ArchivDeutsches Ärzteblatt9/2016Ärzterechte: Gefühlt überwiegen die Pflichten

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Ärzterechte: Gefühlt überwiegen die Pflichten

Richter-Kuhlmann, Eva

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Foto: Fotolia/helmutvogler
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Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arzt- und Patientenrechten bescheinigte das Symposion für Juristen und Ärzte.

Gibt man bei Google die Begriffe ‚Arzt‘ und ‚Rechte‘ ein, trifft man nur auf Ergebnisse über die Pflichten des Arztes“, sagte Dr. med. Theodor Windhorst. Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe sprach damit vielen Ärztinnen und Ärzten aus dem Herzen, die zum 45. Symposion für Juristen und Ärzte der Kaiserin Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen am 19. und 20. Februar nach Berlin gekommen waren. Ihrer Wahrnehmung zufolge überwiegen die Pflichten eines Arztes meist bei Weitem seine Rechte.

Gefahr der Verrechtlichung

Der von seiner Natur aus „freie Beruf“ des Arztes werde durch von Behörden und Gesetzen vorgegebene Rahmenbedingungen immer weiter eingegrenzt und verliere dabei an Attraktivität, warnte Windhorst. Es dürfe nicht zu einer weiteren „Kontrollitis“ kommen, die die Arzt-Patienten-Beziehung verrechtliche und das Vertrauen untergrabe. „Wenn der Arzt als Advokat des Patienten in seinen Rechten eingeschränkt ist, wird letztlich auch die Stellung der Patienten geschwächt“, betonte er. Gleichzeitig verwies er auf das Recht der Ärzte, die Belange ihres Berufes über die Kammern selbst zu regeln. Dies gelte es zu nutzen.

Doch werden die Ärzterechte tatsächlich vernachlässigt?, fragten die Teilnehmer des Symposions. Meist sei zwar in der Tat die Rede von „Patientenrechten und Arztpflichten“, sagte Prof. Dr. med. Hans-Friedrich Kienzle, Mitglied des Kuratotiums des Instituts für Medizinrecht der Universität Köln. „Doch die meisten von uns haben ihren Beruf nicht gewählt, um mehr Rechte zu haben.“ Zudem gebe es eine Reihe von Ärzterechten, wie beispielsweise das Recht auf Therapiefreiheit, Schweige- und Offenbarungsrechte sowie das Recht auf Vergütung und auf Fort- und Weiterbildung. Und die meisten kämen letztlich auch den Patienten zugute, betonte der Chirurg.

„Ärzte sind durch rechtliche Vorgaben oft überlastet“, meinte Prof. Dr. med. Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin. Dieses Problem trüge zu der Wahrnehmung einer ungleichen Verteilung der Rechte und Pflichten bei und sei nur durch eine ausreichende Finanzierung zu lösen. „Mittlerweile haben wir ein ausgewogenes Gleichgewicht von Ärzte- und Patientenrechten“, meinte er.

Dieser Ansicht waren auch die am Symposion teilnehmenden Juristen: „Ärzterechte werden keineswegs vernachlässigt“, betonte der Medizinrechtler und Bioethiker Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Strafgerichtlich würden ärztliche Behandlungsfehler nur selten geahndet und zivilgerichtliche Urteile würden häufig einseitig wahrgenommen. Zudem seien die Gerichte bestrebt, in Arzthaftungsprozessen „Waffengleichheit“ zwischen Arzt und Patient herzustellen: „Es gibt sicherlich mehr Fachanwälte für Medizinrecht, die vornehmlich Ärzte vertreten als Patientenanwälte.“

Gleichgewicht hergestellt

Allerdings räumte der Jurist ein, dass in der öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich die Patientenrechte die prominenteste Rolle spielen. Ihre ausführliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch sei aber nicht erstaunlich: „Sie ist Kennzeichen der besonderen Schutzbedürftigkeit der als unterlegen eingeschätzten Vertragspartei“, erläuterte Taupitz. Der Gesetzgeber habe sich bemüht, die bisherige Vernachlässigung zu kompensieren.

Dies sei auch für die Ärzte vorteilhaft, betonte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein und Erste Vorsitzender des Marburger Bundes. „Die Patientenrechte bieten den Ärzten die Chance, ihre Rechte gegenüber den Direktionsrechten der Arbeitgeber geltend zu machen“, sagte er. Und diese gehörten gemeinsam mit rechtlichen Fragen zu Arbeitsvertrag und Arbeitszeit zu den häufigsten Beratungsanlässen bei den Ärztekammern.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

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