ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2016Krankenkassen: Solidargedanke in Gefahr?
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Revolutionär war die Krankenversicherung Ende des 19. Jahrhunderts. Was ist heute von ihr geblieben? Krankenkassen haben sich zu großen Unternehmen entwickelt – das macht Ärzten die Zusammenarbeit mit ihnen nicht leichter. Ein Streifzug durch ein ambivalentes Verhältnis

Das Schuften in Salinen und Bergwerken, an Dampfkesseln und Kraftmaschinen zehrte im 19. Jahrhundert an den Kräften der Arbeiter. Nicht selten waren schwere Verletzungen oder sogar der Tod des Familienernährers die Folge. Um die Arbeiter zu schützen, sozialen Unruhen vorzubeugen und politische Gegner zu schwächen, führte 1883 Reichskanzler Otto von Bismarck die gesetzliche Krankenversicherung im Deutschen Reich ein. Das „Gesetz, betreffend die Krankenversicherungen der Arbeiter“ sah zudem Pflichtversicherungen für „Betriebsbeamte“ vor, deren „Lohn oder Gehalt sechszweidrittel Mark für den Arbeitstag nicht übersteigt“. Die Beiträge sollten zu zwei Dritteln von den Arbeitnehmern und zu einem Drittel von den Arbeitgebern bezahlt werden.

Diese verpflichtende Solidarität war revolutionär und setzte eine Entwicklung in Gang, die bis heute als Fundament des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland gilt. Das Solidarprinzip der Sozialversicherungssysteme hat Weltkriege, politische Umwälzungen sowie zahlreiche Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte überlebt – zumindest in ihrem monolithischen Grundgedanken.

Zahl der Kassen sinkt stark

Doch seit einigen Jahren bewegt sich etwas im Innenleben der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV. Gab es 1931 noch mehr als 6 000 Krankenkassen, schrumpfte ihre Zahl seitdem auf 1 815 im Jahr 1970, auf 968 im Jahr 1995 und auf 267 im Jahr 2005. 2016 schließlich, im 133. Jahr nach Gründung der GKV, halten sich nur noch 118 Kassen am Markt – Tendenz sinkend.

Krankenkassen sind im Laufe der Zeit zu Unternehmen geworden, deren Umsätze mit denen von Großkonzernen verglichen werden können. Die Kassen, die heute erfolgreich sind, vergleichen sich selbst mit großen Dienstleistungsunternehmen, an deren Geschäftsabläufe sie ihr Unternehmen anpassen müssen. Der ursprüngliche Solidargedanke sei aber erhalten geblieben, betonen vier Kassenchefs in Gesprächen mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). „Die gesetzliche Krankenversicherung ist weiterhin der Ort, wo Solidarität zwischen Reich und Arm, Gesunden und Kranken, Jungen und Alten gelebt wird“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. Dieser vertritt die Interessen von elf regionalen AOKen, die nach eigenen Angaben 24 Millionen Menschen versichern.

Für den Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Dr. med. Jens Baas, sind die „Krankenkassen auch heute elementarer Bestandteil des Solidarsystems. Sie erwirtschaften keine Gewinne, haben keine Investoren und schütten auch keine Dividende an Aktionäre aus.“ Die TK ist mit 9,6 Millionen Versicherten derzeit die größte deutsche Krankenkasse.

„Als die Krankenkassen noch mit den Ärzten Verträge schließen konnten, hatten sie noch viel mehr Macht. Heute sind alle Akteure stärker reglementiert“, sagt Barmer GEK-Chef Dr. med. Christoph Straub. Die Barmer GEK hat 8,4 Millionen Versicherte und ist damit die Nummer zwei im GKV-Markt. Diese Position wird sie nach dem Jahreswechsel 2017 wahrscheinlich ausbauen können: Dann steht die Fusion mit der Deutschen BKK an, die derzeit 1,1 Millionen Versicherte hat.

