POLITIK: Deutscher Ärztetag
Tagesordnungspunkt „Rehabilitation“: Neues Konzept entwickeln


Leistungsträger werden aufgefordert, verstärkt miteinander zu kooperieren.
Das Rehabilitationssystem in Deutschland ist sehr unübersichtlich, ja nahezu "chaotisch". Bei den Delegierten
indes bestand weitgehende Einigkeit darüber, in welche Richtung dieses System in Zukunft verändert werden
sollte. Mit großer Mehrheit beschlossen sie die vorgelegten Anträge, die schnellstmöglich gesetzgeberische
Maßnahmen zur Weiterentwicklung der medizinischen Rehabilitation fordern.
Handlungsbedarf besteht: Anstatt miteinander zu kooperieren, grenzen sich die Rehabilitationsträger immer
mehr voneinander ab. Die Zuständigkeiten und zeitlichen Abläufe der Verwaltungsverfahren sind für Ärzte und
Patienten nicht verständlich und eher eine Behinderung als eine Hilfe. Anstatt trägerübergreifender verbindlicher
Qualitätsstandards existieren bei den Reha-Trägern jeweils eigene Vorstellungen für Qualitätsvorgaben,
Vergütung und Bedarfsbestimmungen. Anstatt einer Verzahnung von Akutmedizin und Rehabilitation besteht
eine Diskrepanz zwischen kurativen und rehabilitativen medizinisch-therapeutischen Maßnahmen. Eine effektive
und damit auch kostengünstige Frührehabilitation kann dadurch oftmals nicht realisiert werden. Ebenso mangelt
es zur Zeit noch an wohnortsnahen, ambulanten Rehaeinrichtungen.
Zu wenig beachtet wird auch, daß "medizinische Rehabilitation ärztlicher Auftrag ist", erinnerte Rudolf Henke,
Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer und Internist aus Aachen. Rehabilitation sei das
Mannschaftsspiel eines interdisziplinär agierenden Teams. Diese Reha-Mannschaft brauche einen "Trainer" mit
fachärztlicher Qualifikation und Rehabilitationserfahrung, der ständig in der Einrichtung präsent ist.
Diese Bedingungen an eine zielführende medizinische Rehabilitation stellte bereits der 100. Deutsche Ärztetag
in Eisenach. Vor zwei Jahren wurde gleichfalls ein ganzheitlicher Ansatz der Rehabilitation, eine
Schwerpunktfunktionsdiagnostik sowie die Fortsetzung der bereits bestehenden Qualitätssicherung gefordert.
"Die aktuelle Bilanz des Systems ergibt aber beträchtliche strukturelle Mängel", resümierte Henke. Die
Ursachen dafür sieht er bei gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten, der Abgrenzung der einzelnen Reha-Träger
und der fehlenden Wertschätzung der Rehabilitation.
Die Regierung will ihren Ankündigungen zufolge die Rehabilitation fördern: Der Rehabilitationsbegriff soll von
Krankenbehandlung und Vorsorge abgegrenzt, die Zuzahlungen für stationäre Rehabilitationsleistungen auf das
Niveau der Zuzahlungen für Krankenhausbehandlung gesenkt und die dreiwöchige Regeldauer für die stationäre
Rehabilitation durch eine indikationsspezifische Regelungsdauer ersetzt und flexibilisiert werden. Vorgesehen ist
aber auch, daß die Krankenkassen "nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang,
Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung" bestimmen sollen.
Ausrichtung an medizinischen Kriterien
Bereits Ende 1998 hatte Bayern einen Gesetzesantrag eingebracht, nach dem allein wieder die Ärzte die
erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen beurteilen und ausschließlich medizinische Gründe für die
Bewilligung von Rehabilitationsmaßnahmen ausschlaggebend sein sollten. Zudem plädierte man in dem Antrag
dafür, die zeitliche Begrenzung der Reha auf drei Wochen sowie die Möglichkeit, eine Reha nur alle vier Jahre
in Anspruch zu nehmen, zu revidieren. Auf der Grundlage dieser Initiative und eines weiteren Antrags des
Vorstandes der Bundesärztekammer beschloß der Ärztetag folgende Forderungen gegenüber den an der
Rehabilitation Beteiligten und der Politik:
c Ausrichtung von Rehabilitationsmaßnahmen an medizinischen Kriterien: Allein dem Arzt obliegt die
Entscheidung, ob medizinische Rehabilitation erforderlich ist; die zeitliche Begrenzung der Rehamaßnahmen
muß entfallen.
c Schlüssel- und Leitfunktion des Arztes bei der Einleitung und Durchführung von Rehabilitationsverfahren:
Durch Weiter- und Fortbildung soll die Kompetenz der Ärzte in Praxis und Krankenhaus auf dem Gebiet der
Rehabilitation gestärkt werden.
c Vorrang ambulanter vor stationärer Rehabilitation: Der Grundsatz "Soviel ambulant wie möglich, soviel
stationär wie nötig" gilt auch für den Bereich der medizinischen Rehabilitation. Ambulante
Rehabilitationsmaßnahmen haben grund-sätzlich Vorrang vor einer stationären Rehabilitation. Möglichst
wohnortsnahe ambulante Versorgungsstrukturen sollen zukünftig auf- und ausgebaut werden.
c Integration von kurativer und rehabilitativer Medizin: Die im ambulanten und stationären Akutbereich tätigen
Ärzte sollen stärker in das Rehabilitationsgeschehen einbezogen werden, um eine frühzeitige, nahtlose und
kontinuierliche Rehabilitation zu gewährleisten. Beide Versorgungsbereiche müssen besser aufeinander
abgestimmt werden.
c Gemeinsame Qualitätsanforderungen und indikationsspezifische Therapiekonzepte in der Rehabilitation: Für
alle Reha-Träger sollen verbindliche Qualitätsanforderungen sowie indikationsbezogene Rehabilitationsleitlinien
geschaffen und in der Rehabilitationspraxis realisiert werden.
c Stärkung und Verbesserung des gegliederten Systems in der Rehabilitation: Vorgesehen ist ein
Vorleistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung vor den Rentenversicherungsträgern. Nur durch eine
zielgerichtete und effiziente Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und ein gemeinsames Verständnis
von Rehabilitation kann das gegliederte System eine zeitnahe und nahtlose Rehabilitation durchgängig
sicherstellen und die zum Teil beträchtlichen Verzögerungen im Rehabilitationsverlauf verhindern.
Der Ärztetag appellierte an die verantwortlichen Finanzierungsträger, durch verstärkte Kooperation bestehende
Schnittstellen zu minimieren, und forderte den Gesetzgeber auf, das Rehabilitationsrecht weiterzuentwickeln und
eine harmonische Kodifizierung im Sozialgesetzbuch IX zu vollziehen. Eva Hofmann
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