ArchivDeutsches Ärzteblatt18/2016Gelbfieberausbruch in Angola: Risiko: Virusverbreitung nach Asien

MEDIZINREPORT

Gelbfieberausbruch in Angola: Risiko: Virusverbreitung nach Asien

Boecken, Gerhard; Schmidt, Volker; Winkler, Enno

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Das Gelbfieber zählt zu den hämorrhagischen Fiebern mit einer Gesamtletalität von bis zu 20%. Chinesische Gastarbeiter in Afrika haben das Virus – trotz Impfpflicht und arbeitsmedizinischer Regeln – in ihr Heimatland eingeschleppt.

Die Gelbfieber-Impfung ist für Kinder in Angola zwar empfohlen, die für eine Herdenimmunität notwendige Impfquote von 80 Prozent ist allerdings noch nicht erreicht. Foto: picture alliance
Die Gelbfieber-Impfung ist für Kinder in Angola zwar empfohlen, die für eine Herdenimmunität notwendige Impfquote von 80 Prozent ist allerdings noch nicht erreicht. Foto: picture alliance

Für Reisende nach Angola ist die Gelbfieberimpfung vor Einreise und Arbeitsaufnahme Pflicht. Trotzdem haben sich dort Bürger afrikanischer Staaten sowie nordkoreanische und chinesische Gastarbeiter infiziert. Einige von ihnen sind inzwischen in ihre Heimatländer zurückgereist und dort akut erkrankt. Droht durch die Globalisierung die Verschleppung des Gelbfiebervirus in das bisher nicht betroffene Asien?

Seit Dezember 2015 verläuft weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit in Angola einer der größten Gelbfieberausbrüche seit Jahrzehnten. Bisher sind 1 908 Verdachtsfälle, davon 671 laborbestätigt und 250 Todesfälle, aufgetreten (Stand vom 19. April 2016 laut WHO). Luanda ist die am stärksten betroffene Provinz mit allein 1 135 Fällen, davon 165 Todesfälle. 16 der 18 Provinzen Angolas sind betroffen.

Vereinzelte verschleppte Erkrankungsfälle hat es – abweichend vom früheren Mustern der regional beschränkten Ausbrüche – bisher in Kenia, Mauretanien, der Demokratischen Republik Kongo, aber auch in China gegeben. Umfassende Riegelimpfkampagnen sind mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angelaufen. Eine besondere Herausforderung ist die Impfstofflogistik, da weltweit die Ressourcen begrenzt sind. Die internationale Notfallreserve von sechs Millionen Impfstoffdosen ist bereits aufgebraucht (Kasten).

Defizitäre Vektorbekämpfung

Dabei handelt es sich in Angola um die epidemiologisch besonders ungünstige Form des urbanen Gelbfiebers, also die vektorvermittelte Übertragung von Mensch zu Mensch, die derzeit besonders den Großraum Luanda trifft. Dichte Besiedlung bei fehlender Immunität der Population sowie eine defizitäre Vektorbekämpfung und vernachlässigte Impfprogramme begünstigen solche potenziell explosionsartigen Ausbrüche. Dagegen zirkuliert das Virus beim sylvatischen Zyklus – dem sogenannten Buschgelbfieber – zwischen Affen und Mücken. Es infiziert Menschen nicht systematisch, sondern eher zufällig.

Das Gelbfiebervirus gehört wie auch das Dengue- oder Zikavirus zur Gruppe der Flaviviren. Es ist ausschließlich in Afrika und Lateinamerika endemisch. Der Vektor Aedes (Stegomyia) aegypti (Gelbfiebermücke) ist dagegen nahezu weltweit in allen tropischen und subtropischen Regionen vertreten. A. aegypti ist ausgeprägt anthropophil, vektorkompetent und ein „Kulturfolger“. Minimale Wassermengen, eine leere Dose, alte Reifen, eine ausgehöhlte Astgabel oder Blumenvase reichen, um eine neue Mückengeneration temperaturabhängig bestenfalls in zwei Wochen entwickeln zu lassen.

Die Inkubationszeit beträgt bis zu sechs Tagen, circa 50% der Infektionen verlaufen inapparent. Für den Krankheitsverlauf sind zwei Phasen typisch:

  • zunächst der abrupte Beginn mit hohem Fieber, Übelkeit und Erbrechen bei relativer Bradykardie, der nach kurzer Besserung
  • in die toxische Phase mit schweren gastrointestinalen Blutungen, kaffeesatzartigem Erbrechen, Ikterus und Leberversagen einmünden kann.

