ArchivDeutsches Ärzteblatt35-36/2016Computergestützte Medizin: Der Computer als Wegweiser bei der OP

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Computergestützte Medizin: Der Computer als Wegweiser bei der OP

Beerheide, Rebecca

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In Leipzig entwickeln Ärzte, Ingenieure und Informatiker neue Assistenztechniken für den Operationssaal. Die Technik soll Chirurgen und Anästhesisten bei Entscheidungen unterstützen.

Interessiert an der neuen Technik: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit der sächsischen Staatsministerin für Soziales, Barbara Klepsch (CDU), folgen den Ausführungen von ICCAS-Vizedirektor Thomas Neumuth. Foto: dpa
Interessiert an der neuen Technik: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit der sächsischen Staatsministerin für Soziales, Barbara Klepsch (CDU), folgen den Ausführungen von ICCAS-Vizedirektor Thomas Neumuth. Foto: dpa

Die Scheinwerfer an der Decke wechseln Farbe und Richtung, sobald der Arzt ein Endoskop vom Tisch nimmt. An einem Bildschirm hinter ihm schlägt die Software wie ein Navigationsgerät im Auto die nächsten Schritte bei der OP vor, auf einem weiteren Bildschirm sind die Daten des Patienten in Echtzeit immer fest im Blick. Der Konzept-Operationssal im Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) an der Universität Leipzig zeigt, was künftig in der computergestützten Medizin möglich sein wird: Wie ein Navigationssystem dirigiert die Technik Ärztinnen und Ärzte aus allen operativen Fächern, Anästhesisten und Klinikpersonal durch eine Operation, die Software reagiert auf jede neue Situation, zeigt Verfahrensvorschläge an und stellt die Arbeitsabläufe für alle sichtbar am Bildschirm dar. Arbeitsabläufe im OP sollen so präzise und effizient gestaltet werden können, der Stress-level soll reduziert werden.

Die Technik verspricht mehr Patientensicherheit und damit Verbesserungen in der Versorgung. „Natürlich hat der Arzt am Ende die Entscheidungshoheit. Das System soll ihm bestmöglich assistieren“, erklärt Prof. Dr. med Andreas Melzer, Geschäftsführender Direktor des ICCAS die Technik, die seit zehn Jahren am Institut interdisziplinär entwickelt wird. Melzer, der auch eine Professur für computerassistierte Chirurgie an der Uni Leipzig hält, berichtet bei einem Besuch von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in Leipzig über die bisherigen Erfolge, über die Partnerschaft mit vielen Medizintechnik-Unternehmen aus Deutschland und 13 weiteren Ländern, über wissenschaftliche Kooperationen mit dem Uniklinikum Leipzig, dem Herzzentrum Leipzig sowie dem dortigen Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.

Kooperation auf allen Ebenen

Ebenso gibt es die Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Instituten in Bremen, St. Ingbert, Dresden, Erlangen und Mannheim. Gemeinsam wird an medizintechnischen Geräten geforscht, die später als intelligente Assistenzsysteme für die OP eingesetzt werden können.

Am Forschungszentrum sind insgesamt 64 Mitarbeiter beschäftigt. Ärzte, Ingenieure und Informatiker arbeiten auf jeder Ebene Hand in Hand: In der Leitung und in den Gremien des Instituts sind alle drei Fachbereiche vertreten, bei der Entwicklung der Technik sowie bei der Forschung und Lehre ebenso. Die Module „Computer Assisted Surgery“ werden nicht nur im Medizinstudiengang angeboten, auch im Masterstudiengang Informatik der Uni Leipzig stehen sie im Curriculum. Da die Uni Leipzig keine eigenen Ingenieurs-studiengänge hat, setzt das ICCAS auf die Kooperation mit der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), die ebenfalls Kurse zur Systemtechnik anbietet. In diesem Jahr wird zusätzlich die dritte „Digital Operation Room Summer School“ stattfinden.

Der Version, ein „chirurgisches Cockpit“ und damit ein intelligentes Assistenzsystem für den gesamten Ablauf der Operation zu entwickeln, sind die Wissenschaftler schon sehr nahe gekommen: Am ICCAS geht man davon aus, dass die aus den Projekt- und Forschungsergebnissen entwickelten Geräte in den kommenden drei bis fünf Jahren für Kliniken verfügbar sein werden. Das Managementsystem „oncoflow“ ist im Tumorboard des Uniklinikum Leipzig seit drei Jahren im Einsatz.

ICCAS wurde 2005 im Rahmen der Innovationsinitiative „Unternehmen Region“ für die neuen Länder des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als ein Zentrum für Innovationskompetenz gegründet. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie die Siemens AG gehören zu den Förderern. Nach eigener Darstellung wurden seit Gründung rund 28,6 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben.

Rebecca Beerheide

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