

Nach langjähriger Vorbereitung wollte die Bundesregierung in diesem Jahr nun endlich die Pflegeausbildung vereinheitlichen. Doch kurz vor der Ziellinie wird der Gegenwind überraschend heftig. Kritik kommt auch von Ärzteverbänden.
Diverse gesundheitspolitische Gesetzesvorhaben hat die schwarz-rote Bundesregierung in dieser Legislaturperiode vergleichsweise geräuschlos durch den Bundestag bekommen. Ausgerechnet beim Pflegeberufsgesetz, das eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon vor Jahren grundsätzlich konsentiert hatte, bläst der Regierung aber kurz vor der geplanten Verabschiedung im Parlament heftiger Gegenwind ins Gesicht. Kritik kommt dabei auch von der Gesundheitsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen), die damit aus dem Länderkonsens ausschert.
Ziel des Gesetzes ist es, aus den drei bisher getrennten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege eine einheitliche zu machen, an deren Ende sich die Auszubildenden spezialisieren können. Die Inhalte der Ausbildung stehen bislang aber noch nicht fest. Sie sollen erst in einer gesonderten Verordnung bestimmt werden.
Mit dem Pflegeberufsgesetz soll darüber hinaus nicht nur das Pflegeschulgeld abgeschafft, sondern eine Vergütung für die Auszubildenden eingeführt werden. Zudem ist geplant, die Ausbildung auch an einer Hochschule absolvieren zu können. Finanziert werden soll die Pflegeausbildung über einen Fonds auf Landesebene, in den die Arbeitgeber, das Bundesland und die gesetzliche und private Krankenversicherung im Rahmen eines Umlageverfahrens einzahlen.
Lob vom Pflegerat
Der Deutsche Pflegerat (DPR) hat die Pläne der Regierung frühzeitig begrüßt. „Die generalistische Pflegeausbildung mit Schwerpunktbildung ist ein Meilenstein für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe in Deutschland“, jubelte DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus, nachdem das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf Mitte Januar zugestimmt hatte. „Das Kabinett hat damit die richtigen Weichen für die Zukunft der so wichtigen Pflegeberufe gestellt.“
Sowohl die Arbeitgeberverbände als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisieren das Gesetz hingegen. Sie befürchteten einen Aderlass in den jeweiligen Berufsgruppen. Die Pflegenden selbst stehen ebenfalls nicht geschlossen hinter den Plänen. So hat die Kinderkrankenschwester Monika Otte vom Universitätsklinikum Gießen im Dezember eine Online-Petition gestartet, mit der sie die Kinderkrankenpflege als eigenständiges Berufsbild erhalten will. Da bis Ende Januar mehr als 50 000 Menschen diese Petition unterstützt haben, wird sich der Petitionsausschuss des Bundestages im April damit befassen. Auch zahlreiche Ärzteverbände sprechen sich gegen das Gesetz aus. Sie befürchten, dass ein Teil des heute vermittelten Spezialwissens in einer standardisierten Ausbildung verloren geht.
Kritik von Kinderärzten
„Kinderkrankenschwestern sind spezialisiert auf die Betreuung von Menschen, die weniger als 500 Gramm wiegen können, bis hin zu Jugendlichen an der Grenze zum Erwachsensein mit einem Körpergewicht von mehr als 100 Kilogramm“, sagte zum Beispiel Dr. med. Frank Jochum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Kind und Krankenhaus (BaKuK), dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). „Und Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben altersbezogen viele Besonderheiten wie zum Beispiel altersabhängige Normalwerte für Blutdruck, Herzfrequenz oder die Atmung.“
Die Kinder- und Jugendmedizin habe sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv weiterentwickelt und spezialisiert. Dadurch habe sich die Behandlungsqualität in verschiedenen Bereichen stark verbessert. „Während ihrer dreijährigen Ausbildung lernen Kinderkrankenschwestern in Theorie und Praxis, wie sie mit Säuglingen, Kleinkindern und Jugendlichen umgehen müssen. Jeder Tag, um den diese Ausbildung verkürzt wird, führt zu einer Verschlechterung der Ausbildungsqualität und damit zu einer möglichen Verschlechterung der Behandlungsqualität“, betonte Jochum. „Diese komplexe Ausbildung kann nicht mal eben durch eine Praktikumsphase in ein oder zwei Bereichen einer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin oder Kinderchirurgie ersetzt werden.“
Jochums Befürchtung: „Generalistisch ausgebildete Pflegekräfte wären künftig nach ihrer Ausbildung nicht mehr sofort eigenständig in der Kinderklinik einsetzbar. Es wäre für die Kinder- und Jugendmedizin zum Beispiel eine zweijährige Schwerpunktausbildung im Nachgang zur generalisierten Pflegeausbildung notwendig, um einen sachgerechten Erfahrungserwerb für die Arbeit in der Kinder- und Jugendmedizin zu realisieren.“