17D-Lebendimpfstoff schützt

Daher zählt das Gelbfieber auch zu den hämorrhagischen Fiebern. Die Gesamtletalität beträgt 10–20 %, bei Patienten in der toxischen Phase bis zu 70 %. Die WHO geht von insgesamt 200 000 Erkrankungsfällen pro Jahr aus, davon etwa 30 000 mit letalem Ausgang (1). Die tatsächlich gemeldeten Fälle liegen eine Zehnerpotenz darunter. 90 % der Infektionen entfallen auf den afrikanischen Kontinent.

Die Lebendimpfung mit dem sogenannten 17D-Impfstoff von 1936 ist die wirkungsvollste präventive Maßnahme gegen das Gelbfieber und wurde bisher in geringer Modifikation weltweit über 600 Millionen Mal angewandt. Der Impfstoff ist hoch immunogen und führt bei Geimpften in bis zu 99 % zur Serokonversion (2). Obgleich die Gelbfieberimpfung in Angola bei Kindern zum öffentlich empfohlenen Impfprogramm gehört, konnte die für eine Herdenimmunität und damit zum Ausbruchschutz notwendig Impfquote von 80 % offensichtlich nicht erreicht werden. Laut Regierungsstatistik waren 2014 nur 77 % der Bevölkerung geimpft (3).

WHO-konforme Vorschriften

Nach Angabe der WHO wird die Gültigkeit der Gelbfieberimpfung von Angola als lebenslang akzeptiert. Eine Auffrischimpfung nach zehn Jahren ist im Regelfall somit nicht erforderlich.

Die Weiterreise von Gelbfiebererkrankten in die oben genannten Länder zeigt die Defizite bei den Grenzkontrollen bei der Ein- und Ausreise dieser ebenso in Gelbfieberendemiezonen liegenden Importländer. Die betroffenen Länder haben WHO-konforme Impfvorschriften für die Einreise von Personen (Kenia, Kongo) aus Gelbfiebergebieten, aber auch für Reisende aus Nichtendemiegebieten; so fordert Angola den Impfnachweis bei jedem Visumsantrag.

Neben der Unachtsamkeit der Grenzbehörden und der verbreiteten Korruption kommt hinzu, dass gefälschte Impfzertifikate im Umlauf sind und für wenig Geld erworben werden können.

Ein besonderes Novum dieses Ausbruchs ist jedoch der erstmalig nachgewiesene Export des Gelbfiebervirus auch nach Asien, im vorliegenden Fall nach Peking und Shanghai. Fast überall in Afrika arbeiten Chinesen, man schätzt weit über eine Million chinesischer Gastarbeiter auf dem Kontinent. Obwohl formal verbindliche Regeln für die arbeitsmedizinische Vorbereitung eines Arbeitsaufenthalts im Ausland in China bestehen und auch ein Impfnachweis bei Rückkehr aus Gelbfieberendemiegebieten gefordert wird, konnte diese Verschleppung nicht verhindert werden.

Der Zika-Ausbruch in Südamerika zeigt überdeutlich, was passieren kann, wenn ein neues Flavivirus auf einen kompetenten Vektor und eine ungeschützte immunologisch naive Bevölkerung trifft (4). Warum sich das Gelbfiebervirus angesichts globalisierter Reiseströme und der über Jahrhunderte bestehenden Handelsverbindungen zwischen den Endemiegebieten und Asien nicht nach Südasien ausbreiten konnte, ist bisher nicht verstanden und Gegenstand jahrzehntelanger wissenschaftlicher Spekulationen (5). Es herrschen in großen Gebieten Südasiens augenscheinlich ideale Voraussetzungen für einen Kontinentalsprung des Virus: der Vektor Aedes aegypti ist dort reichlich vorhanden und die nichtgeimpfte Population dem Erreger gegenüber ungeschützt.

Eine mögliche Erklärung dafür, dass dies bisher nicht geschehen ist, könnte die nahezu 100-prozentige Prävalenz von Dengue-Antikörpern bei vielen Asiaten und eine damit verbundene Kreuzimmunität gegenüber dem Gelbfiebervirus sein (6). Auch eine verminderte – genetisch bedingte – Empfindlichkeit von Asiaten gegenüber dem Gelbfiebervirus wird ebenso diskutiert wie eine reduzierte Vektorkompetenz der asiatischen Gelbfiebermücke im Vergleich zur afrikanischen Aedes aegypti (7/8).