Diese Fusion wird dem Chef des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK), Franz Knieps, nicht unbedingt gefallen. Der Dachverband vertritt als Verein die Interessen von 83 BKKen und vier BKK-Landesverbänden, die gemeinsam etwa zehn Millionen Menschen versichern. Knieps, der unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) von 2003 bis 2009 im Bundesgesundheitsministerium für „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung“ zuständig war, sieht trotz des Wettbewerbs und einem größeren Dienstleistungsangebot der Kassen den Solidargedanken auch in der Gesetzgebung gewahrt: „Die Solidarität war von Anfang an Teil der Öffnung des Kassenmarktes. Schließlich wurde der Risikostrukturausgleich begleitend zur Wahlfreiheit eingeführt“, sagt Knieps. Die Freiheit, eine Krankenkasse frei zu wählen, steht seit 1992 im § 173 des Sozialgesetzbuches V. In § 175 heißt es, dass Kassen „die Mitgliedschaft nicht ablehnen“ oder „verhindern oder erschweren“ dürfen. Beide Regelungen haben den Konzentrationsprozess im Kassensystem deutlich befördert.

Zahlreiche Gesundheitsreformen in den vergangenen Jahrzehnten heizten den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen weiter an. Fusionen, Schließungen und ein größerer Konkurrenzdruck über Beitragssätze und Zusatzbeiträge waren die Folge.

Für Ärzte ist diese Entwicklung von Bedeutung – ist der Austausch mit den Krankenkassen doch Teil ihrer Arbeit. Einer, der täglich mit den Krankenkassen zu tun hat, ist Dr. med. Martin Blümke, der seit 15 Jahren als Medizincontroller am Westküstenklinikum im schleswig-holsteinischen Heide tätig ist. Er ist sowohl für die Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen im Land als auch für den Kontakt zum Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verantwortlich. In beiden Fällen erlebt Blümke die Krankenkassen als wettbewerbsgetrieben. „Im heutigen System steht für die Krankenkassen das Sparen an erster Stelle“, sagt Blümke gegenüber dem DÄ. „Sie haben insbesondere ihren Zusatzbeitrag im Auge und versuchen mit allen Mitteln, ihn stabil zu halten, um keine Mitglieder zu verlieren.“

Bei den Budgetverhandlungen führt das dazu, dass „die Krankenkassen massiv versuchen, die Ausgaben für neue Verfahren im Krankenhaus zu deckeln.“ Und bei der Überprüfung der Abrechnungen kürzten die Kassen auf Anraten des MDK seiner Klinik „massiv die Verweildauer“. „Sie verlangen von uns, unsere Patienten früher in die ambulante Nachsorge zu entlassen“, berichtet Blümke. „Die ist aber in unserer Umgebung vielfach überhaupt nicht vorhanden.“ Auch streiche der MDK Teile der Vergütung, wenn ein Patient länger im Krankenhaus liege, als er es im Idealfall tun müsste. „Auch den Idealfall gibt es häufig nicht“, kritisiert Blümke. „Denn es ist nun einmal nicht ständig ein Untersuchungs- oder OP-Platz frei. Wir haben auch keine endlosen Ressourcen – zum Beispiel können am Wochenende nicht alle Leistungen durchgeführt werden.“ Der MDK habe „eine verklärte Sicht auf die Realität“. Es gebe in diesem Bereich kein partnerschaftliches Denken zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern.

„Der MDK hat eine verklärte Sicht auf die Realität“ Martin Blümke, Westküstenklinikum Heide. Foto: Westküstenklinikum Heide
„Der MDK hat eine verklärte Sicht auf die Realität“ Martin Blümke, Westküstenklinikum Heide. Foto: Westküstenklinikum Heide

Das partnerschaftliche Denken betont auch Dr. med. Hans-Jürgen Beckmann, Vorstand des Bünder Ärztenetzes Medizin und Mehr (MuM). Aus seiner Sicht haben Krankenkassen und Ärzte dieselben Aufgaben: die Versorgung der Patienten. Und wenn beide Seiten wirklich etwas verändern wollten, dann gehe das nur gemeinsam. Vor Ort sei das aber durchaus möglich. „Bereits seit 2005 sind wir in Bünde selektivvertraglich mit BKKen aus Ostwestfalen verbunden“, sagt Beckmann dem DÄ. „In nunmehr elf Jahren Verhandlungen an einem Tisch, aber auch in damit einhergehenden Perspektivwechseln hat sich ein Vertrauensverhältnis ausgebildet. Da gehen plötzlich Dinge, die sonst unmöglich wären.“

Auch Blümke erlebt die Kassen im persönlichen Miteinander der Budgetverhandlungen als „eher konstruktiv“, jedoch stets vom Wunsch geleitet zu sparen. „Es gibt aber auch Beispiele, wo die Zusammenarbeit mit den Kassen sehr gut funktioniert, zum Beispiel bei Spezialprojekten wie dem Regionalbudget in der Psychiatrie, das es bei uns gibt“, berichtet Blümke.

