ArchivMedizin studieren2/2016Masterplan Medizinstudium 2020: Noch verwaschen

Politik

Masterplan Medizinstudium 2020: Noch verwaschen

Richter-Kuhlmann, Eva

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Der Masterplan Medizinstudium 2020 nimmt nur schwach Kontur an: Die Gesundheitsministerkonferenz beschloss im Sommer zwar eine Quartalisierung des praktischen Jahres mit einem Pflichtteil in der ambulanten Medizin, Details stehen aber aus.

Foto: dpa [m]
Foto: dpa [m]

Bereits im Koalitionsvertrag bekundete die Bundesregierung ihren Willen zu einem „großen Wurf“ bezüglich der Weiterentwicklung des Medizinstudiums. Der Masterplan Medizinstudium 2020 soll dem Vernehmen nach etwa 40 Maßnahmen umfassen. Details sind aber auch jetzt nach der Sommerpause noch nicht bekannt. Kurz vor dieser öffnete die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) die Tür zumindest einen Spaltbreit und ließ einen ersten Blick auf die Eckpunkte des Masterplans zu: So soll künftig das praktische Jahr (PJ) in vier Abschnitte zu je drei Monaten geteilt und auf diese Weise ein verpflichtendes Quartal in der ambulanten Versorgung eingeführt werden. Dieses müssen die Studierenden zwar nicht in der Allgemeinmedizin absolvieren, obligatorisch soll künftig für alle jedoch nach dem PJ eine Prüfung (M3) in der Allgemeinmedizin sein. „Dann kann man sich ja vorstellen, wo es sinnvoll ist, das ambulante Quartal zu absolvieren“, sagte die Hamburger Senatorin für Gesundheit, Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), im Anschluss an die GMK am 30. Juni in Rostock-Warnemünde.

Mit ihrem Beschluss folgte die GMK damit offensichtlich in weiten Teilen den Vorschlägen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). Diese hatte erst vor wenigen Wochen beim Medizinischen Fakultätentag in Würzburg als Kompromiss vorgeschlagen, den zuvor von ihr geforderten PJ-Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin zu streichen und durch ein ambulantes Quartal in vertragsärztlichen Praxen in Verbindung mit einer mündlich-praktischen Prüfung im Fach Allgemeinmedizin im Staatsexamen (M3) für alle Studierenden zu ersetzen. „Die DEGAM hat bewusst Brücken gebaut und sich aktiv für sachgerechte Kompromissformulierungen im Masterplan eingesetzt“, sagte Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Präsident der DEGAM, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt Medizin studieren. „Wir sind im Interesse einer besseren, breiteren und versorgungsadäquateren Ausbildung sowie der dringend notwendigen gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung froh, dass sich die Vernunft am Ende durchzusetzen scheint.“

Wie die „vernünftige Entscheidung“ konkret aussieht, ist noch unklar. Offen ist derzeit auch noch, ob im Masterplan eine Landarztquote für Bewerber auf Plätze für das Medizinstudium verankert werden soll. Die Gesundheitsminister zumindest halten an dieser Forderung fest. Die 16 Minister sprachen sich in Rostock dafür aus, dass jedes Land die Option haben soll, eine eigene Landarztquote einzuführen. Auch die Höhe der Quote wollen sie sich offen halten.

Dass die Debatte um die Quote immer noch nicht vom Tisch ist, bedauert unter anderem der Medizinische Fakultätentag (MFT): „Die Landarztquote halten wir – egal ob bundesweit oder nur auf der Ebene einzelner Länder – für das falsche Instrument“, sagte Dr. rer. soc. Frank Wissing, Generalsekretär des MFT, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt Medizin studieren. „An dem eigentlichen Problem der fehlenden Anreize in den derzeitigen Strukturen unseres Gesundheitssystems ändert das wenig. “

Auch die Studierenden zweifeln an der Sinnhaftigkeit einer Landarztquote: „In anderen Ländern sind ähnliche Maßnahmen bereits gescheitert – die Landärzte selbst beklagten einen hohen Imageverlust“, erklärte Sukhdeep Arora, Präsident der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd). Daneben sieht die bvmd Schwierigkeiten in der länderspezifischen Umsetzung. „Die unterschiedlichen Vorabquoten machen das Zulassungsverfahren nur noch komplizierter“, so Arora. Zudem sei es „eine Zumutung“, jungen Menschen nach der Schule abzuverlangen, sich für eine Tätigkeit als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu verpflichten.

Geduld mahnt auch Moritz Völker an, Sprecher der Studierenden im Hartmannbund: „Wir haben immer gesagt, dass wir eine Stärkung der ambulanten Medizin im Studium für sinnvoll erachten, aber nicht durch weitere Verpflichtungen. Es sollte erst einmal abgewartet werden, ob die bereits eingeführten Maßnahmen, wie zum Beispiel die hausärztliche Famulatur, Früchte tragen“, sagte er. „Wir fordern alle am Prozess Beteiligten auf, die einhellig vorgetragenen Bedenken und konstruktiven Alternativvorschläge der Medizinstudierenden zu berücksichtigen und die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zu überprüfen“, betonte Völker.

Ähnlicher Ansicht sind auch die Medizinstudierenden im Marburger Bund: „Studieninhalte müssen aus sich heraus begründet sein, weil es die Medizin erfordert, und nicht, weil eine Fachgruppe besonders laut nach ärztlichem Nachwuchs ruft“, sagte Stephanie Weber, Vorsitzende des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund. Sollten die Beschlüsse Wirklichkeit werden, bliebe nur noch ein dreimonatiger Wahlabschnitt im PJ zur freien Verfügung und damit kaum ausreichend Zeit, um eigenen fachlichen Interessen nachzugehen.

Foto: privat
Foto: privat

Ein ambulantes Wahlquartal verhindert zumindest ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin. Es lässt sich auch besser für die Fakultäten und Studierenden umsetzen. Viele Details müssen aber noch geklärt werden, damit das PJ tatsächlich für die Studierenden besser wird. So ist es sehr relevant, ob als ambulante Ausbildungsorte auch die Hochschulambulanzen und die Rettungsstellen anerkannt werden. Zudem fordern wir eine faire Aufwandsentschädigung sowie mehr Zeit für Selbststudium und Lehre im PJ.

Sukhdeep S. Arora, bvmd-Präsident

Foto: privat
Foto: privat

Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz ist eine große Enttäuschung. Anstatt den Studierenden mehr Freiraum zu geben, wird die Wahlfreiheit weiter beschränkt. Stipendienprogramme und andere Maßnahmen können viel mehr bewirken als ein neuer ambulanter Pflichtabschnitt im PJ in Verbindung mit einer M3-Prüfung Allgemeinmedizin. Diese Politik auf Zuruf der DEGAM ist ein klares Misstrauensvotum gegen die Medizinstudierenden.

Stephanie Weber, Vorsitzende des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund

Foto: privat
Foto: privat

Dass ein Pflichtabschnitt in der Allgemeinmedizin scheinbar vom Tisch ist, freut uns. Auch die Ankündigung, dass PJ-Quartale eingeführt werden sollen, ist für die Medizinstudierenden im Hartmannbund eine gute Nachricht. Wir versprechen uns dadurch mehr Wahlfreiheit. Besorgt und verärgert sind wir jedoch, dass uns diese Freiheit im gleichen Zuge durch die Einführung eines PJ-Pflichtquartals in der ambulanten Versorgung wieder genommen werden soll.

Moritz Völker, Vorsitzender des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote