ArchivDeutsches Ärzteblatt14/2016Verteilung der Versichertengelder: Gut, aber nicht gut genug

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Verteilung der Versichertengelder: Gut, aber nicht gut genug

Osterloh, Falk

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Milliardenbeträge werden im deutschen Gesundheitssystem über komplizierte Mechanismen an die Krankenkassen und die Krankenhäuser verteilt. Die Zuweisung wird zielgenauer. Viele Akteure meinen jedoch, sie sei noch nicht genau genug.

Ein Euro, drei Kassen: Über die gerechte Verteilung der Gelder im Rahmen des Morbi-RSA wird seit seiner Gründung gestritten. Foto: dpa
Ein Euro, drei Kassen: Über die gerechte Verteilung der Gelder im Rahmen des Morbi-RSA wird seit seiner Gründung gestritten. Foto: dpa

Aus dem Gesundheitsfonds wurden im vergangenen Jahr 206,2 Milliarden Euro an die gesetzlichen Krankenkassen verteilt – eine enorme Summe. Dabei erhalten die Kassen aus dem Fonds sowohl eine einheitliche Grundpauschale pro Versichertem sowie Zu- und Abschläge im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Seit seiner Einführung im Jahr 1994 war der Morbi-RSA noch nie so gerecht wie heute. Denn wurden zunächst nur Alter und Geschlecht der Versicherten sowie der Anspruch auf Krankengeld und die Zahl der Erwerbsminderungsrentner berücksichtigt, wird seit 2009 auch die Morbidität der Versicherten anhand von 80 ausgewählten Krankheiten in die Berechnung einbezogen. Um die Zielgenauigkeit weiter zu erhöhen, wurden im Jahr 2014 weitere Modifikationen unter anderem im Bereich des Krankengeldes und der Auslandsversicherten vorgenommen.

Doch so gerecht der Verteilungsmechanismus heute auch ist, im harten Preiswettbewerb der Krankenkassen ist er vielen noch nicht gerecht genug. Denn die AOKen verbuchen seit Jahren Überschüsse, während die Ersatzkassen, die Betriebskrankenkassen und die Innungskrankenkassen Verluste hinnehmen müssen. Vor kurzem hat sich deshalb eine Allianz aus zwölf Krankenkassen gebildet, die eine Umgestaltung des Morbi-RSA fordert. Die Politik müsse sowohl „die Berechnungsmethodik und die Morbiditätsstruktur als auch beispielsweise die Auswirkungen regional unterschiedlicher Versorgungskosten“ überprüfen. Die Politik hat bereits angekündigt, den Morbi-RSA in der kommenden Legislaturperiode weiter modifizieren zu wollen. Dann aber könnte es für manche bereits zu spät sein – meint zumindest der Vorstand des BKK-Dachverbandes Franz Knieps. Komme es nicht zu zeitnahen Nachjustierungen im Morbi-RSA, werde die Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen den Kassenarten zerstört, meinte er. Mögliche Auswirkungen nannte vor kurzem Dr. rer. pol. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband: „Wir rechnen damit, dass nach der Bundestagswahl ein paar große Krankenkassen Schwierigkeiten bekommen werden.“

„Genauer abgebildet“

Milliardenbeträge werden im deutschen Gesundheitswesen auch im Rahmen des DRG-Systems an die Krankenhäuser verteilt. Den Verteilungsschlüssel legt dabei das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) fest, das die Fallpauschalen kalkuliert. Im vergangenen Jahr legte das InEK seinen ersten Extremkostenbericht vor, in dem sogenannte Kostenausreißer identifiziert wurden, die durch die Fallpauschalen nicht adäquat abgebildet würden. Im gerade erschienen zweiten Extremkostenbericht berichtet das InEK, dass nach kleinteiligen Umbauten des Systems „die Belastungen durch Kostenausreißer insgesamt von 30,7 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 5,3 Millionen Euro im Jahr 2014“ zurückgegangen sind.

„Die Kosten von Krankenhäusern bei der Betreuung von Patienten werden durch die systematische Weiterentwicklung der Fallpauschalen zunehmend genauer abgebildet“, resümiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Doch auch hier ist die Verteilung der Gelder manchen der im Wettbewerb stehenden Krankenhäusern nicht genau genug. „Anzuerkennen ist, dass es dem InEK im Vergleich zum Vorjahr gelungen ist, die Abbildung von besonders aufwendigen und teuren Fällen im Fallpauschalenkatalog zu verbessern“, schreibt der Verband der Universitätsklinika Deutschlands. „Dies ändert jedoch nichts daran, dass Universitätsklinika und Maximalversorger hier weiterhin erhebliche Finanzierungslücken haben.“

Falk Osterloh

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