ArchivDeutsches Ärzteblatt14/2016Schmerzensgeldprozess: Verstoß gegen Beratungspflichten begründet keine Beweislastumkehr

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Schmerzensgeldprozess: Verstoß gegen Beratungspflichten begründet keine Beweislastumkehr

Berner, Barbara

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Unterlässt es ein Arzt, seinen Patienten über die Dringlichkeit einer medizinischen Maßnahme zu informieren und ihn vor den Gefahren zu warnen, die im Falle des Unterbleibens entstehen können, liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Beratung vor. Das ärztliche Fehlverhalten liege hier nicht in einer unterbliebenen Befunderhebung, sondern im Unterlassen von Warnhinweisen, die den Behandlungserfolg hätten sicherstellen können. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte die Witwe eines Patienten, der an den Folgen einer Kunstherzimplantation gestorben war, auf Schmerzensgeld geklagt. Ein Gerichtssachverständigengutachten bescheinigte dem Hausarzt einen Behandlungsfehler, weil dieser den Patienten nicht hinreichend über die Notwendigkeit und Dringlichkeit informiert habe, eine Herzerkrankung abklären zu lassen. Zwar habe der Arzt mit dem Patienten kurzfristig einen Termin für ein Langzeit-EKG vereinbart, den dieser jedoch aus beruflichen Gründen abgesagt hatte. Allein aus der Kurzfristigkeit des vereinbarten Termins lässt sich aus Sicht des BGH jedoch nicht folgern, dass dem Patienten die Dringlichkeit einer Diagnostik und ein bestehendes Herzinfarktrisiko bewusst wurden. Gleiches gelte für die Empfehlung des Hausarztes, gegebenenfalls ein MRT beziehungsweise eine Koronar-angiographie vornehmen zu lassen.

Die Klage auf Schmerzensgeld wies der BGH jedoch ab. In Arzthaftungsprozessen müsse in der Regel der Kläger die Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden nachweisen. Eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten trete nur im Fall eines groben Behandlungsfehlers ein. Ein solcher liege dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen habe. Nicht auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit weiterführender Untersuchungen hinzuweisen, ist nach Auffassung des BGH nicht als grober Behandlungsfehler zu beurteilen. Im vorliegenden Fall liege kein Befunderhebungsfehler (§ 630 h Abs. 5 Satz 2 BGB), sondern ein einfacher Fehler im Rahmen der therapeutischen Aufklärung vor, der eine Beweislastumkehr nicht begründen könne.

BGH, Urteil vom 17. November 2015,
Az.: VI ZR 476/14 RAin Barbara Berner

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