MEDIZIN: Die Übersicht
Vergiftung durch Skorpionstiche
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Im Gegensatz zu der vermuteten Gefährlichkeit von Skorpionstichen sind bei den meisten Skorpionen nur Schmerzen - wie nach einem Bienenstich - zu erwarten. Stärkste Schmerzen, die einer klinischen Überwachung bedürfen, und/oder Allgemeinsymptome des Herz-Kreislauf-Systems, mit Hypertonie bis zum Linksherzversagen, oder Erregung des ZNS bis zu Krampfanfall und Delir, können nur nach Stichen weniger Gattungen auftreten. Therapeutisch ist nach den Stichen eines Skorpions der gefährlichen Gattungen die Schmerztherapie und die symptomatische Therapie von Hypertonie, Herzversagen und der ZNS-Erregung vordringlich. Die Wirksamkeit von Antiseren ist bei vielen Gattungen zweifelhaft und bei moderner Intensivtherapie meist überflüssig. Ausnahmen sind die schweren Verläufe nach Bissen der Gattungen Tityus und Centruroides. Schlüsselwörter: Skorpion, Skorpionstich, Antiserumtherapie
SUMMARY
Poisoning by Scorpion Stings
In contrast to the postulated danger of scorpion poison, most scorpion stings will only cause pain comparable to
other insect bites. Only few scorpion species are capable to cause extensive pain which require hospital
admission. In these cases hypotension, left heart failure, agitation, convulsions or delirium may occur.
Symptomatic treatment such as pain relief, circulatory support and sedation is sufficient in these circumstances.
The efficacy of antivenoms is doubtful in most of the scorpion stings. An exception of this rule are the stings by
Tityus and Centruroides. Key words: Scorpion, scorpion sting, antivenom-therapy
Skorpione, deren Stich lebensbedrohlich werden könnte, gibt es in Mitteleuropa nicht. Da aber immer mehr
Gifttiere und darunter auch Skorpione in Terrarien privat gehalten werden und viele Urlauber oder deren
beratende Ärzte sich über Gifttierbisse im Ausland informieren wollen, erreichen den Giftnotruf München in den
letzten Jahren zunehmend Anfragen zum therapeutischen Vorgehen nach Skorpionstichen. Besonders in bezug
auf den praktischen Sinn von Antisera bestehen meist falsche Vorstellungen.
Unter den deutschen Giftnotrufen hat sich insbesondere die Münchener Giftnotrufzentrale seit Jahren intensiver
mit Vergiftungen durch Tiere beschäftigt und auch eine Datenbank zum schnellen Auffinden von Antisera im
mitteleuropäischen Raum aufgebaut. So soll dieser Übersichtsartikel zur allgemeinen Information über die
Symptomatik und die Therapie von Skorpionstichen dienen. Eine Datenbank zu Vergiftungen durch Tiere wird
vom Giftnotruf München derzeit aufgebaut und im Internet unter der Adresse www.toxinfo.org allgemein zur
Verfügung gestellt.
Identifizierung
eines Skorpions
Bei Skorpionen in Terrarien ist der genaue Name meist bekannt, obwohl auch hier Fehlbestimmungen
vorkommen können. Bei einem unbekannten Skorpion ist die Gattungsbestimmung nur durch den Fachmann
möglich und keinesfalls durch Vergleich mit Abbildungen oder Beschreibungen in entsprechenden Büchern. Da
deutsche oder englische Namen viele Verwechslungsmöglichkeiten bieten, ist nur die lateinische Bezeichnung
verläßlich. Oft gibt das Herkunftsland gewisse Hinweise, die nach einem Stichunfall in Zusammenhang mit der
Beobachtung der Symptome eine Zuordnung zu den möglichen Skorpiongattungen erlauben. Man muß aber
immer bedenken, daß von vielen Skorpionen noch keine Stichverletzungen berichtet wurden, es also auch zu
unerwarteten Verläufen kommen kann. Das öfter genannte Vorurteil, große Skorpione seien ungefährlich, trifft
nicht zu; viele der unten genannten gefährlichen Skorpione haben Größen um 10 cm und sind so nicht als klein
zu bezeichnen. Allerdings ist der besonders gut bekannte und mit bis zu 30 cm besonders große Kaiserskorpion
Pandinus imperator ungefährlich und verursacht
nur bienenstichartige Beschwerden, ebenso aber auch die weniger als 5 cm messenden europäischen EuscorpiusArten.