Ein absolutes Reizthema ist und bleibt der Dokumentationsaufwand, den niedergelassene Ärzte durch Kassenanfragen zu bewältigen haben. „Soll ich Ihnen mal den Stapel von Anfragen auf meinem Schreibtisch zeigen?“, fragt Beckmann verärgert. Nicht umsonst gebe es in der KV Westfalen-Lippe mit der Barmer GEK eine Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau, die demnächst einen Bericht vorlegen wolle.

Die Krankenkassen hingegen halten ihre Anfragen für unverzichtbar. „Ich kann die Klagen der Ärzte durchaus verstehen, weil sie durch die Anfragen von ihrer eigentlichen ärztlichen Aufgabe abgehalten werden. Wir Kassen müssen aufpassen, dass das im Rahmen bleibt“, sagt TK-Chef Baas. „Allerdings kann ein Leistungsbereich mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro im Jahr auch nicht ohne Regularien und dem Nachschauen, ob sie eingehalten werden, funktionieren.“ Litsch vom AOK-Bundesverband meint: „Von Gängelung unserer Partner kann keine Rede sein, denn eine gute Dokumentation von Diagnose und Therapie dient einerseits dem Patientenschutz und sichert andererseits hohe Qualitätsstandards.“

Litsch betont in diesem Zusammenhang, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen im deutschen Gesundheitssystem Partner sind: „Es ist ihre genuine Aufgabe, die Versorgung sicherzustellen, und das effizient und im Sinne der Versicherten.“ So arbeiten auf Bundesebene die Ärzteschaft und die Krankenkassen im operativen Geschäft eng zusammen. Im Gemeinsamen Bundesausschuss kommen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband zusammen, um unter anderem den Leistungskatalog der Krankenkassen zu bestimmen (siehe Grafik rechts) oder im Bewertungsausschuss, um das Honorar der niedergelassenen Ärzte auszuhandeln. Diese Zusammenarbeit funktioniert nur, wenn sich beide Seiten immer wieder auf Kompromisse einlassen. Nicht immer erscheint das einer Seite – oder auch beiden – möglich, so dass die Schiedsstellen im System, die einen Kompromiss am Ende erzwingen können, gut beschäftigt sind.

Ausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV 2014 in Mrd. Euro
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Ausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV 2014 in Mrd. Euro

Drei Ärzte als Kassenchefs

Verständnis für die Sorgen der Ärzte könnten drei Kassenchefs in Deutschland allein aufgrund ihrer Ausbildung aufbringen: Denn an der Spitze der beiden größten Kassen, der TK und der Barmer GEK, stehen mit Baas und Straub zwei Humanmediziner; TK-Chef Baas arbeitete als Chirurg und Straub in der Nephrologie. Auch Straubs Vorstandskollege bei der Barmer, Dr. med. Mani Rafii, war einst Chirurg. Dass es derzeit drei Kassenvorstände mit Mediziner-Biografie gibt, werten Baas und Straub als „Zufall“. Aber: „Ich betrachte – vielleicht anders als andere Kassen-chefs – Ärzte nicht als natürliche Gegner“, erklärt Baas. Straub meint: „Ich habe es persönlich immer als großen Vorteil empfunden, dass ich über mein Medizinstudium und meine klinische Tätigkeit ein Verständnis dafür habe, worum es bei der Versorgung für kranke Menschen geht.“ Beide leiten aus ihrer Ausbildung auch ihre heutigen Führungsqualitäten ab. Baas: „Was definitiv mit meiner originären Tätigkeit als Arzt zu tun hat, ist der Umstand, dass ich schnell entscheiden kann und das auch tue.“ Und Straub sagt: „Meine medizinische Ausbildung und meine ärztliche Tätigkeit haben mich darin geprägt, wie ich führe und wie ich manage.“