Vielleicht hatte Asien bisher auch nur Glück. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es noch nicht verstandene biologische Schranken zu geben scheint, die eine autochthone Verbreitung analog einem urbanen Zyklus in Afrika bisher verhindert haben. Dennoch: Die Gefahr eines unbeherrschbaren Gelbfieberausbruchs ist nicht gänzlich ausgeschlossen.

Dr. med. Gerhard Boecken, M. Sc.
Leitender Betriebsarzt und Referatsleiter
Gesundheitsdienst Auswärtiges Amt, Berlin

Dr. med. Volker Schmidt
Regionalarztdienststelle
Deutsche Botschaft Pretoria

Dr. Enno Winkler
Regionalarztdienststelle
Deutsche Botschaft Peking

@Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1816
oder über QR-Code.

Was tut Angola?

Angola dehnt inzwischen seine Impfkampagnen weiter aus. Wie die WHO auf ihrer Homepage am 19. April 2016 mitteilt, sind seit Anfang Februar in der Provinz Luanda sechs Millionen Menschen (88 % der Provinzbevölkerung) geimpft worden.

Dank der Hilfe der International Coordinating Group (ICG) for Vaccine Provision und der Gavi-Impfallianz stehen seit Ende März noch einmal 10 Millionen Impfdosen zur Verfügung. In den nächsten Wochen sollen weitere 2,15 Millionen Menschen in den außer Luanda am stärksten betroffenen Provinzen Huambo und Benbuela geimpft werden, eine Million hat die Vakzine dort schon erhalten.

Die Menschen haben bereits Angst vor der Impfstoffknappheit, es bilden sich mafiöse Strukturen, die Impfstoffe gegen erhebliche Summen verkaufen, meldet die Deutsche Welle. Der Schwarzmarkt blühe, auch wenn Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor die Bevölkerung darüber aufklärten, dass niemand Geld für die Impfung ausgeben müsse.

1.
WHO: Vaccines and vaccination against yellow fever. WHO position paper. Weekly epidemiological record 2013; 88: 269–83 MEDLINE
2.
RKI, EpiBull 32/99,13. 8. 1999
4.
Wilking, Hendrik; Faber, Mirko; Stark, Klaus; Frank, Christina; May, Jürgen; Schmidt-Chanasit, Jonas: ZikaVirus-Infektion: Tropische Krankheit mit Relevanz für Deutschland; DÄB, Jg.113, Heft 12, 25.03.2016 VOLLTEXT
5.
Duddley SF: Can Yellow Fever spread into Asia? An essay on the ecology of mosqui- to-born disease. J Trap Med Hyg 1934;
37: 273–8.
6.
Houghton-Trivino N, et al.: Dengue-yellow fever sera cross-reactivity; challenges for diagnosis. Revistra de Salud Publica 2008; 10: 299–307 CrossRef MEDLINE
7.
Agampodi, et al.: BioMed Research International, Volume 2013, “Is there a risk of yellow fever Transmission in South Asian Countries with Hyperendemic Dengue?”
8.
Jupp, et al.: Laboratory vector competence experiments with yellow fever virus and five South African mosquito species including Aedes aegypti, Transactions of the Society of Tropical Medicine and Hygiene 2202;
96: 493–8.
1.WHO: Vaccines and vaccination against yellow fever. WHO position paper. Weekly epidemiological record 2013; 88: 269–83 MEDLINE
2.RKI, EpiBull 32/99,13. 8. 1999
3. www.historyofvaccines.org/content/blog/yellow-fever-epidemic-angola
4.Wilking, Hendrik; Faber, Mirko; Stark, Klaus; Frank, Christina; May, Jürgen; Schmidt-Chanasit, Jonas: ZikaVirus-Infektion: Tropische Krankheit mit Relevanz für Deutschland; DÄB, Jg.113, Heft 12, 25.03.2016 VOLLTEXT
5.Duddley SF: Can Yellow Fever spread into Asia? An essay on the ecology of mosqui- to-born disease. J Trap Med Hyg 1934;
37: 273–8.
6.Houghton-Trivino N, et al.: Dengue-yellow fever sera cross-reactivity; challenges for diagnosis. Revistra de Salud Publica 2008; 10: 299–307 CrossRef MEDLINE
7.Agampodi, et al.: BioMed Research International, Volume 2013, “Is there a risk of yellow fever Transmission in South Asian Countries with Hyperendemic Dengue?”
8.Jupp, et al.: Laboratory vector competence experiments with yellow fever virus and five South African mosquito species including Aedes aegypti, Transactions of the Society of Tropical Medicine and Hygiene 2202;
96: 493–8.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote