenden der KiGGS-Basiserhebung zur Befragung eingeladen. Insgesamt nahmen 12 368 Kinder und Jugendliche in dem für den Querschnitt relevanten Altersbereich von 0–17 Jahren teil, darunter 4 455 Ersteingeladene (Response 38,8 %) und 7 913 Wiedereingeladene (Response 72,9 %) (27).
Die Auswertungen zum Tabakkonsum und zur Passivrauchbelastung beschränken sich auf Selbstangaben der Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren (KiGGS-Basis: n = 6 812, KiGGS Welle 1: n = 5 258) (eTabelle 1). Da in KiGGS Welle 1 nahezu ausnahmslos die gleichen Fragen zum Rauchverhalten und zur Passivrauchbelastung gestellt wurden wie in der KiGGS-Basiserhebung, können für die meisten Indikatoren Aussagen zur zeitlichen Entwicklung über einen Zeitraum von rund sechs Jahren getroffen werden (7, 19, 20). Das Rauchverhalten wurde mit mehreren Fragen erhoben, die sich unter anderem auf den aktuellen Tabakkonsum sowie auf die Intensität des Rauchens beziehen (20). Nach der Eingangsfrage „Hast du schon einmal geraucht?“, wurden diejenigen, die diese Frage bejahten, gefragt, wie oft sie zurzeit rauchen (Antwortkategorien: „täglich“, „mehrmals pro Woche“, „einmal pro Woche“, „seltener als einmal pro Woche“, „gar nicht“). Um die Passivrauchbelastung zu ermitteln, wurden die Jugendlichen gefragt, wie häufig sie sich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird (Antwortkategorien identisch). Betrachtet werden im Folgenden das aktuelle (das heißt jeglicher, auch gelegentlicher Tabakkonsum) und das tägliche Rauchen sowie die Häufigkeit der Exposition gegenüber Passivrauch (mindestens mehrmals pro Woche = „regelmäßig“ und „täglich“). Die Auswertungen zur Passivrauchbelastung werden dabei auf jene Jugendlichen beschränkt, die selbst nicht rauchen. Der soziale Status wird anhand eines am Robert Koch-Institut entwickelten Index bestimmt, in den Angaben der Eltern zu ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, ihrer beruflichen Stellung und ihrem Einkommen eingehen, und der eine Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Statusgruppe ermöglicht (28).
Alle Analysen wurden mit einem Gewichtungsfaktor durchgeführt, der Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur (Stand 31. 12. 2010) hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region, Staatsangehörigkeit, Gemeindetyp und Bildungsstand des Haushaltsvorstandes korrigiert. Ferner wurde für die ehemaligen Teilnehmer der KiGGS-Basiserhebung die unterschiedliche Wiederteilnahmebereitschaft mittels Gewichtung ausgeglichen (27). Berichtet werden Prävalenzen mit 95-%-Konfidenzintervallen unter Berücksichtigung von Unterschieden nach Alter, Geschlecht und Sozialstatus. Daneben werden Odds Ratios (OR) ausgewiesen, die mittels binär logistischer Regressionen berechnet wurden. Sie sind als Chancenverhältnisse zu interpretieren und geben an, um welchen Faktor die statistische Chance zu rauchen beziehungsweise Passivrauch ausgesetzt zu sein in der niedrigen beziehungsweise mittleren gegenüber der hohen Statusgruppe, die als Referenzkategorie definiert wurde, erhöht ist.
Um sowohl die Gewichtung als auch die Korrelation der Teilnehmenden innerhalb einer Gemeinde zu berücksichtigen, wurden die Konfidenzintervalle und p-Werte mit Verfahren für komplexe Stichproben berechnet. Gruppenunterschiede wurden mit dem nach Rao-Scott über die F-Verteilung korrigierten Chi-Quadrat-Test für komplexe Stichproben auf Signifikanz geprüft. Unterschiede werden als statistisch signifikant angesehen, wenn sich die Konfidenzintervalle nicht überschneiden beziehungsweise die Irrtumswahrscheinlichkeit (p) einen Wert kleiner als 0,05 annimmt. Zum Einsatz kam das Softwareprodukt SPSS Version 20.
