POLITIK
Medizinischer Fakultätentag: Aufbruchstimmung


Der 77. Ordentliche Medizinische Fakultätentag beschäftigte sich in diesem Jahr in Würzburg vor allem mit neuen Forschungsstrukturen und dem kurz vor der politischen Abstimmung stehenden Masterplan Medizinstudium 2020.
Bei den medizinischen Fakultäten herrscht Aufbruchstimmung. Einen besonderen Fokus will die deutsche Hochschulmedizin in diesem Jahr auf die Gesundheitsforschung, die Weiterentwicklung des Medizinstudiums, die Qualitätssicherung der medizinischen Promotionen sowie die Medizininformatik richten. Dies kündigte Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer, Präsident des Medizinischen Fakultätentages (MFT), zur Eröffnung des 77. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages (oMFT) an, der vom 26. bis 27. Mai in Würzburg stattfand.
Kooperation wird dabei überall großgeschrieben: Kroemer verwies auf die mittlerweile sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, die sich in den letzten Jahren durch eine gute Kooperation von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an 55 Standorten sehr gut etabliert hätten. Auch Prof. Dr. med. Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, sieht hier eine „erstaunlich gute Entwicklung“. Er betonte aber gleichzeitig, dass auch weiterhin noch Brücken zwischen den Einrichtungen gebaut werden müssten, um langfristige und planungssichere Programme zu etablieren. Verstärkt müsse man sich künftig auch um Modellprojekte mit der Wirtschaft bemühen.
Dies ist auch ein Anliegen von Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium (BMBF). Er würdigte in Würzburg die inzwischen gewachsene Zusammenarbeit der Akteure in den Zentren. „Die Basis des Vertrauens ist geschaffen. Wenn weiterhin eine solche konstruktive Kooperation zwischen den verschiedenen Einrichtungen besteht, wird dies den Forschungsstandort Deutschland auch international stärken“, sagte er. Das Ministerium habe jetzt den Wissenschaftsrat gebeten, die Zentren hinsichtlich ihrer Effizienz sowie ihrer internationalen Strahlkraft zu begutachten, berichtete der Staatssekretär. Die Evaluation soll Mitte 2017 vorliegen. Gleichzeitig wies Schütte auf das auf Einladung seines Hauses geschaffene „Forum Gesundheitsforschung“ hin, das sich im November vergangenen Jahres konstituierte und dem auch der MFT angehört. Es soll einen systematischen und kontinuierlichen Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren in der Gesundheitsforschung ermöglichen und das BMBF beraten, erläuterte der Staatssekretär.
Begrüßt wurde von den Dekanen zudem die jüngst von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vorgesehene Fortführung der Exzellenzinitiative. Sie soll von den Regierungschefs von Bund und Ländern am 16. Juni beschlossen werden. „Noch sind die Förderrunden nicht in trockenen Tüchern“, warnte Schütte. Es wäre schade, wenn „kurz vor Toresschluss“ eine so gute Initiative wie die neue Exzellenzinitiative noch gefährdet wäre, sagte Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und hofft auf eine positive Entscheidung. Durch die laufende Exzellenzinitiative sei viel erreicht und eine neue Dynamik an den Universitäten angestoßen worden, erklärte sie.
Fokus Medizininformatik
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des MFT soll in diesem Jahr auf der Medizininformatik liegen. „Sowohl in der Krankenversorgung als auch in der Forschung sind noch viele Daten ungenutzt“, sagte Kroemer. „Wir könnten bessere Behandlungsstrategien finden, wenn wir diese zusammenführen und auswerten würden.“ Dazu seien intelligente Lösungsstrategien erforderlich, die über die einzelnen Standorte hinausgingen. Kroemer begrüßte in diesem Zusammenhang das Förderkonzept des BMBF zur Medizininformatik: „Es ist geeignet, solche Lösungen zu finden“, sagte der MFT-Präsident. Das Förderkonzept zur Medizininformatik, in dessen Fokus die Universitätskliniken stehen, hatte das BMBF im November 2015 erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Medizinstudium 2020
Mit Spannung erwarten die Medizinischen Fakultäten neben dem Beschluss der Exzellenzinitiative die politische Entscheidung zum angekündigten Masterplan Medizinstudium 2020, die in den nächsten Wochen fallen soll. Die Diskussionen um ihn spitzen sich derzeit zu. „Die grundsätzlich guten Gespräche mit Vertretern aus Politik und Ministerien sowie anderen Verbänden über eine Verankerung der Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium werden leider von Diskussionen zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium und zur Landarztquote überlagert, bedauerte Prof. Dr. med. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg. Der MFT begrüße die Anstrengungen der Politik, die Ausbildung der künftigen Ärzte weiterzuentwickeln. Es sei notwendig, die Curricula dahingehend zu überarbeiten, dass sie künftige Ärztegenerationen auf die geänderten Versorgungsstrukturen vorbereiten. „Vieles könnte auch mit der aktuellen ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) umgesetzt werden“, ist Frosch überzeugt. Als ein Beispiel führte er den verstärkten Praxisbezug und die Tätigkeit der Medizinstudierenden im ambulanten Bereich an. Beides könne unter der Schirmherrschaft der Universitäten gewährleistet werden. „Die Fakultäten, die die Verantwortung für die Ausbildung tragen, müssen auch die Kontrolle haben, wer welche Inhalte vermittelt“, betonte er.
