SUPPLEMENT: Perspektiven der Infektiologie
Helicobacter Pylori-Infektion: Wann testen und wie therapieren?


Neue S2k-Leitlinie: Die klassische Tripeltherapie wird weiterhin als Erstlinie empfohlen. Eine Quadrupeltherapie mit Wismut wurde als Alternative aufgenommen.
Leitlinien sollen auf der Basis der besten verfügbaren Evidenz einen Handlungskorridor zum Umgang mit einer Erkrankung aufzeigen. Angesichts sich wandelnder epidemiologischer Umstände, der sich ändernden Resistenzlage und der daraus resultierenden therapeutischen Implikationen sowie auch neuer Kenntnisse zur Indikation einer Keimeradikation ist in regelmäßigen Intervallen eine Anpassung von Leitlinien erforderlich. Vor diesem Hintergrund wurde die deutsche S3-Leitlinie „H. pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“ aus dem Jahr 2009 (1) aktualisiert und im April 2016 publiziert (2). Nachfolgend werden die wichtigsten Empfehlungen zur Diagnostik einer H. pylori-Infektion sowie zu Indikationen für eine Eradikationsbehandlung und deren Durchführung vorgestellt.
Epidemiologie
Die Prävalenz der H.-pylori-Infektion variiert stark zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern, verschiedenen Regionen (zum Beispiel: UK 13,4 %, Korea 80,8 %) und auch innerhalb einzelner Gesellschaften.
Innerhalb einer Population weist sie eine altersabhängige Zunahme (circa 1 % pro Lebensjahr in den Industrienationen) auf.
Die Prävalenz der H. pylori-Infektion in Deutschland liegt zwischen 3 % (Kinder) und 48 % (Erwachsene). Bei Frauen/Männern im Alter unter 30 Jahren liegt die Durchseuchungsrate bei 19–25 %, bei über 30-Jährigen bei 35–55 % und im Alter über 65 Jahre bei 69–90 %.
Die Infektion wird meist schon in der frühen Kindheit innerhalb der Familie erworben. Neuinfektionen oder Re-Infektionen nach erfolgreicher Eradikation sind im Erwachsenenalter selten.
Diagnostik
Die Diagnose einer aktuellen H. pylori-Infektion kann mit vergleichbarer Sensitivität und Spezifität durch nicht-invasive Tests (Harnstoff-Atemtest; Stuhl-Antigentest) oder invasive Methoden (Urease-Schnelltest; Histologie) gestellt werden.
In der Praxis gilt es jedoch, einige Besonderheiten zu berücksichtigen. So sind Atem- und Stuhltest bei Erwachsenen nicht für die Diagnostik, sondern nur zur Erfolgskontrolle der Eradikationsbehandlung zugelassen.
Auch werden für eine zuverlässige Diagnose der Infektion zwei positive Testergebnisse gefordert (Ausnahme: Ulkus duodeni).
Hingegen wird die alleinige Histologie mit Nachweis von H. pylori und einer chronisch-aktiven Gastritis als ausreichend betrachtet. Gleiches gilt für die Kultur, die indessen in der Praxis meist nur im Zusammenhang mit einer Resistenzbestimmung Anwendung findet.
Der Antikörpernachweis in Serum, Speichel oder Urin ist für die klinische Diagnostik ungeeignet.
Mögliche Störfaktoren bei der Diagnostik sind zu berücksichtigen. Falsch positive Urease-Tests können aus einer bakteriellen (nicht H. pylori) Überwucherung des Magens resultieren. Säurehemmung, eine obere gastrointestinale Blutung, Magenteilresektion und Mukosa-atrophie können ein falsch negatives Testergebnis bedingen.
Indikationen zur Eradikation
Tabelle 1 fasst auf einen Blick die Indikationen für eine Eradikation zusammen. Sie folgt dabei der Leitlinienterminologie und unterscheidet zwischen „Soll-“ (starke Empfehlung), „Sollte-“ (Empfehlung) und „Kann-Empfehlung“ (Empfehlung offen). Auch ist eine weitere Spalte hinzugefügt, in der gelistet ist, was nicht erfolgen sollten.
Bis zu 10 % der Patienten mit funktioneller Dyspepsie (Reizmagen) werden durch eine erfolgreiche Keimeradikation längerfristig beschwerdefrei (3, 4). Dies und die wenig erfolgversprechenden Alternativen waren die Basis für die Kann-Empfehlung.
Dagegen wird eine „Test-and-Treat“-Strategie für Deutschland vor dem Hintergrund der relativ geringen Durchseuchungsrate sowie der hohen Verfügbarkeit und der niedrigen Kosten einer Endoskopie explizit nicht empfohlen.
Neu ist in der aktualisierten Leitlinie auch die Soll-Empfehlung für eine Untersuchung auf H. pylori und, bei Nachweis, einer Eradikation bei Patienten, für die eine Dauermedikation mit Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder ASS ansteht, sofern sie eine Ulkusanamnese aufweisen.
Kommt es unter einer laufenden NSAR- oder ASS-Medikation zu einer gastroduodenalen Blutung, soll ebenfalls auf H. pylori untersucht und gegebenenfalls behandelt werden. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass bei Einnahme dieser Substanzen und gleich-zeitiger H. pylori-Infektion das Ulkusblutungsrisiko weiter ansteigt (5).