Als grobe Unterscheidungsmöglichkeit von ungefährlichen zu möglicherweise gefährlichen Skorpionen kann das
"Schwanz-Scheren-Verhältnis" herangezogen werden. Sind die beiden Greifzangen ("Scheren") des Skorpions
jeweils breiter ("kräftiger") als der mit dem Giftstachel versehene Schwanz, so kann man davon ausgehen, daß
die Art am Menschen keine bedeutsamen Symptome hervorrufen kann. Ist der Schwanz jedoch genauso kräftig
oder die Scheren sogar schmaler als jener, so handelt es sich möglicherweise um ein giftiges Exemplar
(Abbildung 1). Man kann sich als Eselsbrücke zu dieser Faustregel merken: Wer starke Scheren besitzt, ist auf
das Gift nicht angewiesen.
Allgemeines zu Skorpionen und
deren Giftigkeit
Man unterscheidet neun verschiedene Skorpionsfamilien mit zirka 1 500 Arten, davon neun in Europa. In
Deutschland kommen keine Skorpione vor, aber schon in Österreich, der Schweiz und Italien kann man die
harmlose Gattung Euscorpius finden. Die medizinisch gefährlichen Skorpione gehören fast ausschließlich der
Familie Buthidae an, wobei auch innerhalb dieser Gruppe nur etwa 15 Gattungen von medizinisch
epidemiologischer Bedeutung zu sein scheinen. Andererseits verursachen Skorpionstiche nach den
Schlangenbissen und Bienen- und Wespenstichen weltweit gesehen die meisten Erkrankungsfälle durch Tiergifte
(10). Allein in Mexiko starben innerhalb von zwölf Jahren 20 352 Menschen durch Skorpionstiche (13). Am
meisten gefährdet sind Kleinkinder und durch Alter oder Krankheit geschwächte Personen.
Allgemein läßt sich zur Vergiftungssymptomatik sagen, daß nach jedem Skorpionstich lokal am Verletzungsort
mehr oder weniger starke Schmerzen zu erwarten sind. Die Lokalsymptomatik beginnt gewöhnlich direkt nach
dem Stich und erreicht
oft schon nach fünf Minuten das Schmerzmaximum. Die Schmerzintensität ist bei ungefährlichen Arten einem
Wespenstich vergleichbar, erreicht aber bei den gefährlichen Arten starke bis stärkste Intensität und kann auch
über Tage anhalten.
Bei nur wenigen bisher bekannten Skorpionen werden durch das Gift schwere, ja lebensbedrohliche
Allgemeinsymptome verursacht, die meist schon innerhalb einer bis weniger Stunden die volle
Vergiftungssymptomatik zeigen.
Systemische Wirkungen nach dem Stich stark giftiger Skorpiongattungen betreffen immer das Herz-KreislaufSystem, den Gastrointestinaltrakt und bei manchen Gattungen zusätzlich das zentrale, periphere oder vegetative
Nervensystem, die Atmungsorgane und selten auch das Blutsystem und die Haut.
Im Folgenden wird die Symptomatik nach Skorpionstichen vorgestellt, wobei die Skorpione mit ähnlicher
Stichsymptomatik zusammen abgehandelt werden. Die verwendeten Bezeichnungen der Skorpione sind der
derzeit gängigen Taxonomie nach Schmidt entnommen (13, 14).
Stiche mit geringer Lokalsymptomatik ohne systemische Giftwirkung
Bei ungefährlichen Skorpionstichen wird der Schmerz und die übrige Lokalsymptomatik in der Intensität einen
Bienen- oder Hornissenstich nicht überschreiten und innerhalb von Stunden abklingen. In diesen Fällen kann
man mit Sicherheit davon ausgehen, daß keine weiteren Symptome mehr folgen werden. Lebensbedrohlich
können auch bei diesen harmlosen Gattungen in seltenen Fällen allergische Reaktionen gegen das Skorpiongift
verlaufen, entsprechend der Bienenstichallergie.
Viele der in deutschen Terrarien gehaltenen Tiere - vor allem die Gattungen Pandinus und Heterometrus - und
die mitteleuropäischen Euscorpius-Arten gehören zu dieser Gruppe. Therapeutisch sind außer verbaler
Beruhigung, der äußerlichen Wunddesinfektion mit Alkohol und der Überprüfung eines ausreichenden
Tetanusschutzes keine weiteren Maßnahmen und keine ärztliche Überwachung nötig.
Die häufig in Terrarien gehaltenen Skorpione dieser Gruppe sind in Tabelle 1 zusammengefaßt.