Ergebnisse
Den Daten aus KiGGS Welle 1 zufolge rauchen aktuell 12,0 % der 11- bis 17-Jährigen in Deutschland, knapp die Hälfte davon (5,4 %) täglich. In der Verbreitung des Tabakkonsums bestehen dabei kaum nennenswerte Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mit zunehmendem Alter steigen die Prävalenzen sprunghaft an. Während der Anteil der Raucher bei den 11- bis 13-Jährigen noch unter 5 % liegt, raucht von den 17-Jährigen aktuell rund jeder dritte (34,5 %), jeder sechste (17,8 %) sogar täglich.
Der Vergleich der Daten aus der KiGGS-Basiserhebung mit den Daten aus KiGGS Welle 1 zeigt, dass immer weniger Jugendliche in Deutschland rauchen. Innerhalb von rund sechs Jahren ist der Anteil der aktuellen Raucher von 20,4 % auf 12,0 % zurückgegangen (p < 0,001). Gleichzeitig hat sich der Anteil der Jugendlichen, die täglich rauchen, von 13,3 % auf 5,4 % mehr als halbiert (p < 0,001). Dieser deutliche Rückgang im aktuellen und täglichen Tabakkonsum ist bei Jungen und Mädchen gleichermaßen zu beobachten (Grafik 1); er erstreckt sich über die gesamte Altersspanne der 11- bis 17-Jährigen und ist bei den 14- bis 16-Jährigen besonders stark ausgeprägt (Grafik 2, eTabelle 2).
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, sind die Raucherprävalenzen im Beobachtungszeitraum unabhängig von der sozialen Herkunft der Jugendlichen in allen Bevölkerungsgruppen gesunken. In KiGGS Welle 1 liegt der Raucheranteil bei Jugendlichen mit niedrigem Sozialstatus in etwa auf dem Niveau wie bei Jugendlichen mit hohem Sozialstatus in der KiGGS-Basiserhebung. Während in der KiGGS-Basiserhebung Jungen und Mädchen der niedrigen Statusgruppe gegenüber Gleichaltrigen der hohen Statusgruppe noch ein deutlich höheres Risiko hatten, aktuell zu rauchen, sind die Unterschiede nach Sozialstatus in KiGGS Welle 1 nicht mehr statistisch bedeutsam. Der tägliche Tabakkonsum hingegen ist auch in KiGGS Welle 1 weiterhin eng an den sozialen Status der Jugendlichen geknüpft: Je niedriger der soziale Status, desto größer ist der Anteil der Jungen und Mädchen, die täglich rauchen.
Rund zwei Drittel (67,1 %) der Jugendlichen, die selbst nicht rauchen, halten sich den Daten aus KiGGS Welle 1 zufolge zumindest gelegentlich in Räumen auf, in denen geraucht wird. Knapp jeder fünfte Jugendliche (18,8 %) ist regelmäßig, mindestens mehrmals pro Woche, jeder zehnte Jugendliche (10,2 %) sogar täglich einer Passivrauchexposition ausgesetzt. Wie schon beim aktiven Tabakkonsum bestehen auch im Ausmaß der Passivrauchbelastung kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Jugendlichen, die sich regelmäßig oder täglich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird, tendenziell an.
Der Vergleich der Daten aus der KiGGS-Basiserhebung mit den Daten aus KiGGS Welle 1 zeigt, dass die Passivrauchbelastung von Jugendlichen in Deutschland deutlich gesunken ist. Der Anteil der Jugendlichen, die sich zumindest gelegentlich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird, ist von 83,2 % auf 67,1 % zurückgegangen (p < 0,001). Gleichzeitig hat sich der Anteil der Jugendlichen, die regelmäßig oder täglich Passivrauch ausgesetzt sind, von 35,1 % auf 18,8 % beziehungsweise von 21,9 % auf 10,2 % in etwa halbiert (jeweils p < 0,001). Dieser deutliche Rückgang in der regelmäßigen und täglichen Passivrauchbelastung ist bei Jungen und Mädchen gleichermaßen zu beobachten (Grafik 3) und erstreckt sich über die gesamte Altersspanne der 11- bis 17-Jährigen (Grafik 4, eTabelle 3).
Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, ist die Passivrauchbelastung im Beobachtungszeitraum unabhängig von der sozialen Herkunft der Jugendlichen in allen Bevölkerungsgruppen gesunken. Sowohl in der KiGGS-Basiserhebung als auch in KiGGS Welle 1 zeigt sich jedoch ein deutlich ausgeprägter sozialer Gradient. Demzufolge gilt: Je niedriger der soziale Status, desto größer ist der Anteil der nichtrauchenden Jugendlichen, die sich regelmäßig oder sogar täglich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird.
Diskussion
Die Ergebnisse der KiGGS-Studie belegen, dass innerhalb von rund sechs Jahren der Anteil der 11- bis 17-jährigen Jungen und Mädchen, die rauchen, von 20,4 % auf 12,0 % deutlich zurückgegangen ist (20). Der Anteil täglicher Raucher hat sich sogar mehr als halbiert. Damit stehen die Befunde im Einklang mit anderen bevölkerungsweiten Studien, die das Rauchverhalten von Jugendlichen in Deutschland regelmäßig untersuchen, zum Beispiel die Repräsentativerhebungen der BZgA (21), die ESPAD- (22) und die HBSC-Studie (23). Auch aus anderen hochentwickelten Staaten wie den USA (29), England (30) oder Finnland (31) werden rückläufige Raucherprävalenzen bei Jugendlichen berichtet.
Darüber hinaus sprechen die KiGGS-Daten für einen deutlichen Rückgang der Passivrauchbelastung. Der Anteil nichtrauchender Jugendlicher, die sich regelmäßig in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird, lag in der KiGGS-Basiserhebung noch rund doppelt so hoch wie in KiGGS Welle 1. Vergleichbare Informationen aus anderen bevölkerungsweiten Studien liegen für Deutschland nicht vor. Internationale Studien bestätigen jedoch den zu beobachtenden Trend einer abnehmenden Passivrauchbelastung von Jugendlichen (32, 33).
Die nach Sozialstatus stratifizierten Auswertungen zeigen, dass der Anteil der Jungen und Mädchen, die rauchen beziehungsweise regelmäßig Passivrauch ausgesetzt sind, in allen Statusgruppen zurückgegangen ist. Trotz des sich in allen Statusgruppen abzeichnenden Trends gilt weiterhin, dass Jungen und Mädchen mit niedrigem Sozialstatus gegenüber Gleichaltrigen mit hohem Sozialstatus ein erhöhtes Risiko haben, täglich zu rauchen beziehungsweise regelmäßig gegenüber Passivrauch exponiert zu sein (7).
Wie beschrieben, wurden einige der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung des Rauchens und zum Schutz der nichtrauchenden Bevölkerung vor Passivrauch in den Jahren 2007 und 2008 umgesetzt. Die beiden bisher durchgeführten Erhebungen der KiGGS-Studie fanden unmittelbar vor beziehungsweise nach Inkrafttreten dieser weitreichenden gesetzlichen Regelungen statt. Obgleich sich die genauen Effekte dieser Maßnahmen nur schwer quantifizieren lassen, ist davon auszugehen, dass sie mit dazu beigetragen haben, dass immer weniger Jugendliche mit dem Rauchen anfangen beziehungsweise Passivrauchbelastungen ausgesetzt sind (4, 13). Kausale Rückschlüsse sind jedoch unzulässig, zumal die Studien der BZgA zeigen, dass der Anteil der Jugendlichen, die selbst rauchen, bereits seit Anfang der 2000er-Jahre rückläufig ist (21).
