ArchivDeutsches Ärzteblatt39/2016Selbstverwaltungsgesetz: Handlungsfreiheit bewahren

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Selbstverwaltungsgesetz: Handlungsfreiheit bewahren

Maibach-Nagel, Egbert

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Egbert Maibach-Nagel, Chefredakteur
Egbert Maibach-Nagel, Chefredakteur

Der Referentenentwurf für das „Gesetz zur Stärkung der Handlungsfähigkeit und Aufsicht über die Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der GKV“ liegt vor. Damit hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aufgezeigt, dass Ressortchef Hermann Gröhe (CDU) die Mitte des Jahres an die Öffentlichkeit gelangten Eckpunkte zum Gesetzesvorhaben sehr weitgehend umsetzen will.

Der Plan ist, dem BMG als Dienstaufsicht und den Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane verstärkte Kontrolle gegenüber Vorständen und Verwaltung zu verschaffen und für „mehr Transparenz“ zu sorgen, heißt es im Entwurf. Dafür sieht das Ministerium eine Fülle von Maßnahmen vor: zum Beispiel erleichterte Abwahlmöglichkeiten der Vorsitzenden der Vertreterversammlungen, erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheiten zur Wahl von Vorstandsvorsitzenden, erweiterte und detaillierte Berichtspflichten, mit spezifischer Weisung einsetzbare Personen zur Offenlegung von Verwaltungsvorgängen, aber auch die Verhängung von millionenschweren Zwangsgeldern.

Die Betroffenen, also Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Gemeinsamer Bundesausschuss, der Spitzenverband Bund und der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen, haben ihre Kritik am Vorgehen bereits nach Veröffentlichung der beiden Eckpunktepapiere geäußert. Befürchtet wird insbesondere, dass die geplanten Maßnahmen nicht nur die rechtliche Aufsicht verschärfen, sondern auch fachliche Einwirkungsmöglichkeiten generiert werden, die das Prinzip Selbstverwaltung infrage stellen.

Festgemacht wird das Paket als notwendige Reaktion auf Vorgänge, die in der Amtszeit des ehemaligen KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. med. Andreas Köhler lagen. Stellt sich die Frage, ob es ein Gesetz braucht, um Selbstverwaltungsmechanismen aufsichtlich in den Griff zu bekommen. Gröhe selbst hat sich während seiner Amtszeit immer wieder ausdrücklich gerade auch zur ärztlichen Selbstverwaltung bekannt. Insofern ist das beabsichtigte Gesetz sicherlich nicht das Arbeitsgebaren eines Bundesgesundheitsministers, wie ihn das Gesundheitswesen bisher kennengelernt hat.

Unter einigen von Gröhes Vorgängern war bekannt, dass die ärztlichen Selbstverwaltungsorganisationen für die Gesundheitsministerien längst nicht immer das freundlich-willkommene Gegenüber darstellten. Insbesondere unter der letzten SPD-besetzten BMG-Ressortführung waren die Kassenärztlichen Vereinigungen der damaligen Ministerin Ulla Schmidt mehr als ein Dorn im Auge. Tempi Passati? Wirklich Schluss mit der Ideologie der Freiberuflichkeit, die die Ministerin damals so störte?

Minister Hermann Gröhe hat sich nicht ohne Grund immer wieder zum Prinzip der Selbstverwaltung bekannt. Und mit aufmerksamem Blick dürfte auffallen, dass genau das, was die Heilberufe in Eigenregie zum Gesundheitswesen in Deutschland beitragen, beachtlich ist und sowieso von keinem anderen übernommen werden kann. Es gilt immer wieder als bewährtes Muster für viele andere in der Welt.

Ein weitgehend selbstverwaltetes Gesundheitssystem ist eine bewusste politische Entscheidung, die aber auch durchgehalten werden muss. Um handlungsfähig zu bleiben, braucht es größtmögliche fachliche Gestaltungsfreiheit. Braucht man dazu wirklich so etwas wie eine „Lex Köhler“?

Egbert Maibach-Nagel
Chefredakteur

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