ArchivDeutsches Ärzteblatt9/2016Entlassmanagement: Kliniken fürchten mehr Bürokratie

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Entlassmanagement: Kliniken fürchten mehr Bürokratie

Osterloh, Falk

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Krankenhausärzte können Arznei- oder Hilfsmittel bei der Entlassung eines Patienten nun selbst verordnen. Die Leistungen sollen jedoch nach den Regeln des vertragsärztlichen Systems abgerechnet werden.

Patienten können Arzneimittel, die ihnen im Krankenhaus verordnet wurden, innerhalb von drei Tagen nach der Entlassung einlösen. Foto: iStockphoto
Patienten können Arzneimittel, die ihnen im Krankenhaus verordnet wurden, innerhalb von drei Tagen nach der Entlassung einlösen. Foto: iStockphoto

Das Entlassmanagement soll die Probleme beim Übergang vom stationären in den ambulanten Sektor reduzieren. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat die schwarz-rote Koalition im vergangenen Jahr versucht, die Durchlässigkeit an dieser Stelle zu erhöhen. Die entsprechenden Regelungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Dezember festgelegt. So können Krankenhausärzte nun Rezepte für Arzneimittel, häusliche Krankenpflege, Heil- und Hilfsmittel sowie Soziotherapie selbst verschreiben, allerdings nur für einen Zeitraum von sieben Tagen nach der Entlassung. Patienten müssen die Verordnungen für Arzneimittel binnen drei Tagen einlösen, für Hilfsmittel und Soziotherapie binnen sieben Tagen.

„Als wir die Pläne im Gesetzentwurf gelesen haben, dachten wir, dadurch könnten wirklich viele Probleme gelöst werden“, sagte die Leiterin Sozialdienst & Case Management der Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin, Sibylle Kraus, Ende Februar auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes Medizintechnologie in Berlin.

Neues Abrechnungssystem

Schon im nächsten Satz wurde Kraus´ Euphorie jedoch gedämpft. Denn dort heißt es: „Hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung.“ Ihre Sorge ist, dass Klinikärzte künftig noch mehr bürokratische Aufgaben erledigen müssen. „Die Krankenhausärzte haben noch andere Aufgaben zu erfüllen, als sich darum zu kümmern, Formulare für das Entlassmanagement korrekt auszufüllen“, betonte Kraus. Krankenhäuser hätten ihr eigenes Abrechnungssystem. Wenn jetzt noch ein weiteres dazu komme, „wissen wir noch nicht, wie wir beides zusammenbringen sollen oder ob es künftig nicht doch schlauer ist, das zu delegieren“, sagte Kraus. Diese Möglichkeit ist den Krankenhäusern mit dem Gesetz auch gegeben worden.

Wie genau die Abrechnung der im Krankenhaus verordneten Leistungen vonstatten gehen soll, versuchen derzeit die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Auftrag des Gesetzgebers festzulegen. „Wir sind uns in vielen Punkten einig“, sagte Jürgen Malzahn vom AOK-Bundesverband, der für die Kassen an den Verhandlungen teilnimmt. Strittig sei aber noch die Frage der Abrechnung. „Klar ist, dass ‚die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung‘ künftig Grundlage für die Vergütung der verordneten Leistungen sind“, so Malzahn. „Da wird es bei manchen Klinikärzten zu einer Lernkurve kommen müssen, denn sie wurden damit ja bislang nicht konfrontiert.“

Malzahn betonte, dass „wir keine Detailvorgaben machen werden“. Wichtig sei, dass die Informationsweitergabe so schnell wie möglich erfolge. Neben den Ärzten müsse dabei auch der Sozialdienst eingebunden werden. Der Entlassbrief sei zudem ein elementarer Bestandteil, auf dessen Basis die Weiterbehandlung aufsetze.

Direkter Ansprechpartner

Die Vorsitzende des Sächsischen Hausärzteverbandes, Dipl.-Med. Ingrid Dänschel, betonte, worauf es den niedergelassenen Ärzten ankommt: „Das Entlassmanagement beginnt mit der Einweisung. Deshalb wäre es wichtig, im Krankenhaus einen direkten Ansprechpartner über eine direkte Rufnummer zu haben.“ In jedem Fall müsse das Wissen, das nur die Hausärzte über die Patienten hätten, beim Entlassmanagement berücksichtigt werden. Viele der multimorbiden Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden, hätten zum Beispiel bereits eine Hauskrankenpflege oder Hilfsmittel. „Erfahren Sie das im Krankenhaus?“, fragte Dänschel. „Das Krankenhaus kann die nachstationäre Versorgung aber nicht organisieren, wenn es diese Informationen nicht bekommt.“

Falk Osterloh

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