Stiche mit starker Lokalsymptomatik ohne Systembeteiligung
Gefährlicher sind Skorpione, deren Stich stark schmerzhaft ist und oft auch eine stärkere und länger anhaltende
Lokalreaktion verursacht. Aber auch diese zweite Gruppe ruft keine systemischen Symptome durch das Toxin
hervor. Leichtere Allgemeinsymptome wie Übelkeit, Schwindel, Kreislaufkollaps und Hyperventilation lassen
sich durch vegetative Reaktionen auf den starken Schmerz und durch Angstreaktionen erklären. Derartige
Skorpionstiche können den Urlauber bereits in Südeuropa treffen durch Buthus occitanus (vor allem in Spanien,
Südfrankreich, Griechenland). Wegen der manchmal sehr starken Schmerzen ist eine Überwachung in einem
Krankenhaus zu empfehlen. Außer der Schmerztherapie ist nur die allgemeine Therapie zu berücksichtigen. Die
entsprechenden Skorpiongattungen sind in Tabelle 2 mit Angabe des geographischen Vorkommens aufgeführt.
Stiche mit Schmerzen
und kardiovaskulärer Symptomatik
In der nächst gefährlicheren Gruppe werden bei einem Skorpionstich nach dem starken Lokalschmerz cholinerge
Rezeptoren und später durch Katecholaminfreisetzung adrenerge Rezeptoren stimuliert. Als systemische
Giftwirkung findet sich bei diesen Gruppen zuerst eine Tachykardie und Hypertonie, Extrasystolen und in
schweren Fällen später Hypotonie bis Schock durch Erschöpfung der Katecholaminspeicher. Bradykardie, AVBlockierungen, selten anfänglich Hypotonie, sind durch cholinerge Giftwirkungen verursacht. Als vegetative,
cholinerg verursachte Anfangssymptomatik findet sich oft Speichel-, Nasen-, Bronchial- und Tränenfluß und
gastrointestinale Symptome wie Übelkeit mit Erbrechen. Bei schweren Verläufen kann es zu Hyperthermie bis
über 41°C, aber auch Hypothermie kommen (8, 10).
Dieses Symptombild verursachen Skorpione aus der Gattung Bothriururs spp. (Südamerika, vor allem Brasilien,
Chile und Argentinien) und als wichtigste Vertreter die nordafrikanischen und vorderasiatischen Buthus-Arten,
insbesondere Buthus tunetanus (früher B. occitanus tunetanus), im Unterschied zum in Südeuropa
vorkommenden Buthus occitanus mit alleiniger Schmerzsymptomatik.
Wegen der möglichen schweren Symptomatik sollte jeder Skorpionstich dieser Gruppe mindestens einige
Stunden klinisch überwacht werden. Die kardiologischen Symptome sind gut behandelbar, wie es später unter
"Allgemeine Therapiehinweise" beschrieben ist. Als spezifische Antidote gibt es mehrere polyvalente Antiseren,
deren Wirksamkeit aber umstritten ist (7, 9, 15).
Stiche mit kardialer
und zentralnervöser Symptomatik
Die gefährlichsten Skorpione verursachen durch die große Menge freigesetzter Katecholamine nicht nur
lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Symptome, sondern durch Stimulierung des Zentralnervensystems auch
Erregung, Verwirrtheit und Krampfanfälle und bei der Gattung Centruroides auch extrapyramidale Symptome
mit oropharyngealen Dyskinesien und unwillkürlichen Extremitätenbewegungen. Zusätzliche peripher
neuromuskulär wirkende Toxinanteile können zu Muskelzuckungen, Muskelkrämpfen und Lähmungen führen.
Bei schweren Vergiftungen kommt
es in dieser Gruppe zu Herzinfarktzeichen im EKG mit Erhöhung der
CK-MB und zu einem kardial und seltener toxisch verursachten Lungenödem. Die gastrointestinale und
cholinerge Symptomatik entspricht der vorigen Gruppe (6, 10, 11).
Bei jedem Stichverdacht muß der Patient in den ersten Stunden ärztlich überwacht werden; kommt es in dieser
Zeit zu keinerlei Symptomatik, ist mit keiner Verschlechterung des Zustandes mehr zu rechnen. Die HerzKreislauf-Probleme sind rein symptomatisch zu behandeln (siehe "Allgemeine Therapiehinweise"). Gegen die
neurologische Symptomatik gibt es für Centruroides spp. und Tityus spp. gut wirkende Antiseren (3, 5).
