VARIA: Wirtschaft - Versicherungen
Kapital-Lebensversicherungen: Kontrollen schützen vor Überraschung


Versicherungsgesellschaften nutzen zunehmend mathematische Zahlenspielereien, um im harten Kampf des
Wettbewerbs bestehen zu können. So werden für die heute abgeschlossenen Verträge oftmals Ablaufleistungen
prognostiziert, die einer Rendite zwischen sechs und acht Prozent der eingezahlten Gesamtprämie entsprechen.
Teilweise große Unterschiede in der Ablaufleistung
Wirft man jedoch einen Blick auf die Leistungen in der Vergangenheit, sieht das Bild wesentlich trüber aus: Je
nach Eintrittsalter und Laufzeit des Vertrages wurden oftmals nur 2,5 bis 4,5 Prozent erzielt. Bei manchen
Verträgen wird sogar weniger ausgezahlt, als ursprünglich an Prämien aufgewandt wurde. Die Unterschiede sind
beträchtlich: Ein 30jähriger Vertrag über monatlich 100 DM Versicherungsprämie sichert bei Fälligkeit im Fall
einer Rendite von 2,5 Prozent eine Ablaufleistung von 53 396 DM. Hingegen bringt es eine Police mit acht
Prozent auf immerhin 141 831 DM - mithin fast den dreifachen Wert.
Die Gesellschaften sind keineswegs verlegen, wenn man sie nach den Gründen für diese Diskrepanz fragt: ein
verändertes Anlageverhalten, neue Berechnungen der Sterbetafeln, neue Provisionsregelungen für die Vermittler
und zahlreiche andere Argumente werden genannt, warum die Leistungen in Zukunft wesentlich höher ausfallen
sollen als in der Vergangenheit. Wenn jedoch die heute abgeschlossenen Verträge fällig werden, dürften die
Gesellschaften wiederum keine Probleme damit haben, Gründe für die niedrigeren Leistungen zu finden.
Selbst wenn nur die Zukunft zeigen kann, ob die Versprechungen tatsächlich einzuhalten sind, gibt es dennoch Kontrollmöglichkeiten, auf die die Gesellschaften allerdings nicht automatisch hinweisen. So händigen die
Vermittler auf Wunsch schon bei der Beratung eine Musterrechnung aus, in der die Rückkaufswerte und
beitragsfreien Versicherungssummen für die einzelnen Jahre der Vertragslaufzeit gelistet sind. Dabei handelt es
sich zwar lediglich um Prognosen, da es das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen verbietet,
längerfristig verbindlich Musterrechnungen zu erstellen. Dennoch erlaubt diese Zusammenstellung gute
Vergleiche: Wenn Kunden einmal jährlich bei ihrer Gesellschaft Informationen über den aktuellen
Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme anfordern, sehen sie schnell, ob die Versicherung die
prognostizierten Werte zumindest annähernd erfüllt.
Im Zweifel beitragsfrei
Ist dies der Fall, dann besteht zumindest grundsätzlich kein Grund zur Besorgnis. Werden die Werte jedoch
unterschritten, dann sollte der Vermittler nach den Gründen für das schlechtere Abschneiden befragt werden.
Versicherte sollten im Zweifelsfall auch nicht davor zurückschrecken, die Versicherung beitragsfrei stellen zu
lassen, oder - wenn die Gesellschaft extrem schlechte Werte erwirtschaften sollte - aufzukündigen.
Allerdings sollten die Informationsbriefe der Versicherungsgesellschaften langfristig aufbewahrt werden. Gerade
in den vergangenen Jahren häufen sich Fälle, bei denen die Versicherungsgesellschaften nachträglich "neu
kalkulieren" - etwa auf Basis neuer Sterbetafeln oder auch mit Hilfe eines neuen Computerprogramms. Nur
allzu leicht werden dabei auch Nebenleistungen verändert, beispielsweise die vereinbarte feste Verzinsung eines
Beitragsdepots in eine variable Verzinsung umgewandelt, die dann wesentlich niedriger ausfällt als der
vereinbarte Festzinssatz. Aber auch bereits intern gutgeschriebene Erträge werden plötzlich wieder abgebucht
oder reduziert.
Hat der Anleger jedoch entsprechende Auskunftsschreiben mit bereits verbindlich genannten Guthabenbeträgen
vorliegen, muß die Gesellschaft zumindest eine gute Erklärung dafür finden, warum weniger ausbezahlt werden
soll als vorgesehen. In den meisten Fällen wird sich der Versicherer jedoch mit dem Hinweis auf einen
Computerfehler entschuldigen und den fehlenden Betrag gutschreiben. Bis zur Fälligkeit des Vertrages kann dies
durchaus einen fünfstelligen Betrag ausmachen.
Nur vergleicbare Stichtage nutzen
Vorsicht ist aber auch geboten, wenn die Versicherungsgesellschaften in ihren Informationsschreiben auf den
ersten Blick attraktive Zuwachsraten ausweisen und die Tabellenwerte erreichen. Entscheidend ist stets auch der
Stichtag, zu dem die Berechnung erfolgt. Wird einmal zum 1. Dezember abgerechnet, bei der nächsten Anfrage
zum 1. Januar des Folgejahres, ist in den zweiten Wert möglicherweise bereits die Jahresprämie für das
Folgejahr eingeflossen. Grundregel daher: Es dürfen nur die tatsächlich miteinander vergleichbaren Stichtage zur
Kontrolle herangezogen werden. Durchaus möglich sind im übrigen eigene Berechnungen, wenn beispielsweise
die Musterkalkulation der Versicherungsgesellschaft nicht mehr vorliegen sollte. Als Ausgangsbasis dient der
Vergleichswert des Vorjahres. Dieser Wert wird um sechs Prozent erhöht; hinzuaddiert werden 80 Prozent des
gezahlten Jahresbeitrages. Der neu errechnete Wert sollte in etwa erreicht worden sein.
Musterrechnung verlangen
Auch beim Neuabschluß sollten Kunden keineswegs den Angaben des Vertreters blindlings vertrauen. So gehen
immer mehr Gesellschaften dazu über, nicht mehr die voraussichtliche Ablaufleistung zu prognostizieren,
sondern mit Renditesätzen zu werben. Entscheidend ist aber allein die Rendite, die der Kunde für seine gesamte
Beitragszahlung erhält. Diese erfährt er jedoch selten. Vielmehr rechnen die meisten Gesellschaften mit der
Rendite, die sich allein auf den Spareranteil der Prämie bezieht. Diese fällt mit derzeit sieben bis 8,5 Prozent
wesentlich höher aus als die zu erwartende reale Rendite von 3,5 bis 5,5 Prozent auf die Beitragszahlungen.
Auch diese Rechentricks lassen sich jedoch leicht "enttarnen". Verlangt der Kunde zusätzlich die genannte
Musterrechnung, kann jeder Bankberater aus den Angaben "Monatsprämie", "Laufzeit" und "Ablaufleistung"
die Rendite errechnen. Damit läßt sich erkennen, ob die Gesellschaft "mauschelt" oder als reeller Geschäftspartner auftritt. PJ
Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.