ArchivDeutsches Ärzteblatt9/2016Zwei sehr verschiedene Kollektive
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Begrüßenswert ist jede Studie zu diesem Thema, da valide Studien trotz jahrzehntelanger Durchführung von Anschlussheilbehandlung-(AHB-)Maßnahme bislang fehlen (1). Die vorliegende Untersuchung hätte, was Probandenzahl und Beobachtungsdauer betrifft, belastbare Daten zur Sterblichkeit liefern können. Die beiden Kollektive, Rehabilitanden und Nicht-Rehabilitanden, differierten jedoch bezüglich bekannter Variablen zur Prognose der koronaren Herzkrankheit so erheblich, dass kein glaubhaftes Ergebnis hinsichtlich der Sterblichkeit zu erwarten war. Die erhebliche ungleiche Verteilung von Risikofaktoren und die deutlich differierenden Interventionen aortokoronarer Bypassoperation (ACVB-OP) und perkutane Koronarintervention (PCI) in beiden Gruppen weisen darauf hin, dass zwei sehr verschiedene Kollektive untersucht wurden. Das Problem kann auch nicht durch eine multivariable Analyse beseitigt werden.

In der „Diskussion“ wird der Eindruck vermittelt, als sei die vorliegende Studie eine weitere in einer Reihe von kontrollierten Untersuchungen, die alle konstatieren, dass Patienten mit einer AHB-Maßnahme einen Überlebensvorteil haben. Die drei erwähnten Studien aus Deutschland sind zwar kontrollierte Studien, sie wurden jedoch hinsichtlich der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren (OMEGA-Studie) und des Einsatzes von Trans-Telefon-EKGs (Register-Studie) randomisiert beziehungsweise von einem Register (ACOS-Register) rekrutiert, nicht jedoch aufgrund der Teilnahme an einer AHB-Maßnahme randomisiert. Die Reha-Maßnahmen wurden daher nicht kontrolliert untersucht.

Eine Randomisierung ist in Deutschland aufgrund des gesetzlichen Anspruchs der Versicherten auf eine Rehabilitation nicht durchführbar. Wissenschaftlich möglich sind jedoch umfassende Fall-Kontroll-Studien. Die Deutsche Rentenversicherung beziehungsweise die mit ihr vernetzte Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften sind im Zeitalter evidenzbasierter Medizin daher aufgefordert, valide Studien zur Wirksamkeit der Rehabilitation vorzulegen. Bisher muss man leider feststellen: „Wissenschaftlich ist es nicht gelungen darzustellen, dass Rehabilitation das Renteneintrittsalter erhöht, Pflegebedürftigkeit mindert und Morbidität und Mortalität senkt“ (2).

DOI: 10.3238/arztebl.2016.0147a

Prof. Dr. med. Alfred Wirth

wirthbr@t-online.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1.
Schlitt A, Wischmann P, Wienke A, Hoepfner F, Noack F, Silber RE, Werdan K: Rehabilitation in patients with coronary heart disease—participation and its effect on prognosis. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 527–34 VOLLTEXT
2.
Wirth A, Klein G, Leptin H-J: Bessere Vernetzung notwendig. Dtsch Arztebl 2010; 25: A1253–6 VOLLTEXT
1.Schlitt A, Wischmann P, Wienke A, Hoepfner F, Noack F, Silber RE, Werdan K: Rehabilitation in patients with coronary heart disease—participation and its effect on prognosis. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 527–34 VOLLTEXT
2.Wirth A, Klein G, Leptin H-J: Bessere Vernetzung notwendig. Dtsch Arztebl 2010; 25: A1253–6 VOLLTEXT

Fachgebiet

Der klinische Schnappschuss

Stellenangebote