Therapie
Große Aufmerksamkeit bis in die Boulevardpresse hinein hat eine Ende 2015 publizierte Netzwerk-Metaanalyse zur Wirksamkeit der verschiedenen Eradikationsprotokolle gefunden (6). Danach hat die bislang übliche 7-tägige Tripeltherapie nur eine Erfolgsrate von 73 % – weniger als die in der Leitlinie (2) geforderten 80 %.
Die Therapieentscheidung hat zukünftig Risikofaktoren für eine primäre Clarithromycinresistenz zu berücksichtigen. Solche sind eine Herkunft aus Süd- oder Osteuropa und eine frühere Makrolidbehandlung. Abhängig von der Wahrscheinlichkeit einer Clarithromycinresistenz erfolgt die Therapiewahl gemäß Tabelle 2. Geeignete Therapieprotokolle sind in Tabelle 1 dargestellt.
Besonderheiten bei Kindern
Die Leitlinie enthält einen eigenen Themenkomplex, der auf die Vorgehensweise bei Kindern und Jugendlichen fokussiert. Zwei Aspekte seien genannt. So werden bei der Erstdiagnose immer auch Biopsien für die Resistenztestung entnommen. Demzufolge erfolgt schon die Erstlinientherapie antibiogrammgerecht.
Praxistipps
- Für eine Eradikationsbehandlung müssen eine Indikation vorliegen und der Nachweis der Infektion geführt sein.
- Keine Diagnostik ohne therapeutische Konsequenz!
- Die Eradikation richtet sich gegen die H. pylori-Infektion und bereits bestehende oder zukünftige (präventiv) assoziierte Erkrankungen.
- Wichtige Schritte zu einer erfolgreichen Eradikationsbehandlung sind:
‒ Aufklärung und Motivation des Patienten (Compliance ist entscheidend)
‒ Entscheidung für ein Therapieprotokoll unter Berücksichtigung möglicher Risikofaktoren für eine Clarithromycinresistenz (Tabelle 2)
‒ klare Instruktion, wie die Tabletten einzunehmen sind (je komplexer die Therapie, umso wichtiger)
- Eine Kontrolle des Eradikationserfolges ist, unabhängig von der Indikation zur Behandlung, anzustreben.
- Die Kontrolle erfolgt frühestens 4 Wochen nach einer Eradikationsbehandlung oder sonstigen antibiotischen Therapie beziehungsweise 2 Wochen nach Absetzen des PPI.
- Die Erfolgskontrolle erfolgt mittels Atem- oder Stuhltest oder im Rahmen einer Kontrollendoskopie, wenn diese aus anderen Gründen indiziert ist.
- Nach dokumentiertem Eradikationserfolg braucht es keine weiteren routinemäßigen Kontrollen.
- Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter sind zu berücksichtigen! ▄
DOI: 10.3238/PersInfek.2016.05.27.01
Prof. Dr. med. Wolfgang Fischbach
Medizinische Klinik II und Klinik für Palliativmedizin,
Klinikum Aschaffenburg, Akad. Lehrkrankenhaus der Universität Würzburg
Interessenkonflikt: Der Autor erhielt Beraterhonorare der Firmen Aptalis, Boehringer Ingelheim, Fresenius Biotech , MedUpdate, Norgine, Pfizer.
@Literatur im Internet
www.arzteblatt.de/lit2116
1. | Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, et al.: S3-guideline „helicobacter pylori and gastroduodenal ulcer disease“ of the German society for digestive and metabolic diseases (DGVS) in cooperation with the German society for hygiene and microbiology, society for pediatric gastroenterology and nutrition e.V., German society for rheumatology, AWMF-registration-no. 021/001. Z Gastreoenterol 2009; 47: 1230–63 CrossRef MEDLINE |
2. | Fischbach W, Malfertheiner P, Lynen Jansen P, et al.: S2k-Leitlinie H. pylori und gastroduo-denale Ulkuskrankheit. Z Gastroenterol 2016; 54: 327–63. |
3. | Zhao B, Zhao J, Cheng WF, et al.: Efficacy of Helicobacter pylori eradication therapy on functional dyspepsia. A meta-analysis of randomized controlled studies with 12-month follow-up. J Clin Gastroenterol 2014; 48: 241–7 CrossRef MEDLINE |
4. | Xu S, Wan X, Zheng X, et al.: Symptom improvement after helicobacter pylori eradication in patients with functional dyspepsia – a multicenter, randomized, prospective cohort study. Int J Clin Exp Med 2013; 6 : 747–56 MEDLINE PubMed Central |
5. | Sostres C, Carrera-Lasfuentes P, Benito R, et al.: Peptic Ulcer Bleeding Risk. The Role of Helicobacter Pylori Infection in NSAID/Low-Dose Aspirin Users. Am J Gastrroenterol 2015; 110: 684–9 CrossRef MEDLINE |
6. | Li BZ, Threapleton DE, Wang JY, et al.: Comparative effectiveness and tolerance of treatments for Helicobacter pylori: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2015; 351: h4052 CrossRef MEDLINE PubMed Central |