ArchivDeutsches Ärzteblatt15/2016Krankenhäuser: „Qualitätsoffensive ist nicht ehrlich“

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Krankenhäuser: „Qualitätsoffensive ist nicht ehrlich“

Osterloh, Falk

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Wenn Krankenhäuser Strategien für die Zukunft entwickeln, sind sie von den Rahmenbedingungen abhängig, die die Politik ihnen vorgibt. Diese sind teilweise ungenügend, kritisieren Krankenhäuser und Krankenkassen gemeinsam.

Der große Schwachpunkt des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG), das räumen selbst Regierungsvertreter ein, ist die Ausklammerung der Investitionskostenmisere. Seit Jahren überweisen die Bundesländer ihren Krankenhäusern zu wenig Investitionsmittel. Bernd Beyrle von der Techniker Krankenkasse glaubt mittlerweile nicht mehr daran, dass sich das noch einmal ändern wird. „Wir gehen schleichend den Weg in die Monistik“, meinte Beyrle auf dem 23. Deutschen Krankenhaus-Controller-Tag Anfang April in Potsdam. Da helfe es auch nicht, beständig an die Länder zu appellieren, dass sie ihren Pflichten nachkommen müssten. „Ohne den Bund wird das Problem nicht zu lösen sein“, sagte er. „Deshalb muss die Investitionskostenfinanzierung ein Thema bei der nächsten Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs werden. Das geht nicht anders.“

Mit dem KHSG wurden auch Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung im stationären Bereich angestoßen. Unter anderem sollen Qualitätsindikatoren definiert werden, an deren Einhaltung künftig die Finanzierung der Häuser geknüpft werden soll. „Diese Qualitätsoffensive wäre nur ehrlich, wenn es komplementär auch eine Investitionsoffensive gegeben hätte“, meinte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum.

Darin liege aber auch eine Chance. „Wenn ein Krankenhaus die aufgestellten Qualitätsindikatoren nicht erfüllen kann, werden wir die Frage stellen müssen, ob die Indikatoren nicht nur risikoadjustiert sind, sondern auch investitionskostenadjustiert“, sagte Baum. Denn könne ein Krankenhaus die geforderte Qualität erbringen, wenn die dafür notwendigen Investitionsmittel nicht bereitgestellt würden? Er nannte das Beispiel Hygiene: „Wenn alle Krankenhäuser Türöffnungssysteme hätten, bei denen keiner mehr die Türklinke anfassen müsste, hätten wir auch weniger Infektionen. Aber die Krankenhäuser haben das Geld nicht, um in solche Systeme zu investieren.“

Keine Konsequenzen

Heute finanzieren die Krankenhäuser ihre Investitionen teilweise aus den DRG-Erlösen. Darauf hatte zuvor der Vorstandsvorsitzende der Agaplesion gAG, Dr. rer. pol. Markus Horneber, hingewiesen. „Wir hätten früher nicht gewagt auszusprechen, dass die Krankenhäuser Teile ihrer Betriebsmittel für Investitionen verwenden, weil das ja eigentlich verboten ist“, sagte Baum. „Aber es gibt ja keinen Ankläger, weil der auf der Sünderbank sitzt.“

Beyrle kritisierte, dass die zahlreichen Informationen, die schon heute zur Qualität im Gesundheitswesen vorliegen, nur unzureichend genutzt würden. „Wir wissen, dass die Behandlungsqualität zum Beispiel von TAVI-Operationen in manchen Häusern schlecht ist. Aber die Bundesländer ziehen daraus keine Konsequenzen bei ihrer Krankenhausplanung.“

Und auch bei den Mindestmengen gebe es heute keine Sanktionen, denn Krankenhäuser, die die Mindestmengen nicht erfüllten, führten trotzdem weiter die entsprechenden Operationen durch. Beyrle befürchtet nun, „dass alles, was wir jetzt mit dem Krankenhausstrukturgesetz anschieben, auch wieder versandet“.

Falk Osterloh

Investitionen in IT-Strukturen

Foto: Agaplesion
Foto: Agaplesion

„Heute hat Facebook mehr Mitglieder als die katholische Kirche“, sagte der Vorstandsvorsitzende des kirchlichen Krankenhausträgers Agaplesion, Dr. rer. pol. Markus Horneber, auf dem 23. Deutschen Krankenhaus-Controller-Tag. Zugleich warnte er die Krankenhäuser davor, die Dynamik zu unterschätzen, die in den nächsten fünf Jahren auf sie zukomme.

Um sich für die Zukunft zu wappnen, erklärte Horneber, werde Agaplesion künftig den Investitionsschwerpunkt „ganz gewaltig“ in Richtung IT und Digitalisierung verschieben. „Dabei geht es um Robotik, aber auch um Online-Check-Ins, Online-Sprechstunden oder darum, Behandlungsprozesse mit Hilfe von Apps darzustellen“, sagte er. „Wir streben eine digitale Vernetzung mit unseren Partnern, aber auch mit den Patienten selbst an.“

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