ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2016Ideenmanagement: So profitieren Ärzte von der Kreativität ihrer Mitarbeiter

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Ideenmanagement: So profitieren Ärzte von der Kreativität ihrer Mitarbeiter

Kutscher, Patric P.

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Jeden Tag werden in der Klinik Topideen geboren – aber oft nicht weiterverfolgt oder gar verwirklicht. Was Ärzte tun können, damit gute Ideen so festgehalten, diskutiert und weitergedacht werden, dass alle davon profitieren.

Foto: Fotolia/fotomek
Foto: Fotolia/fotomek

Mittagspause in der Klinik, Ärzte, Schwestern und Pfleger sitzen in der Kantine beisammen. Small Talk, lockeres Geplauder, Kliniktratsch und -klatsch. Dann sagt einer der Ärzte: „Ich habe heute gemerkt, dass ein gutes Gespräch mit dem Patienten zustande kommt, wenn man sich mit ihm auf Augenhöhe begibt, und zwar wortwörtlich.“ Auf die Nachfrage, was genau er meine, führt er aus: „Ich habe mich heute bei Herrn Müller nicht einfach vor sein Bett gestellt und quasi von oben auf ihn herabgeblickt und herabgesprochen, sondern mir einen Stuhl gegriffen und mich neben ihn gesetzt, mich auf eine Augenhöhe mit ihm begeben. Ich hatte den Eindruck, dass er sich danach mehr geöffnet hat als sonst.“

Gute Ideen sollten nicht im Sande verlaufen

Ende der Pause. Jeder geht wieder an seinen Platz, „interessante Idee“, heißt es noch, aber kurz danach ist die Idee wie vom Erdboden verschluckt, weil niemand sie festgehalten hat und sie niemand weiter ausdiskutiert. Es mag sein, dass sich „demnächst“ ein Arzt an die Idee des Kollegen erinnert und sie gleichfalls umsetzt, aber das ist auch schon alles.

Prof. Dr. Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter am Unfallkrankenhaus Berlin, kommentiert dies so: „Es ist schade und kontraproduktiv, wenn gute Ideen im Sande verlaufen. Denn wir können es uns eigentlich nicht leisten, wertvolles Kreativkapitel in den Köpfen unserer Mitarbeiter brachliegen zu lassen und nicht zu nutzen.“ Notwendig sei es daher, eine Kreativkultur zu schaffen. Aber wie?

Jeder in der Klinik sollte dafür sensibilisiert werden, dass es gern gesehen wird, wenn Ideen nicht nur geäußert, sondern festgehalten werden, so dass auch andere etwas davon haben. Im genannten Beispiel könnte das bedeuten: Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, sich mit den Patienten auf Augenhöhe zu begeben? „Richtig, wir müssen davon wegkommen, dass auf der einen Seite der Patient als Laie sitzt und auf der anderen wir, die Experten. Das wirkt in der Wahrnehmung der Patienten abgehoben und behindert die Vertrauensbildung.“

Das heißt: Alle gehen auf die geäußerte Idee aktiv ein und spinnen sie weiter, weil sie wissen, dass diese Idee es schaffen kann, an alle Mitarbeiter in der Klinik kommuniziert zu werden. „Schreib das auf und trag die Idee in der nächsten Sitzung vor“, so ein Kollege in jener Mittagspause. Das setzt allerdings voraus: Die Klinik organisiert einmal im Monat ein Meeting, in dem solche Ideen vorgetragen, weitergedacht und in konkrete Umsetzungsschritte gegossen werden. „Entscheidend ist, dass durch solch ein Meeting der Erfahrungsaustausch gefördert und die Ideenfindung vom Zufall befreit wird“, merkt Schaffartzik an. „Trotzdem sollte jene Spontaneität gewahrt bleiben, die zur Ideengestaltung in der freien Kommunikation führt, etwa in den Pausenzeiten.“

Ideenbriefkästen an zentraler Stelle installieren

Ist das illusorisch, weil im hektischen Klinikalltag dafür keine Zeit ist? Wer so denkt, sollte sich der Bedeutung kreativer Ideen für Verbesserungen im medizinischen Bereich, bei der Patientenbetreuung sowie im pflegerischen Bereich bewusst sein. Wenn sich ein Verbesserungsvorschlag auf den gesamten Klinikbereich beziehen lässt, kann es sogar zu erheblichen finanziellen Einsparungen kommen.