Gemeinsam mit 13 anderen Verbänden fordert die BaKuK daher den Erhalt einer speziellen theoretischen und praktischen Ausbildung, „die darauf vorbereitet, Säuglinge, Kinder und Jugendliche bei jeder Erkrankung zu pflegen und die auch weiterhin mit der Berufsbezeichnung Kinderkrankenpflege abschließt.“
Ganz ähnliche Sorgen wie Jochum hat Prof. Dr. med. Hans Gutzmann, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) und bis vor kurzem Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an den Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin. „Sollte die generalistische Pflegeausbildung wie geplant kommen, werden wir die neuen Generalisten in der Klinik mindestens ein weiteres Jahr nachschulen müssen, um den heutigen Qualitätsstandard zu erreichen“, sagte er dem DÄ. „Das wird viel Zeit und Geld verschlingen und Ressourcen binden, von denen wir schon heute zu wenige haben.“
In seiner früheren Klinik sind heute zusätzlich zu den Krankenpflegern drei Altenpfleger angestellt, „natürlich zu denselben Konditionen“, wie Gutzmann betonte. „Altenpfleger können ganz anders auf die Patienten in einer gerontopsychiatrischen Station eingehen, weil sie einen grundsätzlich anderen Blick auf ihre Versorgung haben.“ Allgemein könne man sagen: „Krankenpflegern geht es insbesondere um die Heilung, bei den Altenpflegern liegt der Fokus im Hinblick auf den folgenden letzten Lebensabschnitt der Patienten eher auf deren Lebensqualität“, so Gutzmann. Altenpfleger hätten einen längerfristigen Blick und sie schlügen auch leichter die Brücke zur nachstationären Versorgung, zu den pflegenden Angehörigen oder zu den Pflegeeinrichtungen.
„Die Vorstellung, in einer generalistischen Ausbildung das Fachwissen vermitteln zu können, das heute in drei gesonderten Ausbildungsgängen vermittelt wird, ist doch absurd“, meinte Gutzmann. Die Grundbehauptung, in der Pflege spiele das Alter der zu pflegenden Personen keine Rolle, sei zudem einfach falsch. „Die notwendige Spezialisierung in der Medizin hat die Patientenversorgung stark verbessert“, betonte er. „Warum sollte eine Spezialisierung in der Pflege etwas Schlechtes sein?“
Eine andere Meinung hat der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). „Nur eine breit ausgerichtete Ausbildung qualifiziert zur Pflege von Menschen aller Altersphasen und Lebenssituationen – egal in welchen Versorgungsbereichen“, heißt es in einem Positionspapier, das Laumann am 25. Februar (nach Redaktionsschluss) der Öffentlichkeit vorstellen will und das dem DÄ vorliegt. Dieses Papier hat Laumann an die Verbände und Institutionen der Pflegebranche verschickt, um sie von den Vorzügen des Gesetzes zu überzeugen. „Die Pflegeberufereform ist eine einmalige Chance, die nicht vertan werden darf, denn ansonsten wird die Pflege im Wettbewerb um Fachkräfte abgehängt“, heißt es darin.
„Die Reform ist notwendig“
Kritiker des Gesetzes befürchten hingegen, dass es die Attraktivität der Pflegeausbildung eher beeinträchtigen wird. Die pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Elisabeth Scharfenberg, hat angesichts der anhaltenden Kritik vor kurzem zusammen mit ihrer Kollegin Barbara Steffens eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens gefordert. „Das Gesetz wird im Schweinsgalopp durch den Bundestag getrieben, obwohl einem der gesunde Menschenverstand hier Einhalt gebieten müsste“, betonte sie. Als problematisch empfindet sie vor allem, dass die Inhalte der Ausbildung noch nicht vorliegen.
Die Regierung will sich trotz allem nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. „Die Reform ist notwendig und sie muss zeitnah umgesetzt werden“, erklärte die SPD-Fraktion. Die Reform der Pflegeberufe werde seit vielen Jahren diskutiert, seit 2012 sei sie zwischen Bund und Ländern Konsens.
Falk Osterloh
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Mittwoch, 2. März 2016, 17:36
geplantes Pflegeberufsgesetz ohne konkrete Ausbildungsinhalte absurd !!!
geplanten generalisierten Ausbildung einfach wegzulassen ? Hier geht es offensichtlich, wie bei einigen anderen Gesetzen im Gesundheitsbereich, seitens der Koalitionspolitiker, ausschließlich darum Koalitionsvereinbarungen um jeden Preis durchzupeitschen. Die in der Praxis bewährten Ausbildungsgänge zu " generalisieren" und gar ein Hochschulstudium als notwendig zu erachten zeigt die " Praxisferne " der sogenannten " Gesundheitspolitiker" .
Die in der Pflege notwendige " Menschlichkeit " kann nicht durch Generalisierung und Hochschulstudium erworben werden !
Der Vorsitzende des DPR sollte seine total unverständliche Position unbedingt
höchst intensiv hinterfragen.