Dass der Anteil der Jugendlichen, die rauchen, in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist, lässt sich teilweise auch darauf zurückzuführen, dass das Durchschnittsalter, in dem zum ersten Mal geraucht wird, im gleichen Zeitraum angestiegen ist. Den KiGGS-Daten zufolge hat sich das durchschnittliche Einstiegsalter in den regelmäßigen Tabakkonsum bei 17-Jährigen von 14,2 Jahre (2003–2006) auf 15,1 Jahre (2009–2012) erhöht (20). Die BZgA-Repräsentativerhebungen bestätigen diesen Befund (21). Die im vorliegenden Beitrag nach Einzeljahren stratifizierten Analysen der KiGGS-Daten belegen jedoch auch, dass die Verbreitung des Rauchens in allen Altersjahrgängen zurückgegangen ist und der Gesamteffekt damit nicht durch rückläufige Prävalenzen in den jüngeren Altersgruppen allein erklärt werden kann.
Bei der Interpretation der Befunde sind weitere methodische Aspekte zu beachten (20). So beruhen die in der KiGGS-Studie erhobenen Informationen zum Tabakkonsum und zur Passivrauchbelastung der Jugendlichen auf Selbstangaben der Befragten. Eine objektive Überprüfung des Rauch- und Expositionsstatus, wie sie zum Beispiel anhand von Messungen des Cotininspiegels im Speichel oder Urin der Probanden vorgenommen werden kann, wurde nicht realisiert (34). Zumindest die selbstberichteten Daten zum Rauchverhalten könnten daher dem Phänomen sozialer Erwünschtheit unterliegen, demzufolge ein Teil der Probanden den eigenen Tabakkonsum verschweigt beziehungsweise niedriger angibt, was zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Raucherprävalenz führen würde (18, 35). Studien, in denen Selbstangaben von Jugendlichen und objektive Messwerte zur Feststellung des Rauchstatus miteinander verglichen wurden, deuten jedoch auf eine hohe Übereinstimmung und damit auf die Validität selbstberichteter Daten zum Tabakkonsum hin (34, 36, 37). Zu berücksichtigen ist ferner der Wechsel des Erhebungsmodus, der zwischen der KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1 stattgefunden hat (27). Während in der Basiserhebung die Angaben zum Tabakkonsum und zur Passivrauchbelastung mithilfe von Selbstausfüllfragebögen ermittelt wurden, kamen in der Folgebefragung computergestützte Telefoninterviews zum Einsatz. Da in Interviews bisweilen eine stärkere Tendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit festgestellt wurde als in schriftlichen Befragungen (38, 39), kann nicht ausgeschlossen werden, dass der rückläufige Trend im Tabakkonsum von Jugendlichen zumindest teilweise auf einem solchen Antwortbias beruht.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die zahlreichen Maßnahmen, die in den letzten Jahren umgesetzt wurden, um insbesondere Heranwachsende vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens und Passivrauchens zu schützen, offenbar eine positive Wirkung erzielt haben. Die KiGGS-Daten belegen, dass nicht nur Jugendliche aus sozial besser gestellten Familien seltener rauchen und Passivrauchbelastungen ausgesetzt sind, sondern dass dies auch für jene aus sozial schlechter gestellten Familien gilt. Da jedoch noch immer deutliche soziale Unterschiede im Tabakkonsum und in der Passivrauchbelastung bestehen, bleibt deren Reduktion ein wichtiges Präventionsziel.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 21. 3. 2015, revidierte Fassung angenommen: 24. 8. 2015
Anschrift für die Verfasser
Dr. PH Benjamin Kuntz
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring
FG Soziale Determinanten der Gesundheit
General-Pape-Straße 62–66, 12101 Berlin
b.kuntz@rki.de
Zitierweise
Kuntz B, Lampert T: Smoking and passive smoke exposure among adolescents in Germany—prevalence, trends over time, and differences between social groups. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 23–30. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0023
@The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
Mit „e“ gekennzeichnete Tabellen:
www.aerzteblatt.de/16m0023 oder über QR-Code
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