

Es wäre wünschenswert, wenn der aktuelle gesellschaftliche Aufschrei über die massiven Übergriffe von Flüchtlingen und Migranten in der Silvesternacht in Köln und anderswo ein Ausdruck dafür wäre, dass sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen grundsätzlich – egal von wem und in welchem Kontext verübt – eindeutig verurteilt wird. Es soll an dieser Stelle nicht der vielfach beschriebene Wendepunkt in der Flüchtlingsfrage diskutiert werden. Es geht um die Frauen, um ihr Befinden und darum, wie sie sich strafrechtlich zur Wehr setzen können oder eben nicht.
Sexuelle Gewalt ist häufig: In einer repräsentativen Untersuchung des Bundesfamilienministeriums gaben 58 Prozent aller befragten Frauen an, Situationen sexueller Belästigung in Kontext von Arbeit, Ausbildung, in der Öffentlichkeit oder im Nahraum erlebt zu haben. Knapp die Hälfte davon berichtete, sich dabei ernsthaft bedroht gefühlt zu haben.
Die Folgen sexueller Gewalt für die Betroffenen sind unterschiedlich, sagen Psychotherapeuten: Ängste, Albträume, Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle, Selbstwertminderung, Scham und Schuldgefühle. Sexuelle Gewalt wird oftmals von Außenstehenden bagatellisiert, vielfach sogar eine Mitschuld nahegelegt oder die Tat verleugnet. Wie der Übergriff von anderen bewertet wird, beeinflusst aber maßgeblich, wie die Verarbeitung gelingt. Und natürlich spielt auch die Schwere des Vergehens eine Rolle.
Der Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (siehe auch Seite 55) weist zu Recht darauf hin, dass die Existenz sexualisierter Gewalt, das erlebte Leid und die Folgen für die Betroffenen endlich gesellschaftlich anerkannt werden müssen und nicht totgeschwiegen werden dürfen. Nur so könne effektive Prävention stattfinden. Genauso richtig wie traurig ist der Hinweis des Gremiums, dass sexuelle Gewalt eines der „sichersten“ Verbrechen ist und „in der Konsequenz als mehr oder weniger straffreies Delikt betrachtet werden kann“. Der Betroffenenrat ist deshalb nicht allein mit der Forderung nach einer grundlegenden Reform des Sexualstrafrechts.
Eine Reform ist im Prinzip auch auf dem Weg. Bundesjustizminister Heiko Maas will das Sexualstrafrecht anpassen, weil es nicht alle „Straftatbestände zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung erfasst“, wie es im Gesetzentwurf selbst heißt. Der Entwurf war schon einige Monate vor den Vorfällen in Köln öffentlich, ist aber dadurch erneut in den Blick gerückt. Einige zusätzliche Tatbestände sollen darin unter Strafe gestellt werden. Viele hegen jedoch Zweifel daran, ob der Entwurf weit genug geht: So dürfe die Strafbarkeit sexueller Grenzüberschreitungen nicht von der Gegenwehr des Opfers abhängig gemacht werden und es müsse zum Ausdruck kommen, dass ein „Nein“ ausreicht, um diese Grenze zu verdeutlichen, heißt es beispielsweise aus der CDU.
Solange die juristischen Hürden für eine Verurteilung so hoch sind, zeigen die wenigsten Frauen die Täter an, sagen Frauenberatungsstellen. Und selbst wenn sie es tun, enden die meisten Anzeigen mit der Einstellung des Verfahrens. Das macht die Debatte darüber, ob man die straffällig gewordenen Flüchtlinge von Köln abschieben kann oder sollte, dann auch wieder scheinheilig.