Krankenkassen müssen heute wie Großunternehmen gemanagt werden – der Gesetzgeber hat den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich befeuert. Wenn eine Krankenkasse mit dem zugewiesenen Geld aus dem seit 2009 bestehenden Gesundheitsfonds nicht auskommt, muss sie sich über einen Zusatzbeitrag finanzieren. Seit 2011 muss dieser alleine von den Arbeitnehmern bezahlt werden. Wenn die Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag erhöhen, müssen sie die Versicherten darauf hinweisen, dass diese zu einer günstigeren Kasse wechseln können.

„In einem Vertrauensverhältnis gehen plötzlich Dinge, die sonst unmöglich waren“ Hans-Jürgen Beckmann, Medizin und Mehr. Foto: MuM/Bünde
„In einem Vertrauensverhältnis gehen plötzlich Dinge, die sonst unmöglich waren“ Hans-Jürgen Beckmann, Medizin und Mehr. Foto: MuM/Bünde

Priorität: Kein Zusatzbeitrag

Deshalb steht ganz oben auf der Prioritätenliste der Kassen, den Zusatzbeitrag zu vermeiden – so, wie es Klinikarzt Blümke in seiner täglichen Arbeit erlebt. Ein Versorgungswettbewerb bleibt vor diesem Hintergrund auf der Strecke. „Für die Versicherten wäre es wichtig, dass die Krankenkassen zusammen mit den Leistungsanbietern auch passgenaue Versorgungsangebote entwickeln“, betont Prof. Dr. rer. pol. Stefan Greß, Dekan des Fachbereichs Pflege und Gesundheit an der Hochschule Fulda. „Das kann ich aber derzeit nicht erkennen.“

Der Gesetzgeber müsse mehr Mut haben, den einzelnen Krankenkassen mehr Instrumente zur Steuerung der Versorgung an die Hand zu geben, meint Greß. Denn in seiner jetzigen Form habe der Wettbewerb die Versorgung für die Versicherten nicht verbessert. Einige wenige Leuchtturmprojekte seien die Ausnahme und nicht die Regel.

Franz Knieps, der diesen Wettbewerb zusammen mit der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit initiiert hat, hält diese Maßnahme allerdings für erfolgreich. „Seit Mitte der 1990er-Jahre der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch die Wahlfreiheit der Versicherten intensiviert wurde, hat sich viel bewegt“, sagt er heute. So sei der Service für die Versicherten viel besser geworden, die Kassen seien keine Behörden mehr. Ein Übriges hätten die Fusionskräfte am Markt getan. Knieps räumt aber auch ein: „Leider ist der Wettbewerb um hervorragende – meist regional funktionierende – medizinische Versorgungslösungen seit einigen Jahren nicht mehr vom Gesetzgeber befeuert worden.“

Das Primat des Preiswettbewerbs kritisiert AOK-Bundesverbands-Chef Litsch: „Krankenkassen, die eine ausgezeichnete Versorgung anbieten, müssen zuweilen auch einen überdurchschnittlichen Beitragssatz erheben.“ Die Kassen bräuchten deshalb mehr Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem auch mehr Mitspracherecht. „Wenn wir bezahlen müssen, wollen wir auch bei der Planung von Krankenhäusern und der Finanzierung der Investitionskosten unseren Sachverstand verbindlich einbringen“, fordert Litsch.

Auch für Netzarzt Beckmann aus Bünde ist der Preiswettbewerb zwischen den Krankenkassen ein Hemmschuh. „Der Wettbewerb macht die Krankenkassen depressiv“, sagt er. „Das ist kontraproduktiv, hemmt Aktivität, macht sie in weiten Teilen sogar unmöglich.“ Viele Chancen für die Versorgung blieben so ungenutzt.

