ArchivDeutsches Ärzteblatt40/2016Gesundheitsreport: Ärztemangel, Kostendruck und Arbeitsverdichtung

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Gesundheitsreport: Ärztemangel, Kostendruck und Arbeitsverdichtung

Osterloh, Falk

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Der gute Ruf des deutschen Gesundheitswesens bestätigt sich. Die überwiegende Mehrzahl von Ärzten und Patienten beurteilen es als gut oder sehr gut. Es gibt jedoch auch Probleme.

Patienten und Ärzte beurteilen das deutsche Gesundheitssystem insgesamt positiv. Das geht aus dem MLP Gesundheitsreport 2016 hervor, für den das Institut für Demoskopie Allensbach 512 Ärzte und 1 920 Bürger befragte. 93 Prozent der Ärztinnen und Ärzte beurteilten demnach die Gesundheitsversorgung in Deutschland alles in allem als gut oder sehr gut sowie 82 Prozent der Bürger.

Dennoch gibt es auch Probleme. Als gravierend betrachtet Prof. Dr. rer. pol. Renate Köcher, die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie, das Fortschreiten des Ärztemangels. „Wir haben einen deutlich wachsenden Anteil von niedergelassenen Ärzten, die von einem regionalen Ärztemangel berichten“, sagte sie bei der Präsentation des Reports Ende September in Berlin. So erklärten 31 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte, dass es in ihrer Region einen Ärztemangel gebe. Im Jahr 2010 waren es noch 22 Prozent. Gestiegen ist der Ärztemangel vor allem in Westdeutschland. Berichteten vor sechs Jahren 18 Prozent der Niedergelassenen aus Westdeutschland von einem Ärztemangel, waren es in diesem Jahr 29 Prozent. In Ostdeutschland machten 45 Prozent der niedergelassenen Ärzte diese Angabe – 2010 waren es noch 48 Prozent. Problematisch sei die Situation vor allem in Orten mit weniger als 100 000 Einwohnern, erklärte Köcher. Städte mit mehr als 750 000 Einwohnern hätten hingegen weniger Probleme.

Auch Krankenhausärzte spüren die Auswirkungen des Ärztemangels. 46 Prozent von ihnen gaben an, dass sie mehr Patienten behandeln müssten als in der Vergangenheit. Dabei machten 51 Prozent der Ärzte aus Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung diese Angabe und 38 Prozent aus Häusern der Schwerpunkt- und Maximalversorgung. Zudem hätten drei Viertel der befragten Ärzte angegeben, die Belastungen ihres Berufes seien in den letzten Jahren gestiegen, sagte Köcher. Als Gründe hätten sie nicht nur die unzureichende Personalausstattung bezeichnet, sondern auch den zunehmenden Verwaltungsaufwand. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Ärzte sagen, durchschnittlich knapp ein Drittel ihrer Zeit entfalle auf Verwaltungstätigkeiten“, betonte Köcher.

Unterschiedliche Unterstützung der Ärzte für einzelne Reformmaßnahmen
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Unterschiedliche Unterstützung der Ärzte für einzelne Reformmaßnahmen

Als problematisch wird auch der ökonomische Druck gesehen, der im System herrscht. So gaben
44 Prozent der befragten Ärzte an, sie hätten schon einmal aus Kostengründen auf Behandlungen ganz verzichten müssen, die in ihren Augen aus medizinischer Sicht angeraten gewesen wären. Vor zwei Jahren waren es noch 37 Prozent. Gestiegen ist der ökonomische Druck vor allem im Krankenhaus. Mussten 2014 noch 27 Prozent der Krankenhausärzte aus Kostengründen auf eine Behandlung verzichten, waren es in diesem Jahr 44 Prozent. Bei den Niedergelassenen sank der Anteil derjenigen, die diese Frage bejahten, von 49 Prozent im Jahr 2014 auf 42 Prozent in diesem Jahr. Durch den Kostendruck sehen 61 Prozent der befragten Ärzte ihre Therapiefreiheit infrage gestellt. In der Bevölkerung spiegelt sich das Empfinden der Ärzte: 40 Prozent der befragten Bürger gaben an, schon einmal das Gefühl gehabt zu haben, dass ihnen aus Kostengründen eine Behandlung oder ein Medikament vorenthalten wurde.

Falk Osterloh

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