ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2016Arbeitszeit und Infarktrisiko: Bei langen Wochenarbeitszeiten ist das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Arbeitszeit und Infarktrisiko: Bei langen Wochenarbeitszeiten ist das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht

Heinzl, Susanne

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In zwei Metaanalysen von publizierten und unpublizierten Daten wurden die Effekte längerer Arbeitszeiten auf das koronare Risiko und das Risiko für Schlaganfall untersucht. In der Metaanalyse zum koronaren Risiko wurden die Daten von 603 838 Männern und Frauen aus Europa, USA und Australien berücksichtigt, die im Mittel für 8,5 Jahre beobachtet wurden (1). Bei Personen, die 55 Stunden pro Woche oder mehr arbeiteten, stieg das Risiko für eine koronare Herzerkrankung um 13 % im Vergleich zu Personen, die 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeiteten (relatives Risiko [RR]: 1,13; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 1,02–1,26; p = 0,02). Verschiedene Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und sozioökonomischer Status waren dabei berücksichtigt.

Das Risiko für einen Schlaganfall wurde in einer Metaanalyse mit 528 908 Männern und Frauen untersucht, die für 7,2 Jahre beobachtet wurden. Bei Personen, die 55 Stunden oder mehr in der Woche arbeiteten, stieg das Risiko um 33 % im Vergleich zu Personen, die zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche ihrer Beschäftigung nachgingen (RR: 1,33; 95-%-KI: 1,11–1,61; p = 0,002). Diese Assoziation war auch bei Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, körperlichen Aktivitäten, Hypertonus oder hohem Cholesterinspiegel nachzuweisen. Es gab eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung: je länger die Personen arbeiteten, desto höher war ihr Schlaganfallrisiko.

Die Ursachen für diese Assoziation sind bislang nicht bekannt. Die Autoren vermuten, dass das Schlaganfallrisiko durch häufige Stressreaktionen erhöht werden könnte, auch körperliche Inaktivität und hoher Alkoholkonsum könnten eine Rolle spielen. Auch gebe es Hinweise, dass Personen, die sehr viel arbeiten, körperliche Warnsignale oft ignorieren und sich eher spät in ärztliche Behandlung begeben.

Im begleitenden Editorial (2) wird darauf hingewiesen, dass den Analysen wegen der hohen Probandenzahlen große Bedeutung zukomme. Allerdings sei, wie in vielen epidemiologischen Studien, das Outcome mit größerer Genauigkeit erfasst als die Exposition, in diesem Fall die Arbeitszeit. Die Angaben dazu waren Selbstauskünfte. Relevante Einflussfaktoren blieben daher möglicherweise unberücksichtigt. Dennoch wiesen die Ergebnisse darauf hin, dass bei der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen den Arbeitsbedingungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse.

Fazit: Lange Arbeitszeiten erhöhen das Risiko für Schlaganfall und – weniger deutlich – auch für eine koronare Herzkrankheit. Bei viel arbeitenden Menschen sollte sorgfältig auf das Management kardiovaskulärer Risikofaktoren geachtet werden. Dr. rer. nat. Susanne Heinzl

  1. Kivimäki M, et al.: Long working hours and risk of coronary heart disease and stroke:
    a systematic review and meta-analysis of published and unpublished data for 603 838 individuals. Lancet 2015; 386: 1739-46.
  2. Janlert U: Long working hours: an avoidable cause of stroke? Lancet 2015; 386: 1710-1.

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