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Bundesverfassungsgericht: Gesetzeslücken bei der Zwangsbehandlung


Die gesetzlichen Regeln zur ärztlichen Zwangsbehandlung psychisch Kranker müssen nachgebessert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (Az.: 1 BvL 8/15). Seit 2013 regelt das Bürgerliche Gesetzbuch, in welchen Fällen sie gegen ihren Willen behandelt werden dürfen. Eine Voraussetzung ist, dass sie in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht sind. Nicht zwangsbehandelt werden können deshalb bettlägerige Patienten, die in einer normalen Klinik liegen. Diese Lücke ist laut BVerfG „unverzüglich zu schließen“. Übergangsweise erlauben die Verfassungsrichter die Zwangsbehandlung auch dieser Menschen.
Die Verfassungsrichter begründen ihre Entscheidung mit staatlichen Schutzpflichten. „Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen“, heißt es in ihrem Beschluss. In gravierenden Fällen könne das auch bedeuten, dass in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen werden darf. Grundvoraussetzung ist, dass „kein freier Wille“ vorhanden ist. Wie die Lücke geschlossen wird, ist dem Gesetzgeber freigestellt.
Die Patientin, wegen der die Regeln überprüft wurden, ist inzwischen gestorben. Sie hatte in der Vergangenheit in einer geschlossenen Demenzstation schon einmal zwangsweise Medikamente bekommen, nachdem sie nichts mehr essen wollte und Suizidabsichten geäußert hatte. Dann erkrankte sie an Brustkrebs. Die Frau lehnte eine Behandlung ab. Weil sie zu diesem Zeitpunkt schon so schwach war, dass sie sich nicht mehr ohne Hilfe fortbewegen konnte, war eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie nicht möglich. Der Betreuerin gelang es deshalb nicht, vor den Gerichten eine Zwangsbehandlung durchzusetzen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte allerdings verfassungsrechtliche Bedenken und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor. dpa