„Und es muss ja nicht immer gleich ein Meeting sein, um Ideen zu kommunizieren“, schlägt Schaffartzik vor. „Eventuell lässt sich an zentraler Stelle in der Klinik ein Ideenbriefkasten aufstellen: Ärzte, Pfleger und Schwestern notieren ihre Ideen und werfen die Notizen in den Ideenbriefkasten.“ Damit das Ideenmanagement reibungslos abläuft und die Idee mit möglichst wenig Aufwand weitergereicht werden kann, sollten Formulare gefertigt werden, also Ideenformulare, auf denen der Ideengeber seinen Verbesserungsvorschlag beschreibt. Die Formulare können dann an zentraler Stelle, etwa in der Verwaltung, ausgewertet werden.

Kreativität darf nicht auf der Strecke bleiben

Ein Ideenformular könnte wie folgt ausgestaltet sein:

  • Welche Aspekte in Ihrem Bereich/bezüglich Ihrer Tätigkeit sind verbesserungswürdig?
  • Warum ist dies so (bitte geben Sie ein konkretes Beispiel)?
  • Wodurch können diese Aspekte (= Schwachstellen) verbessert werden?
  • Wie schauen die Folgen (= Nutzen) dieser Verbesserung aus?
  • Wie kann der Verbesserungsvorschlag realisiert werden – was ist dazu aus Ihrer Sicht notwendig?

Die Ideenkultur sollte jedoch nicht zu Tode formalisiert werden, die Kreativität darf nicht auf der Strecke bleiben. Zielführender ist es, wenn die Ideenkultur den Beteiligten Spaß macht und sie motiviert, freiwillig und ohne Zwang Ideen zu kreieren. Allerdings kann es nicht schaden, wenn gewisse Anreize geschaffen werden, indem die Klinikleitung zum Beispiel „Die Idee des Monats“ prämiert oder im Intranet oder am Schwarzen Brett die eingereichten Ideen vorstellt, anerkennt und lobt und vor allem belegt, dass sie auch tatsächlich weiterverfolgt und zu konkreten Veränderungen und Verbesserungen führen.

Es motiviert ungemein, wenn der Arzt, der jene Augenhöheidee am Mittagstisch geäußert und dann per Ideenformular und Ideenbriefkasten weitergegeben hat, schließlich erfährt, dass und wie sein Vorschlag konkret umgesetzt worden ist, und zwar in der gesamten Klinik und vielleicht sogar darüber hinaus. Ebenso wichtig ist es, zu erfahren, warum eine Idee dann doch nicht in die Umsetzungsphase gelangt ist.

Informieren und zur Ideenfindung beflügeln

Damit das Engagement, Verbesserungsideen zu kreieren, nicht nachlässt, sondern gefördert wird, ist es notwendig, Ideen rasch umzusetzen. Es ist oft frustrierend für den Ideengeber, wenn zwischen Ideenäußerung und Verwirklichung allzu viel Zeit verstreicht. Hier sollten die Vorteile der modernen Kommunikationsmedien genutzt werden. Denn mit ihrer Hilfe ist es möglich, kontinuierlich über den Umsetzungsstatus einer Idee zu informieren, etwa im Intranet oder im Nachrichten-Chat. „Selbst wenn viel Zeit bis zur endgültigen Realisierung ins Land geht, erfahren der Ideengeber und das Umfeld, dass die Idee nicht auf Eis gelegt wurde, sondern sich in der Phase der Umsetzung befindet“, betont Schaffartzik. „Und das beflügelt zur weiteren Ideenfindung!“

Patric P. Kutscher



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