POLITIK
KBV-Versichertenbefragung: Patienten schätzen ihre Ärzte


Die Umfragewerte sind gut: Die Patienten vertrauen ihren Ärzten und schätzen deren Kompetenz. Gut die Hälfte der Befragten kann sich vorstellen, vor einem Facharztbesuch immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen.
Seit zehn Jahren befragt die Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Deutschen zu ihrer Zufriedenheit mit ihren niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Und seither fallen die Ergebnisse konstant gut aus. „Ich sehe das als einen Beleg dafür, dass die flächendeckende ambulante Versorgung hervorragend funktioniert“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Gassen, bei der Vorstellung der Ergebnisse der jüngsten Befragung am 30. August in Berlin. Gassen hat Grund zur Zufriedenheit: 91 Prozent der gut 6 000 Befragten erklärten, sie hätten ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt. 93 Prozent schätzen dessen fachliche Kompetenz als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Ebenso positiv fällt die Beurteilung der Freundlichkeit (96 Prozent) und der Verständlichkeit von Erklärungen (92 Prozent) aus.
Wichtig ist, dass der Arzt sich genügend Zeit nimmt
Allerdings ergaben zusätzliche qualitative Interviews von 25 Teilnehmern in sogenannten Fokusgruppen, die die Forschungsgruppe Patientenprojekte vertiefend durchführte, dass das gute Verhältnis zwischen Arzt und Patient leicht gestört werden kann, nämlich dann, wenn der Arzt sich nicht genügend Zeit für die Behandlung nimmt. „Es ist also wichtig, die Rahmenbedingungen für ärztliches Handeln so zu gestalten, dass diese intensive Betreuung auch weiterhin möglich ist“, folgerte KBV-Chef Gassen daraus. Dazu gehöre neben möglichst wenig Bürokratie und möglichst großer Therapiefreiheit auch ein angemessenes Honorar.
Beim Aufreger-Thema Wartezeiten antworteten 81 Prozent der Befragten, es habe ihnen nicht zu lange gedauert, bis sie einen Termin bekommen hätten. Das überrascht angesichts der politischen Diskussionen um zu lange Wartezeiten bei Facharztterminen, die im vergangenen Jahr in der gesetzlichen Vorschrift gipfelten, bei den Kassenärztlichen Vereinigungen Terminservicestellen einzurichten. Dabei haben sich die Zufriedenheitswerte von um die 80 Prozent über die Jahre hinweg kaum verändert.
Ob Wartezeiten kurz oder länger ausfallen, hängt der Umfrage zufolge insbesondere von der Dringlichkeit der Behandlung ab. Bei akuten Erkrankungen gebe es wesentlich häufiger keine oder nur kurze Wartezeiten auf einen Arzttermin als etwa bei Vorsorgeuntersuchungen. Eine Rolle spiele aber auch der Wohnort, die Arztgruppe und die Krankenversicherung. Privatpatienten kämen bei der Terminvergabe schneller zum Zug, heißt es im Ergebnisbericht.
In den Fokusgruppen meldete sich entgegen dem allgemeinen Trend eine größere Gruppe zu Wort, die mit den Wartezeiten auf einen Facharzttermin unzufrieden war. Obwohl der Umfrage zufolge Wartezeiten von mehr als drei Wochen eher die Ausnahme sind, berichteten einige Teilnehmer von wochen- oder monatelangen Wartezeiten. Auf Nachfrage präzisierten sie ihre Angaben: Längere Wartezeiten ergaben sich häufig beim Termin für eine Erstbehandlung, in ländlichen Regionen sowie in bestimmten Fachrichtungen wie Orthopädie, Dermatologie oder Augenheilkunde. Zum Teil bezog sich die Kritik auch auf die Terminvergabe für eine Vorsorgeuntersuchung mit geringer Dringlichkeit. Stand eine möglicherweise bedrohliche Diagnose noch aus oder litten die Teilnehmer unter Schmerzen, wurde die Wartezeit als besonders belastend beschrieben. Wartezeiten verlängerten sich auch, wenn eine komplexe Diagnostik unter Einbindung mehrerer Ärzte aus unterschiedlichen Fachrichtungen anstand.
