WIRTSCHAFT
Arztbewertungen: Behandlungskontakt ist zu belegen


Ein Urteil des Bundesgerichtshofes bringt für Ärzte Erleichterungen in der Rechtsdurchsetzung gegen anonyme Bewertungen im Internet.
Ärztebewertungsportale im Internet sind Fluch und Segen zugleich. Segen, weil sich Patienten vorab ein Bild vom Arzt und dessen Behandlung machen können. Fluch, weil erstens Bewertungen und Kommentare über einen Arzt von Patienten zwangsläufig nicht immer objektiv und darüber hinaus auch nicht immer zutreffend abgegeben werden. Und zweitens bieten viele Portale die Möglichkeit der anonymen Bewertung. Ärger in der Ärzteschaft ist programmiert.
Was tun bei falschen Bewertungen?
Fällt eine anonyme Bewertung aus dem Rahmen des rechtlich Zulässigen, ist die Durchsetzung von bestehenden Löschungs- oder Berichtigungsansprüchen für den Arzt in der Regel mit hohen Hürden versehen. Denn der Portalbetreiber muss für die Inhalte, die seine Nutzer einstellen, nicht sofort auf Zuruf löschen. Er muss auch nicht die Inhalte auf seinem Portal präventiv auf eventuelle Rechtsverletzungen prüfen. Er genießt also ein Haftungsprivileg. Stattdessen existiert ein gesetzliches Haftungssystem des „Notice and Take Down“.
Danach muss der Portalbetreiber die Beanstandung einer konkreten Bewertung an den bewertenden Nutzer weiterleiten und ihn zur Stellungnahme auffordern. Bleibt die Stellungnahme aus oder ist die Rechtsverletzung offenkundig, muss die Bewertung gelöscht oder korrigiert werden. Wird Stellung genommen, muss die Stellungnahme an den Arzt weitergeleitet werden, so dass dieser Gelegenheit hat, sich darauf einzulassen. Überzeugt die Stellungnahme des Nutzers den Portalbetreiber, kann er außerdem die Bewertung belassen, haftet dann aber selbst gegenüber dem Arzt auf Löschung und Berichtigung, wenn der Arzt gerichtlich weiter vorgehen will. Der bewertende Nutzer bleibt im gesamten Verfahren in der Regel anonym.
Sonderproblem: Erfundene Bewertung
Ein ganz massives praktisches Problem stellen erfundene Bewertungen von angeblichen Patienten dar, die tatsächlich nie bei dem bewerteten Arzt in Behandlung waren. Die Gründe für solche Bewertungen sind vielfältig: Mal bewertet ein vom Behandlungserfolg enttäuschter Angehöriger, mal stehen psychische Probleme eines Bewerters dahinter, mal will jemand unliebsamen Wettbewerb „aus dem Weg räumen“.
Zum Problem der erfundenen Bewertung allgemein hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) am 1. März 2016 ein für Ärzte erfreuliches Urteil (Az.: VI ZR 34/15) gesprochen und die Hürden für die Rechtsdurchsetzung in solchen Fällen deutlich abgesenkt.
Der BGH hatte in dem zugrunde liegenden Verfahren einen Fall zu verhandeln, in dem bei der Beanstandung einer anonymen Bewertung durch einen Zahnarzt zwar das Verfahren nach dem „Notice and Take Down“ eingehalten wurde. Nachdem die Bewertung erst einmal gelöscht wurde, erschien sie kurze Zeit später aber wieder mit demselben Inhalt.
Der Arzt wurde darin von einem (angeblichen) Patienten auf „jameda.de“ mit vernichtenden Einzelnoten und der Gesamtnote 4,8 bewertet, was er als Schmähung empfand. Die Beanstandung wurde an den Bewerter weitergeleitet. Die Korrespondenz zwischen jameda.de und dem bewertenden (angeblichen) Patienten wurde an den Arzt aber nur anonymisiert zurückgeleitet. Der Arzt konnte mit den Unterlagen nichts anfangen und verlangte nun von jameda.de einen Nachweis dafür, dass er den Bewerter überhaupt behandelt hat. Diesen Nachweis blieb jameda.de aber schuldig und bemühte sich beim Bewerter auch nicht um entsprechende Nachweise.
Für diesen Fall hat der BGH in seinem aktuellen Urteil nun entschieden, dass der Portalbetreiber auf Verlangen des Arztes konkrete Nachweise über eine Behandlung beim Bewerter einholen und diese dem Arzt weiterleiten muss. Unterlässt der Portalbetreiber dies, verletzt er seine Prüfpflicht und haftet gegenüber dem Arzt dann auf Löschung oder Berichtigung.
Der BGH hat in seinem Urteil zwar festgestellt, dass Bewertungsportalen nach wie vor grundsätzlich keine Prüfungspflicht auferlegt werden kann, die das Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert. Die Richter verkennen aber auch nicht, dass ein Ärztebewertungsportal durch anonyme Bewertungen „ein gesteigertes Risiko an Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ in sich trägt und dem Arzt durch die Anonymität auch noch seine Rechtsdurchsetzung im Falle von Beanstandungen erschwert wird.
Angeblicher Patient muss etwa Rezepte vorlegen
Jameda.de hätte deshalb die Beanstandung des Arztes dem Nutzer nicht nur weiterleiten, sondern ihn auch auffordern müssen, den „Behandlungskontakt belegende Unterlagen“ vorzulegen. Dazu würden zum Beispiel Bonushefte oder „sonstige Indizien“ und sogar Rezepte des Arztes zählen.
Das Urteil hat zunächst weitreichende Folgen für Betreiber von Bewertungsportalen. Diese müssen ihre Prüfprozesse künftig anpassen.
Für Ärzte ist das Urteil aber eine erfreuliche Erleichterung bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegen ungerechtfertigte und anonyme Bewertungen. Denn der praktisch nicht ganz seltene Fall der erfundenen Bewertung von angeblichen Patienten verletzt Ärzte bundesweit massiv sowohl in ihrem Persönlichkeitsrecht als auch in ihrer Berufsausübung. Insoweit ist die Entscheidung des BGH nur zu begrüßen.
Jameda.de hat übrigens schon klargemacht, dass an der anonymen Bewertungsmöglichkeit nicht gerüttelt wird. Trotzdem will man die internen Prüfprozesse an die neue Rechtslage anpassen.
Dr. jur. Philip Lüghausen
Rechtsanwaltskanzlei Kindermann Lüghausen Rechtsanwälte, Düsseldorf