Dr. Antje Beppel vom Bundesgesundheitsministerium warb um Verständnis für die wenigen Informationen, die derzeit zum Stand der Beratungen zum Masterplan nach außen dringen. „Wir haben Vertraulichkeit vereinbart bis alle Details geklärt sind“, sagte sie und verriet lediglich, dass ein Entwurf mit vielen konkreten Vorschlägen bereits vorliege. Dessen roter Faden weiche zudem von der ursprünglichen Gliederung ab. Abschließend diskutiert werden soll der Entwurf jetzt im Juni in der Kultusminister- und in der Gesundheitsministerkonferenz. „Dieser Prozess ist noch offen. Aber sicher ist: Es wird ein Paket geben.“ Gleichzeitig betonte Beppel die Notwendigkeit der Umsetzung des Masterplans: „Die medizinische Ausbildung ist derzeit gut, aber sie ist auf die Hochleistungsmedizin ausgerichtet“, bemängelte sie. Es müsse auch der Bereich der Grund- und Regelversorgung im Medizinstudium abgebildet sein.
Von der Notwendigkeit einer Reform des Medizinstudiums überzeugt ist Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Die rasante „Ambulantisierung“, die derzeit stattfinde, werde bei der Medizinerausbildung kaum berücksichtigt, beklagte er. Die Hochschulambulanzen spiegelten die allgemeine Versorgungssituation und die geläufigen Krankheitsbilder nicht ausreichend wider. „Die spätere Anwendung des hier Gelernten würde Übertherapie begünstigen“, meint der Allgemeinmediziner.
Gerlach offerierte beim Fakultätentag einen Kompromiss für den Masterplan: Die DEGAM, die sich immer für einen Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin im praktischen Jahr ausgesprochen habe, rücke von dieser Forderung ab. „Als sinnvollen Kompromiss könnten wir uns ein ambulantes Quartal in vertragsärztlichen Praxen in Verbindung mit einer mündlich-praktischen Prüfung im Fach Allgemeinmedizin im abschließenden Staatsexamen (M3) für alle Studierenden vorstellen“, erklärte Gerlach. Es sei der DEGAM dabei wichtig, dass ein ambulantes Quartal nicht ausschließlich in spezialisierten Hochschulambulanzen stattfindet. Dafür wäre die DEGAM mit der Streichung der derzeit obligatorischen, vierwöchigen Famulatur in hausärztlichen Praxen einverstanden. Eine Landarztquote indes lehnt auch die DEGAM ab: „Sie wäre eine Stigmatisierung des Fachs Allgemeinmedizin“, sagte Gerlach.
Studierende für mehr Freiheit
Myriam Heilani, stellvertretende Bundeskoordinatorin der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Ausbildung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd), forderte indes eine weitere Förderung der in den Modellstudiengängen bereits erprobten Verschränkung von praktischen und theoretischen Studienanteilen. Das Medizinstudium solle nach Ansicht der Studierenden alle Bereiche der ärztlichen Tätigkeit umfassen, also auch die ambulante und primärärztliche Versorgung, erklärte sie. Besonders eindringlich forderte sie mehr Freiheit im Medizinstudium: „Die Medizin ist das verschulteste Studium, das Sie finden“, rief die Medizinstudentin im sechsten Semester aus Frankfurt/Main den Dekanen zu. „Viele von uns empfinden das Studium als Korsett: Es gibt immer mehr Präsenzpflicht und obligatorische Praktika. Dies schnürt uns die Luft zum Atmen ab.“ Präferiert werde von den Studierenden eine Fokussierung auf ein Kerncurriculum. „Wir befürchten, dass der Masterplan nur heiße Luft ist und unser Studium zum Spielball von politischen Meinungen wird. Wir aber brauchen echte Reformen!“
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
PräsidiumsWahl
Bei den MFT-Wahlen zum Präsidium wurde Prof. Dr. med. Matthias Frosch (Würzburg) in seinem Amt als Präsidiumsmitglied für eine weitere Amtszeit bis 2019 bestätigt. Die beiden langjährigen Mitglieder, Prof. Dr. med. Annette Grüters-Kieslich (Berlin) und Prof. Dr. med. Joachim Thiery (Leipzig), schieden aus dem Präsidium aus. Neu ins Präsidium wählten die Dekane Prof. Dr. med. Kerstin Krieglstein (Freiburg) und Prof. Dr. med. Matthias Gekle (Halle). Sie sind bis 2019 im Amt.