Mehr Zusammenarbeit

Ärzte und Krankenkassen wünschen sich für die Zukunft, dass die Kassen stärker die Versorgung mitgestalten, statt nur auf ihre Zusatzbeiträge zu achten. Blümke zum Beispiel hält eine vermehrte Bildung von Zentren, in denen spezialisierte Leistungen erbracht werden, für „absolut vernünftig“. Von den Kassen fordert er, „mehr darüber nachzudenken, wie sie ihre Patienten in diese Zentren bringen können. Stattdessen zahlen sie heute relativ blind alle Rechnungen, unabhängig von der erbrachten Qualität.“ Barmer GEK-Chef Straub sieht die Kassen derzeit bereits in dieser Position. „Wer im Markt bestehen will, muss sich in der Versorgungsanalyse, im Versorgungsmanagement, im Marketing, im Service und im Vertrieb als moderner Dienstleister aufstellen“, sagt er.

Das alleine wird jedoch nicht reichen, um die Kommunikationsbrüche im System zu reduzieren und dadurch die Versorgung der Patienten zu verbessern. Denn das können Krankenkassen nur erreichen, wenn sie sich auf die Anforderungen von Ärzten und Patienten einstellen – so wie es auf regionaler Ebene bereits vereinzelt geschieht. Für Otto von Bismarck war die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung Teil einer paternalen Staatsmedizin: ein damals durchaus positiv verstandener Begriff. Heute sind die Krankenkassen nicht mehr Teil einer Staatsmedizin, sondern Teil der Selbstverwaltung, unter deren Dach Ärzte und Krankenkassen nach den gesetzlichen Vorgaben verhandeln. Dieses wird künftig nur erfolgreich sein können, wenn sich die Krankenkassen als Partner einer Selbstverwaltung für die medizinische Patientenversorgung verstehen.

Rebecca Beerheide, Falk Osterloh

Wohin steuern die Kassen?

Dr. med. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Foto: TK
Dr. med. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Foto: TK

Wir packen die Dinge rechtzeitig an und scheuen uns nicht, Neues auszuprobieren – Wettbewerb als Suchprozess. Ich glaube, dass der Digitalisierung eine Schlüsselrolle zukommt, weshalb wir bei der TK einen Schwerpunkt darauf legen. Unsere Kunden vergleichen uns nicht mit anderen Kassen, sondern mit Unternehmen, mit denen sie in ihrem digitalen Alltag in Kontakt sind.

Dr. med. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse

Franz Knieps, Vorsitzender des BKK-Dachverbands. Foto: BKK
Franz Knieps, Vorsitzender des BKK-Dachverbands. Foto: BKK

Auf meinem Schreibtisch steht keine Glaskugel. Aber ich gehe davon aus, dass erfolgreiche Betriebskrankenkassen sich am Markt halten werden, wenn der Gesetzgeber faire Rahmenbedingungen schafft. Für die BKK kann ich sagen: Fast alle haben ein straffes Management mit flachen Hierarchien. Eine Fusion ist kein Wert an sich, sie muss wirtschaftlich dauerhaft Sinn machen, und das fusionierte Ganze muss am Markt dann auch erfolgreich bestehen.

Franz Knieps, Vorsitzender des BKK-Dachverbands

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. AOK-BV
Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. AOK-BV

Die Größe einer Kasse ist allein nicht immer ausschlaggebend. Ebenso wichtig ist aus unserer Sicht die regionale Nähe des Versicherten zu seiner Kasse. Deshalb setzt die AOK ganz bewusst auf Präsenz in der Region. Kassen müssen ihren Versicherten heute auch mehr denn je Informationen liefern, sie beraten und unterstützen. Das ist uns ein zentrales Anliegen, dazu haben wir unsere Angebote am Telefon und im Internet ausgebaut.

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands

Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK. Foto: Barmer GEK
Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK. Foto: Barmer GEK

Die Rolle der Krankenkassen hat sich gewandelt. Kassen zahlen nicht mehr medizinische Leistungen, sondern gestalten diese mit innovativen Versorgungsverträgen aktiv mit. Wir müssen heute unsere internen Strukturen anpassen, die Effizienz dort steigern und die Digitalisierung aufnehmen. Und es ist wichtig, auf den richtigen Wegen mit unseren Kunden zu kommunizieren. Die Zahl der Kassen wird nicht mehr dramatisch abnehmen.

Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK

Ausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV 2014 in Mrd. Euro
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Ausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV 2014 in Mrd. Euro
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