Von den gefährlichen Skorpionen Nordafrikas und Vorderasiens gehören in diese Gruppe Buthacus spp., die
Gattung Hottentotta spp. und vor allem als wichtigste Vertreter Androctonus spp. und Leiurus quinquestriatus (4,
6, 11, 14). Weiterhin gehören hierher Parabuthus spp. (Südafrika bis Schwarzmeerküste), Mesobuthus spp. mit
M. tamulus (Indien), Centruroides spp. (Mittelamerika bis südliche USA) und die Gattung Tityus mit 100 Arten,
von denen sechs beim Menschen bekanntermaßen schwere Vergiftungen verursacht haben (4, 10). Selten sind
Stiche von Nebo hierochonticus, der zusätzlich schwere Blutgerinnungsstörungen verursacht (1), und von
Hemiscorpius spp. (Iran und Irak), der zusätzlich Hautnekrosen, eine dermale Vaskulitis und in der Hälfte der
Fälle eine schwere Hämolyse verursacht (12).
In Tabelle 3 sind alle Skorpione zusammengefaßt, die außer starken Schmerzen noch toxinverursachte
Symptome am Herz-Kreislauf-System und eventuell am Zentralnervensystem verursachen können. Angaben
zum Vorhandensein von Antisera und ihrer Indikation sind angefügt.
Allgemeine Therapiehinweise zu Skorpionstichen
Im Folgenden ist das therapeutische Vorgehen nach einem Skorpionstich zusammengefaßt, so daß man auch
gemäß der auftretenden Symptome ausreichende Therapiehinweise findet, wenn nicht bekannt ist, welcher
Skorpion gestochen hat.
1 Lokaltherapie: nach jedem Skorpionstich sollte die Wunde desinfiziert werden (Desinfektionsspray).
Chirurgische Inzision, Ausschneiden (ausgenommen bei Hemiscorpius-lepturus-Stichen) und alle anderen
Manipulationen sind kontraindiziert. Prophylaktische Antibiotikagabe empfehlen wir nicht. Auf intakten
Tetanusschutz ist zu achten. Beengende Gegenstände (zum Beispiel Ringe) sind zu entfernen, um
Durchblutungsstörungen im Falle einer Schwellung zu vermeiden. Treten starke Schmerzen auf oder ist mit
einem gefährlichen Stich zu rechnen, sollte das betroffene Glied immer auf einer Schiene ruhiggestellt werden.
Abbinden der betroffenen Extremität ist kontraindiziert, die venöse Kompressionsmethode ist normalerweise
nicht angezeigt.
1 Allergie: bei jedem Skorpionstich (auch bei ungefährlichen Skorpionen) ist die sehr seltene allergische
Reaktion möglich, die mit Antihistaminika und Prednisolon behandelt wird sowie mit Adrenalin in Bereitschaft
wegen der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks.
1 Ärztliche Beobachtung: Sobald stärkere Schmerzen in den ersten 30 Minuten nach dem Stich auftreten, sollte
der Patient immer mindestens vier bis sechs Stunden ärztlich überwacht werden, ob systemische
Vergiftungszeichen auftreten.
1 Schmerztherapie: Die Schmerzen nach einem Skorpionstich werden mit Schmerzmitteln (Paracetamol bis
Opiate) eventuell in Kombination mit einem Antiphlogistikum (zum Beispiel Ibuprofen) behandelt. Ist dies nicht
ausreichend, kann an eine Leitungsanästhesie mit Lokalanästhetika gedacht werden (wegen der adrenergen
Skorpiongiftwirkung keine adrenergen Zusätze verwenden).
1 Cholinerge Symptome: Atropintherapie sollte nur zurückhaltend eingesetzt werden, eventuell nur bei stärkerer
Bradykardie, da berichtet wird, daß die adrenerge Phase nach vorheriger Atropingabe mit größerer Heftigkeit
einsetzen kann (vor allem nach Mesobuthus-tamulus-Stichen in Indien) (2).
1 Cor: Nach Skorpionstichen
mit Herz-Kreislauf-Toxizität sollte der
Patient mit EKG-Monitor und häufigen Blutdruckkontrollen überwacht werden. Die Hypertonie sollte mit gut
steuerbaren vasodilatierenden Antihypertensiva behandelt werden, wie Ca2+-Antagonisten vom
Dihydropyridintyp, Nitraten und Alphablockern. In der Literatur sind vor allem Nifedipin, Nitrate, Hydralazin
als gut wirksam beschrieben (2, 6, 7); neuere Präparate wie Nitrendipin oder Urapidil als Alphablocker könnten
versucht werden.
