

Ende Mai ging in Hamburg der 119. Deutsche Ärztetag zu Ende. Das Ärzteparlament befasste sich diesmal maßgeblich mit der strittigen Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), einer besseren Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, der Reform der ärztlichen Weiterbildung sowie der Reform des Medizinstudiums (siehe Seite 250). Bei letzterem Thema votierten die Delegierten unter anderem für mehr Studienplätze und dafür, dass nicht nur die Abiturnote, sondern auch die psychosoziale Eignung für einen Studienplatz herangezogen wird.
Als Psychologischer Psychotherapeut wird man diese Beschlüsse interessiert zur Kenntnis nehmen und sich vielleicht über die Heranziehung von psychosozialen Kompetenzen für die Aufnahme des Medizinstudiums freuen. Forderungen zu ureigenen ärztlichen Belangen aufzustellen, würden die Delegierten eines Psychotherapeutentages indes gar nicht wagen. Anders die Ärzte, die sich oftmals mit viel mehr Selbstbewusstsein in die Belange anderer Heilberufe einmischen. So wurden auf dem vergangenen Ärztetag gleich drei Entschließungsanträge verabschiedet, die die Reform der psychotherapeutischen Ausbildung betreffen. Der Ärztetag fordert, dass bei der geplanten Ausbildungsreform „an unmissverständlichen Terminologien festgehalten wird“. Es dürfe daher nicht der Begriff „Psychotherapeut“ eingeführt werden, sondern die Bezeichnung „Psychologischer Psychotherapeut“ müsse erhalten bleiben. Durch einen neuen Studiengang dürfe es „nicht zur Ausgrenzung insbesondere der ärztlichen Psychotherapeuten kommen, ebenso wenig darf er die Qualität und Sicherheit der psychotherapeutischen Behandlung gefährden“.
Für eine weiterhin hohe Qualität und Sicherheit in der Psychotherapie werden natürlich weiterhin der Gesetzgeber, die Prüfungsämter, Approbationsbehörden und Kammern sorgen. Zudem ist zwar eine Approbation nach einem Hochschulstudium der Psychotherapie vorgesehen. Diese soll jedoch nicht zur Patientenversorgung berechtigen, sondern erst die anschließende fünfjährige Weiterbildung – das fällt in der Debatte gerne unter den Tisch.
Die Einführung eines Begriffs „Psychotherapeut“ müsste tatsächlich kritisch hinterfragt werden. Die Ärzte haben nicht unrecht damit, dass mit seiner Etablierung die ärztliche Psychotherapie noch mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden könnte als dies jetzt schon der Fall ist. Denn sie sind deutlich weniger in der Zahl als ihre psychologischen Kollegen und müssen immer wieder auf ihre besonderen Kompetenzen hinweisen – auch innerhalb der Ärzteschaft selbst, wo sie als relativ kleine Fachgruppe am Rande stehen. Schon mit der begrifflichen Abkürzung „Psychotherapeutenkammer“ statt der korrekten – aber viel zu langen – Bezeichnung „Kammer für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP)“ ist die Identität der ärztlichen Psychotherapeuten ein Stück weit verloren gegangen. Man sollte die Macht der Sprache nicht unterschätzen. „Die Fachgebiets- und Zusatzbezeichnungen sollten so gewählt werden, dass der Patient problemlos erkennen kann, wer ihm welche Leistung anbietet“, hat der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Dr. Dietrich Munz, gesagt. Das ist eine gute Intention. Klare und transparente Begriffe zu finden, die zudem den künftigen Psychotherapeuten, die sich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen spezialisieren, gerecht werden, wird indes nicht leicht sein.
Henrich, Wolfgang