ArchivDeutsches Ärzteblatt12/2016Sozialrecht: Aktuelle Urteile

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Sozialrecht: Aktuelle Urteile

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Unfallversicherung: Üblicher Großraumbüro-Lärm macht nicht schwerhörig

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Ingenieur, der rund 15 Jahre in einem Großraumbüro arbeitete und an Tinnitus und einer leichten Hörminderung im Hochtonbereich an beiden Ohren erkrankt, diese Schäden nicht als Berufskrankheit anerkannt bekommen kann. Werden bei Messungen in dem Büro lediglich Lärmbelastungen zwischen 50 und 65 Dezibel gemessen, so reicht es dafür nicht aus. Der Lärm sei einfach zu gering (erst ab 85 dB als Dauerschallpegel an einem Acht-Stunden-Tag über Jahre hinweg gelte als gehörschädigend) und er gehöre zu den „3 bis 4 Millionen Menschen in Deutschland“, die unter Ohrgeräuschen leiden – aus unterschiedlichsten Ursachen. (LSG Baden-Württemberg, L 6 U 4089/15)

Hartz IV: Wenn 30 bis 60 Bewerbungen im Halbjahr als unzumutbar erscheinen, geht’s ums Prinzip

Wird ein seit sieben Jahren Arbeitslosengeld II beziehender Mann aufgefordert, mit dem Jobcenter eine „Eingliederungsvereinbarung“ zu treffen, so darf das Center einen „Eingliederungsverwaltungsakt“ ohne seine unmittelbare Beteiligung erlassen. Darin war im zu entscheidenden Fall vorgegeben worden, dass der Arbeitslose innerhalb eines halben Jahres 30 Bewerbungen per Brief beziehungsweise 60 Bewerbungen per E-Mail nachzuweisen habe, andernfalls müsse er mit einer Kürzung seiner Bezüge um 30 Prozent rechnen. Der Arbeitslose klagte dagegen – aber auch mit der Begründung, dass die ihm vorgegebene „Vereinbarung“ etwas länger als sechs Monate gelten sollte. Vor Gericht kam er mit beiden Argumenten nicht durch: Die angedrohte Kürzung sei rechtens, weil sonst kaum sichergestellt werden könne, dass Bewerbungsanstrengungen unternommen werden. Und die Überschreitung der Sechs-Monats-Geltung der Regelung sei hinnehmbar, weil es für beide Seiten verwaltungstechnisch nur schwer möglich sei, kalendermonatsübergreifend „sechs Monate“ zu benennen. (LSG Nordrhein-Westfalen, L 7 AS 1305/14)

Hartz IV: Wer das Jobcenter um 8 350 Euro beschummelt, muss den Gürtel arg enger schnallen

Das Bundessozialgericht hat einen Bezieher von Arbeitslosengeld II, der das Jobcenter über einen längeren Zeitraum nicht darüber informiert hatte, dass er anrechenbare Einkünfte bezogen hat, mit seiner Klage abgewiesen, dass ihm nach Aufdeckung der Tat die Bezüge für bis zu drei Jahre (sollte er so lange arbeitslos bleiben) um 30 Prozent gekürzt wurden. Der Mann wehrte sich gegen die Kürzung mit dem Argument, dann unter dem gesetzlich vorgesehenen „menschenwürdigen Existenzminimum“ leben zu müssen. Das Grundgesetz gehe beim Existenzminimum nicht von einem Arbeitslosen aus, der den Steuerzahler betrüge. Mögliche Ergänzungen der Leistungen während des langen Zeitraums seien durchaus möglich, „um verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Härten im Einzelfall zu begegnen“. (BSG, B 14 AS 20/15 R)

Rentenversicherung: Wirbelsäulenschäden rechtfertigen Anspruch auf höhenverstellbaren Tisch

Plagen einen gesetzlich Rentenversicherten „degenerative Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte“, so kann er verlangen, dass er von der gesetzlichen Rentenversicherung einen „täglich mehrfach höhenverstellbaren Tisch“ finanziert bekommt, der ein wechselndes Arbeiten im Sitzen und Stehen ermöglicht. Damit kann seine Erwerbsfähigkeit weitgehend erhalten werden. (LSG Rheinland-Pfalz, L 6 R 504/14)

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