ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2016Ethik: Gesundheit ist ein Menschenrecht
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Andreas Frewer, Heiner Bielefeldt (Hg.): Das Menschenrecht auf Gesundheit, transcript Verlag, Bielefeld 2016, kartoniert, 280 Seiten, 29,99 Euro
Andreas Frewer, Heiner Bielefeldt (Hg.): Das Menschenrecht auf Gesundheit, transcript Verlag, Bielefeld 2016, kartoniert, 280 Seiten, 29,99 Euro

Ein absolutes Recht auf Gesundheit kann es nicht geben, wohl aber ein Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit. Auch für Ärzte ist es ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, dass es überhaupt Menschenrechtsansprüche in diesem Gebiet geben kann. In dem Sammelband, der als erster Band einer Reihe „Menschenrechte in der Medizin“ gedacht ist, sind acht Beiträge zum Menschenrechtsansatz im Gesundheitswesen vereint.

Heiner Bielefeldt stellt Grundsatzüberlegungen vor, erläutert den Klärungsbedarf und das universelle Verständnis von Menschenwürde und -rechten sowie deren enge Beziehung zur Medizin. Untersuchungen zufolge ist der Wissensstand zu Menschenrechten und insbesondere zum Recht auf Gesundheit in der Ärzteschaft unzureichend, letzteres sei geradezu bestreitbar. Michael Krennerich erläutert die normativen Prinzipien und den Universalismus der Menschenrechte sowie ihre freiheitliche Orientierung, ausformuliert im Anspruch auf Respekt und Förderung der Autonomie jedes Menschen gerade in Fällen von Krankheit oder Behinderung. Ausdifferenziert werden spezifische Diskriminierungsverbote sowie die menschenrechtliche Gewährleistungsfunktion des Staates. Das Recht auf Gesundheit steht in engem Zusammenhand mit anderen Menschenrechten, wie denen auf Bildung, Sicherheit, Privatsphäre und Religionsfreiheit.

Andreas Frewer setzt das Menschenrecht auf Gesundheit in Bezug zur medizinischen Praxis; dabei werden Fragen der Forschung am Menschen und internationale Strategien zur Verbesserung gesundheitlicher Grundversorgung beleuchtet. Dazu gehört auch das Thema einer „universellen Gesundheitssicherung“, welches mehr umfasst als eine allgemeine Krankenversicherung.

Martina Schmidhuber analysiert die zunehmenden Einflüsse der Medizin auf Menschen und Gesellschaft im Sinne eines fortschreitenden Medikalisierungsprozesses. Sie stellt individuelle Perspektiven im Umgang mit Gesundheit, Krankheit und Leid in den Vordergrund. Der Beitrag von Caroline Welsh stellt provokativ die Gegenfrage: Brauchen wir womöglich ein Recht auf Krankheit? Ausgehend von dem literarischen Werk „Corpus Delicti“ von Juli Zeh (2009) – mit der Fiktion einer zukünftigen diktatorischen Gesundheitsgesellschaft – fordert sie angesichts der Ökonomisierung der Medizin, der Problematik des Datenschutzes, der Präventionsbemühungen und der Konsequenzen der Molekulargenetik, das Recht auf Gesundheit mit der Freiheit zum Kranksein stetig neu zu verhandeln, zu verteidigen und auch zu erstreiten. Stephan Heinrich Nolte

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