THEMEN DER ZEIT
Organspende und Transplantation: Eine gemeinsame Aufgabe
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Transplantationsregister, Strukturänderungen, neue Qualifizierungen – in der Transplantationsmedizin herrscht Aufbruchstimmung. Im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation im November ziehen Beteiligte Bilanz.
Die Zahl der postmortalen Organspender ist in den Jahren 2010 bis 2013 um ein Drittel zurückgegangen, konkret von 1 296 auf 876 Spender. Seitdem stagnieren die Spenderzahlen auf diesem niedrigen Niveau. Allgemein werden immer wieder die Manipulationen an den Wartelisten beziehungsweise der Allokationsskandal (häufig als „Transplantations“-Skandal bezeichnet) als Ursachen benannt. Dieser wurde aber erst im Sommer 2012 publik – zu einem Zeitpunkt, als die Spenderzahlen bereits um zehn Prozent zurückgegangen waren (Grafik 1).
Schon vor dem Allokationsskandal war aus Kreisen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) auf den Rückgang der Spenderzahlen hingewiesen worden. Als mögliche Ursachen wurden Strukturmängel bei der DSO sowie in den Entnahmekrankenhäusern angeführt, ferner ökonomischer Druck (fehlende Abdeckung der Vorhaltekosten für die Organentnahme), aber auch Unsicherheiten bezüglich der seinerzeit anstehenden Novellierung des Transplantationsgesetzes (TPG).
Die durch den Allokationsskandal angestoßenen Auditierungen der Transplantationszentren und darauf basierende Analysen des Transplantationssystems in Deutschland zeigten, dass erhebliche Struktur-, Qualifikations- und Qualitätssicherungsdefizite im Transplantationsbereich bestehen. Zusammen machten sie deutlich, dass eine grundlegende Überarbeitung der Transplantationsmedizin in Deutschland erforderlich war und ist. Umfragen unter Medizinern und Pflegepersonal in Krankenhäusern offenbarten ein erhebliches Informationsdefizit zur Organspende und Transplantation, gepaart mit einer relativ hohen Ablehnung der Transplantationsmedizin – selbst in den Transplantationszentren.
Zusatzweiterbildung geplant
Der sich abzeichnende Mangel an qualifizierten Transplantationsmedizinern sowie eine Betonung der Qualitätssicherung veranlasste die DTG bereits 2010, die Idee einer Zusatzweiterbildung (ZWB) für „Transplantationsmediziner“ anzustoßen, diese gemeinsam mit der Bundesärztekammer zu entwickeln und in die Novelle der Medizinischen Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) einzustellen. Mittlerweile gibt es Resultate: Die Landesärztekammer Sachsen-Anhalt hat die Einführung dieser ZWB Transplantationsmedizin im April beschlossen. Die bundesweite Verabschiedung ist für 2017 geplant.
Viele Reformen seit 2013
Seit der Novellierung des TPG im Jahr 2013 sind umfassende Strukturänderungen und Reformen zur Verbesserung der Organspende und Transplantation unternommen worden:
- Die DSO entwickelte Verfahrensanweisungen und gemeinsam mit der DTG Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Organentnahme, die sich aus der Überarbeitung der Richtlinie zur Organentnahme nach TPG § 16 Abs. 1 Nr. 2–5 ergeben. Zudem hat die DSO einen Klinikleitfaden erstellt, der auf der DSO-Jahrestagung Anfang November in Frankfurt/Main vorgestellt wird und die einzelnen Schritte des Organspendeprozesses praxisnah erläutert.
- Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung der Notfall- und Intensivmediziner (DIVI) wurde auf Vorschlag der DTG zur Ständigen Kommission Organtransplantation (StäKO) eingeladen. Der von ihr entsandte Vertreter übernahm den Vorsitz der Arbeitsgruppe Spenderbeurteilung.
- Ein Curriculum zur Weiterbildung für Transplantationsbeauftragte wurde in der gleichnamigen Arbeitsgruppe der StäKO entwickelt. Die Umsetzung erfolgt basierend auf den Landesausführungsgesetzen durch die Landesärztekammern mit Unterstützung der DSO.
