ArchivDeutsches Ärzteblatt5/2016Leitlinien: Patientenleitlinien sind auch betroffen
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Zu dem oben genannten Beitrag möchte ich ergänzen, dass die getroffenen Aussagen in weiten Teilen auch für die Patientenleitlinien zutreffen. Bei diesen handelt es sich in der Regel um „Übersetzungen“ der ärztlichen Leitlinien in eine „laienverständliche“ Sprache. Dies führt bei Patienten/-innen aufgrund der Komplexität der Leitlinien einerseits zur Überinformation hinsichtlich aller vorhandenen Therapieangebote und andererseits paradoxerweise gleichzeitig zu Informationsdefiziten bei den relevanten speziellen Fragestellungen, zu denen die meisten Patientenleitlinien evidenzbasierte Daten vermissen lassen.

Unverzichtbar wären evidenzbasierte Entscheidungshilfen, in denen die erforderlichen Daten in absoluten Zahlen so aufgearbeitet sind, dass Patienten/-innen im Entscheidungsprozess tatsächlich befähigt sind, ihre Therapieoptionen beziehungsweise den Verzicht auf eine Therapie realistisch einzuschätzen und zu vergleichen. Erst so könnten auch sie partizipieren an evidenzbasiertem medizinischen Wissen und mit ihrem Behandlungsteam gemeinsam im Sinne von informed consent und shared dicision making individuelle Entscheidungen treffen. Die Leitlinien für Patientinnen und Patienten sollten sich an diesem Bedarf orientieren. Sie sollten überdies parallel zu ärztlichen Leitlinien erstellt und aktualisiert werden. Für medizinische Fachgesellschaften heißt das, es muss künftig selbstverständlich sein, evidenzbasierte Entscheidungshilfen bei der Bearbeitung von medizinischen Leitlinien mit zu entwickeln.

Dr. med. Dagmar Hertle, 1. Vorsitzende des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF), 10713 Berlin

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