

Dr. Jongen und Kollegen weisen mit Recht darauf hin, dass die koloproktologischen Aspekte in dem Artikel (1) zu wenig gewürdigt werden. Leider hätte eine umfassende Darstellung der analen Inkontinenz und der analen Entleerungstörungen den Umfang des Artikels gesprengt. Aber es ist richtig, dass zu einer kompletten Beckenbodendiagnostik die Abklärung der kolorektalen Funktion gehört und dass bei der Therapieplanung alle Aspekte der Beckenbodenfunktion berücksichtigt werden müssen. Sowohl nach den Kriterien der Deutschen Kontinenzgesellschaft als auch nach den Zertifizierungskriterien von Clarzert müssen in jedem zertifizierten Beckenbodenzentrum die Gynäkologie, die Urologie und die Koloproktologie vorhanden sein. Diese Zusammenarbeit wird, wie von den Kollegen dargestellt, erfreulicherweise tagtäglich in vielen Praxen und Kliniken auch außerhalb zertifizierter Zentren gelebt.
Prof. Jäger führt zwei Studien, die für die Sakrokolpopexie, die sacrospinale Fixation und die vaginale Netzimplantation zu enttäuschenden Ergebnissen im Hinblick auf die anatomische Rekonstruktion und die Entwicklung einer de-novo-Inkontinenz kommen. Nygaard et al. berichten über die Langzeitergebnisse 7 Jahre nach abdominaler Sakrokolpopexie. Allerdings konnten nur 126 der ursprünglich 233 Studienteilnehmerinnen (59 %) nach sieben Jahren untersucht werden. 31/126 (24 %) Patientinnen hatten anatomisch ein Rezidiv des Deszensus nach den Studienkriterien, aber die Hälfte davon hatte Beschwerden. 49/126 Patientinnen (39 %) hatten Senkungsbeschwerden, von diesen hatten aber 27 Patientinnen anatomisch kein Rezidiv. Bei der Wertung dieser Ergebnisse darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es im Laufe der Jahre zu erneuten Senkungen in anderen Kompartimenten der Scheide kommen kann. Die abdominale Sakrokolpopexie behandelt hauptsächlich den Prolaps des Scheidenendes und nur 11/126 Patientinnen (9 %) hatten hier ein Rezidiv. Es kommt nach abdominaler Sakrokolpopexie relativ häufig zu einem neuen Prolaps im hinteren Kompartiment, weil dieses Kompartiment mit der abdominalen Operation nur unzureichend erfasst wird.
Für die vaginale sakrospinale Fixation gilt, dass durch den relativ starken Zug der Scheide nach hinten/unten häufiger ein Rezidiv an der vorderen Scheidenwand auftritt. Dies ist oft asymptomatisch.
Dass die suboptimalen Ergebnisse zu intensivem Nachdenken anregen sollten, ist nicht ausreichend. Gefordert sind gute randomisierte nicht-Industrie gesponserte Langzeitstudien.
Die Hinweise von Prof. Wenderlein beziehen sich auf die Anamnese (Geburtsmodus) und die begrenzten Erfolge einer operativen Therapie. Insofern bedarf es einer psychosomatischen Sichtweise. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen.
Dr. Materna führt an, dass ein Normaldruckhydrozephalus als Leitsymptom eine Gangstörung und eine Inkontinenz hat. Grundsätzlich sollte bei der Anamneseerhebung immer auch orientierend nach neurologischen Symptomen gefragt werden. Eine Gangstörung in Verbindung mit einer Inkontinenz sollte immer eine weiterführende neurologische Abklärung zur Folge haben, um eine neurourologische Ursache der Inkontinenz auszuschließen.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0012b
Für die Autoren
Prof. Dr. med. Ursula Peschers
Beckenboden Zentrum München
peschers@bbzmuenchen.de
Interessenkonflikt
Prof. Peschers erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit von Astellas und Allergan. Erstattung von Teilnahmegebühren für Kongresse erhielt sie von Pfizer. Reise- und Übernachtungskosten sowie Honorare für Vorträge wurden ihr von den Firmen Coloplast, Allergan, AMS und Astellas zuteil. Für Coloplast und Allergan hat sie Honorare für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien erhalten.
1. | Jundt K, Peschers U, Kentenich H: The investigation and treatment of female pelvic floor dysfunction. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 564–74 VOLLTEXT |