- Die Richtlinie zur Feststellung des Todes durch den Nachweis des irreversiblen Ausfalls der Hirnfunktion wurde überarbeitet. Zurzeit wird sie kritisch evaluiert und analysiert.
- Alle Richtlinien zur Organtransplantation nach §16 TPG werden gegenwärtig von der Ständigen Kommission Organtransplantation überarbeitet. Dieser Prozess soll Ende 2017 abgeschlossen sein.
Wann greifen diese Maßnahmen? Eine derartig umfassende und bis in die untersten Organisationsebenen durchgreifende Veränderung der Strukturen muss in einem Fünf- und Zehn-Jahres-Raum betrachtet werden, zumal viele der Prozesse noch nicht abgeschlossen sind. Beispielsweise müssen Teile der TPG-Novelle, die insbesondere die Rolle und Verantwortlichkeiten der Transplantationsbeauftragten einschließlich der gesetzlich geforderten Freistellung regeln, erst noch durch viele Bundesländer mittels Ausführungsgesetzen umgesetzt werden. Dabei zeichnet sich ab, dass die gesetzlichen Regelungen auf Landesebene sehr heterogen geregelt werden, insbesondere im Hinblick auf Freistellung und Finanzierung der Transplantationsbeauftragten nach § 9 b TPG, einem Kernstück der Novelle.
Noch komplexer ist die Situation im Bereich der Kostenerstattung für die Organentnahme in den Entnahmekrankenhäusern. An der Erfassung der Kosten, auf deren Basis die Aufwandserstattung der Entnahmekrankenhäuser festgesetzt wird, beteiligen sich nur wenige Krankenhäuser. Dieser Umstand sowie die Nichtberücksichtigung der Kosten für das Vorhalten von Struktur und Personal für nicht planbare Ereignisse führt zu einer ökonomischen Desinzentivierung des Organspendeprozesses. Im Bereich der bislang tätigen Transplantationsbeauftragten zeigen sich ebenfalls Defizite im Hinblick auf Kenntnisse und Ausbildungsstand. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass zum Teil Mitarbeiter einerseits einfach benannt wurden, ihnen dann aber andererseits die notwendige Freistellung zur Fort- und Weiterbildung sowie deren Finanzierung und die leistungsbezogene Finanzierung vorenthalten wurde.
Daneben zeigen sich ähnliche Probleme im Bereich der Qualifizierung von Chirurgen zur Organentnahme. Nach Einführung fester Fortbildungsziele und -zahlen zeigt sich, dass die Strukturbildung an den Transplantationszentren erst begonnen hat und noch längst nicht abgeschlossen ist. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass überflüssige Hierarchiestrukturen vermieden werden und der Schwerpunkt auf der Qualifizierung der Mitarbeiter liegt.
Start: Transplantationsregister
Ein weiterer Meilenstein ist das Transplantationsregister. Die Tatsache, dass es nun verabschiedet ist, markiert erst den Beginn der eigentlichen Arbeit. Existierende Daten der DSO, von Eurotransplant und vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut) beziehungsweise dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) müssen übernommen werden. Zudem müssen Datensätze für die Neudaten konsentiert und erhoben werden. Die Zusammenführung von Spender- und Empfängerdaten erfordert komplexe Systeme bezüglich des Datenschutzes, die rechtssicher umgesetzt werden.
Guter Kurs, steiniger Weg
Insgesamt ist Deutschland bezüglich der Organspende und des Transplantationswesens auf einem guten Weg. Die Beteiligten werden kritisch und konstruktiv begleitet und zu jedem Zeitpunkt durch die Auftraggeber der Länder (Bundesärztekammer, gesetzliche Krankenversicherung und Deutsche Krankenhausgesellschaft) sowie durch das Bundesgesundheitsministerium unterstützt. Den Background bilden der gesellschaftliche Auftrag, sich um das Wohl der Patienten zu bemühen sowie der deutliche Wille einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, die die Transplantation klar unterstützt (Grafik 2). Es ist nun eine gemeinsame Aufgabe von Politik, Auftraggebern, Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Krankenhausmanagement, die laufenden und noch ausstehenden Reformen erfolgreich umzusetzen.