Vielen kennen den ambulanten Bereitschaftsdienst nicht
„Natürlich gibt es Dinge, die zu verbessern sind“, sagte Gassen. Vielfach rührten längere Wartezeiten jedoch auch daher, dass Patienten zu einem bestimmten Facharzt wollten. „Dass dieser nicht alle immer sofort behandeln kann, liegt in der Natur der Sache“, erklärte der KBV-Vorsitzende. Er verwies zudem darauf, dass Ärzte und Krankenkassen derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss die Bedarfsplanung weiterentwickelten, um Engpässen in der Versorgung gegenzusteuern.
In diesem Zusammenhang räumte Gassen ein, dass es vielen Bürgern nicht bewusst sei, dass die niedergelassenen Ärzte auch außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten die ambulante Versorgung sicherstellten. Vielen sei auch die bundesweit einheitliche und kostenfreie Rufnummer für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst – die 116117 – nicht bekannt. Die Folge: Die Patienten suchen die Notfall-ambulanzen der Krankenhäuser auf, obwohl man ihr Gesundheitsproblem auch ambulant gut versorgen könnte. „Die Krankenhausambulanzen sind nicht für die Versorgung ambulanter Notfälle da“, erklärte KBV-Vorstand Dipl.-Med. Regina Feldmann. Eine Notfallbehandlung im Krankenhaus verursache im Vergleich zur Versorgung in der Praxis etwa die dreifachen Kosten. „Das kann man nicht der Wahl des Patienten überlassen“, meinte Feldmann. Hier müsse die Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor dringend verbessert werden.
Die KBV-Versichertenbefragung bestätigt indirekt, dass die Deutschen bei der Zahl der Arztbesuche im internationalen Vergleich mit an der Spitze stehen. Danach haben 85 Prozent der 18- bis 79-Jährigen in den letzten zwölf Monaten einen niedergelassenen Arzt aufgesucht. Der Wert hat sich der KBV zufolge seit Beginn der Versichertenbefragungen im Jahr 2006 praktisch nicht verändert. Als Hauptgrund für den letzten Praxisbesuch nannten 50 Prozent der Befragten ein akutes Problem wie Schmerzen oder Grippe. 21 Prozent der Patienten suchten den Arzt wegen anhaltender Beschwerden oder einer chronischen Erkrankung auf. Ähnlich wie in früheren Jahren gingen 24 Prozent wegen Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen zum Arzt.
Die KBV wollte bei ihrer Versichertenbefragung auch wissen, wie die Bürger über andere Formen der Versorgungssteuerung denken. Die Körperschaft hatte sich in ihrem Positionspapier „KBV 2020“ dafür ausgesprochen, spezielle Versicherungstarife für diejenigen Patienten vorzusehen, die sich verpflichten, immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen. Dabei setzt sie auf freiwillige Lösungen. Das scheint auch den Befragten entgegenzukommen. So fände es gut die Hälfte der Teilnehmer (54 Prozent) grundsätzlich sinnvoll, bei gesundheitlichen Problemen immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen. Wenn eine solche Verpflichtung jedoch den Beitrag zur Krankenversicherung spürbar senken würde, wären 65 Prozent der gesetzlich Versicherten dazu bereit.
Die Befragung zeige, dass viele Patienten sich in der Versorgung auf Koordinierungsmodelle einlassen würden und die KBV mit ihren Vorschlägen dazu auf dem richtigen Weg sei, erklärte deren Vorstand Feldmann. Denn nach dem KBV-Konzept bleibe die freie Arztwahl der Patienten erhalten.
Heike Korzilius
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