Bei Bradykardie muß Atropin vorsichtig dosiert werden wegen des schnellen Umschlags in die adrenerge Krise
(2). Wegen des Angriffs einiger Skorpiontoxine am Na+- und auch K+-Kanal sollte man bei Rhythmusstörungen
mit QRS-Verbreiterung in Analogie zur Therapie der Psychopharmakavergiftungen als erstes durch Na+Infusion die Serumnatriumkonzentration heben und bei QT-Verlängerung neben der Serum-K+-Normalisierung
einen Therapieversuch mit Mg2+-Infusionen unternehmen.
1 Pulmo: Bei Lungenödem sollte zuerst eine ausreichende kardiale Therapie zur Normalisierung des Blutdruckes
und des peripheren Widerstandes erfolgen. Ist diese Therapie nicht ausreichend, sollte man sich frühzeitig zur
Intubation und PEEP-Beatmung entschließen, um auch ein toxisches Lungenödem ausreichend behandeln zu
können. Kortikoide können versucht werden.
1 Antisera: Die Indikation zur Antiserumgabe hängt sehr von der Skorpiongattung ab. Generell ist zu sagen, daß
alle Skorpion-Antiseren durch die Immunisierung von Pferden (selten Ziegen) gewonnen werden und somit die
Gefahr einer allergischen Reaktion auf das Fremdeiweiß von der Quaddelbildung über den anaphylaktischen
Schock bis zur Serumreaktion nach einigen Tagen besteht. Die vorausgehende Allergietestung (0,1 ml
Antiserum s.c. oder konjunktival) erlaubt keine sichere Vorsage, wie das Antiserum vertragen wird. Zur
Reduzierung allergischer Reaktionen können Kortikoide und Antihistaminika gegeben werden, die Kortikoide
eventuell für einige Tage zur Prophylaxe einer Serumkrankheit.
Ohne das Vorliegen deutlicher systemischer Symptome sollte nie ein Antiserum verabreicht werden (4). Um eine
sichere und schnelle Wirkung zu gewährleisten, sollten Antisera immer nur i.v. (meist als Kurzinfusion in
physiologischer Kochsalzlösung) gegeben werden (3).
Sicher indiziert sind die entsprechenden Antiseren nur bei Tityus- und Centruroidesstichen mit zentralnervöser
Symptomatik (4).
Die Wirksamkeit der Antiseren bei kardialer Symptomatik wird von etlichen Autoren bezweifelt; auch in diesen
Fällen ist eine gute medikamentöse Therapie vollkommen ausreichend (2, 15).
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-1710-1715
[Heft 25]
Literatur
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7. Gueron M, Reuben I, Sofer S: The cardiovascular system after scorpion envenomation. A review. Clin
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8. Ismail M, Abd-Elsalam MA, Morad AM: Do changes in bodytemperature following envenomation by the scorpions
Leiurus Quinquestriatus influence the
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10. Junghanss Th, Bodio M: Notfall-Handbuch Gifttiere. Stuttgart: Thieme 1996.
11. Radmanesh M: Androctonus crassicauda and its clinical study in Iran. J Tropical Med Hygiene 1990; 93:
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12. Radmanesh M: Clinical study of Hemiscorpion lepturus in Iran. J Tropical Med Hygiene 1990; 93: 327-332.
13. Schmidt G: Giftige und gefährliche Spinnentiere. Die neue Brehm-Bücherei, Band 608 WestaRP
Wissenschaften, Magdeburg 1993.
14. Schmidt G: Skorpione und andere
Spinnentiere. Landbuchverlag Hannover 1996.
15. Sofer S, Shahak E, Gueron M: Scorpion envenomation and antivenom therapy. J Pediatr 1994; 124 (6): 973978.
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Johann J. Kleber
Toxikologische Abteilung der
II. Medizinischen Klinik der
Technischen Universität München
Klinikum Rechts der Isar
Ismaninger Straße 22
81664 München
Tabelle 1
Skorpiongattungen, deren Stich nur leichte kurzanhaltende Schmerzen hervorrufen
Skorpiongattung Verbreitung Besonderes
Diplocentrus Südwestliche USA, Mittelamerika,
Westindische Inseln
Euscorpius Südeuropa, südliches Mittel- Häufig im Urlaub,
europa, Marokko, Vorderasien auch in Häusern!
Hadogenes Südliches Afrika, Madagaskar Häufig in Terrarien
Heterometrus Südasien Häufig in Terrarien,
häufig Anaphylaxie
beschrieben!
Opisthacanthus Afrika, Florida, Mittel- und Süd amerika, Westindische Inseln
Opisthophtalmus Südliches Afrika Häufig in Terrarien
Pandinus Afrika, Mittlerer Osten Häufig in Terrarien
Scorpio Nord- und Westafrika, Häufig in Terrarien
Mittlerer Osten
Tabelle 2
Skorpiongattungen, deren Stich heftige, meist langdauernde Schmerzen hervorrufen
Skorpiongattung Verbreitung Besonderes
Compsobuthus Nordafrika, Vorderasien bis Indien
Hadrurus Südwesten der USA, Mexiko Schmerzen strahlen
weit aus; sprüht Gift
über kurze Strecken!
Lychas Süd- und Ostafrika, Asien, Sehr starker Schmerz
Australien über 10 Stunden
Orthochirus Nordafrika, Vorderasien bis
Indien und China
Urodacus Australien
Uroplectes Zentral- und Ostafrika, Sehr starker Schmerz Ostindien für mehrere
Stunden
Vaejovis Westen Nordamerikas (bis
Alberta), Mittel- und nördliches
Südamerika
Buthus occitanus Südeuropa Außereuropäische Buthus occitanus
occitanus ssp. können stark giftig sein
Mesobuthus Östliches Süd- Außereuropäische Mesobuthus ssp.
gibbosus europa, Türkei können tödlich giftig sein
Tabelle 3
Skorpiongattungen, deren Stich Schmerzen, Herz-Kreislauf-Symptome und teils auch ZNS-Symptome
hervorrufen können
Gattungen Arten mit Vorkommen Schmerz Cholinerge Herzkreis- ZNS
Sonstiges Antiserum
beschriebener Symptome laufsystem
Symptomatik
Exist. Nötig
Androctonus aeneas; Nordafrika stark ausgeprägt sehr Erregung bis ja
nein
amoreuxi; Vorderasien ausgeprägt Krampfanfall
australis; eventuell
bicolor; Lähmung
crassicauda
Bothriurus Südamerika stark ? Hypertonie nein nein
Buthacus arenicola Vorderasien mittel ? Hypertonie behauptet
(ja) ?
Buthotus franzwerneri, Afrika, Asien stark ? behauptet behauptet
(ja) nein
judaica
=Hottentotta alticola; Asien stark ? nein nein nein
minax
Buthus tunetanus Nordafrika stark ja ausgeprägt nein ja nein
occitanus Südeuropa stark nein nein nein ja nein
Centruroides elegans; USA stark ausgeprägt ausgeprägt Verwirrtheit, ja
ja
exilicauda (Südstaaten) extrapyrami (=sculpturatus); Mittelamerika dalmotorische
limpidus sspp; Störungen
margaritatus;
noxius;
pallidiceps;
suffasus
vittatus USA leicht nein nein nein nein
Hemiscorpius lepturus Iran, Irak leicht ? leicht bis Erregung bis Vaskulitis,
nein
ausgeprägt Krampfanfall Haut nekrose,
Hämolyse
Leiurus quinques- Nordafrika, stark ausgeprägt sehr Erregung bis Pankrea ja nein
triatus Vorderasien, ausgeprägt Krampfanfall, titis
eventuell
Lähmung
Mesobuthus tamulus Indien stark ausgeprägt sehr ausgeprägt nein ja nein
gibbosus Östlicher mittel nein nein nein nein
Mittelmeer raum
Nebo hierochon- Vorderasien mittel ausgeprägt ausgeprägt ? Gerinnungs nein
ticus störung
Parabuthus capensis, Südafrika, stark ausgeprägt leicht Erregung bis
ja fragl.
granulatus; Ostafrika, Krampfanfall wirk liosoma; Vorderasien Muskel- sam
mossambi- bis schmerzen,
censis, Schwarzes Muskel transvaali- Meer krämpfe bis
cus; Muskel triradulatus; lähmung
truculentus;
' villosus
Tityus bahiensis; Mittelamerika stark ausgeprägt sehr Erregung bis Pankreatitis
ja ja
serrulatus; Südamerika ausgeprägt Krampfanfall bei T.
silvestris; Karibik trinitatis
stigmurus; (in 80 %)
trinitatis;
trivittatus
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