PHARMA
Risikoanalyse bei Vorhofflimmern: Optimierte Identifikation


Zu viele Niedrigrisikopatienten mit Vorhofflimmern werden oral antikoaguliert. Ein neuartiges Machine-Learning-Risikomodell ist dem CHA2DS2-VASc-Score bei der Identifikation dieser Patienten überlegen.
Neue Analysen aus dem GARFIELD-AF-Register zeigen, dass ein neuartiges, computergeneriertes Machine-Learning-Risikomodell, der GARFIELD-AF-Score, dem bisherigen CHA2DS2-VASc bei der Prognostizierung von Gesamtmortalität, ischämischem Schlaganfall/systemischer Embolie und schweren Blutungen bei Niedrigrisikopatienten überlegen ist. Die Vorteile wurden im Rahmen des Kongresses der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Rom gezeigt.
Der CHA2DS2-VASc-Score ist eine klinische Risikoanalyse für das Auftreten eines Schlaganfalls bei Vorhofflimmern. Er wird herangezogen, um zu entscheiden, welche Patienten von einer oralen Antikoagulation profitieren. Ein vereinfachter GARFIELD-AF-Score wurde entwickelt und seine Leistung unter Verwendung des unabhängigen aktuellen Registers ORBIT-AF aus den USA beurteilt.
Antikoagulation bei Hälfte der Niedrigrisikopatienten
Der GARFIELD-AF-Score wurde entwickelt, nachdem aktuelle Daten aus dem GARFIELD-AF-Register gezeigt hatten, dass nahezu die Hälfte der Niedrigrisikopatienten eine gerinnungshemmende Behandlung erhalten (Herz 2016; doi: 10.1136/ heartjnl-2016–309832). „Diese Daten zeigen, dass andere Faktoren – als die in aktuellen Risikoscores aufgeführten – scheinbar die Grundlage für die Entscheidungen zur Antikoagulation sind. Verbesserte Risikostratifikations-Tools werden benötigt, um echte Niedrigrisiko-AF-Patienten besser zu identifizieren“, sagte Prof. Keith A. A. Fox, Universität von Edinburgh.
Der umfassendere GARFIELD-AF-Score enthalte mehrere Variablen, die über den CHA2DS2-VASc hinausgingen. „Diese erhöhte Auflösung wird dazu beitragen, das Management von Niedrigrisikopatienten zu optimieren“, erklärte Fox. Der Score habe das Potenzial, routinemäßig in elektronische Datensysteme über Anwendungen auf webbasierte oder mobile Endgeräte integriert zu werden. Das ermögliche es dem Arzt, seine Behandlungsentscheidungen auf präzisere und angepasstere Werte zu stützen sowie eine vollständigere Einschätzung des Risikos auf der Basis von multiplen Ergebnissen vorzunehmen.
Der GARFIELD-AF-Score basiert auf den Datenanalysen von 38984 Patienten, die zwischen März 2010 und Juli 2015 im GARFIELD-AF registriert wurden. Bei Niedrigrisikopatienten lieferte der Score einen überlegenen Unterscheidungswert bei den Prognosen von Gesamtmortalität, ischämischem Schlaganfall/SE oder hämorrhagischem Schlaganfall/schweren Blutungen.
Weitere Ergebnisse des GARFIELD-AF zeigten einen Wandel, wie Vorhofflimmern weltweit behandelt wird. Die Zahl der Patienten, die eine gerinnungshemmende Behandlung zur Schlaganfallprävention erhielten, nahm zwischen März 2010 und August 2015 von 57 % auf 71% zu. Dieser Wandel bei der Prävention von Patienten mit Vorhofflimmern liegt weitgehend an der deutlichen Zunahme der neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) – mit oder ohne Verschreibung von Plättchenaggregationshemmern – von 4,1% auf 37 %. Gleichzeitig sank die Verwendung von Vitamin-K-Antagonisten und Plättchenaggregationshemmern (kombiniert oder einzeln) von 83,4 % auf 50,6 % (1).
„Die Veränderung der Behandlungsmuster über die letzten 5 Jahre weist auf einen stärkeren klinischen Schwerpunkt der Schlaganfallprävention hin,“ so Prof. Ajay Kakkar, Direktor des Thrombosis Research Institute in London: „Die Herausforderung besteht weiterhin darin, zu gewährleisten, dass der entsprechende Patient die effektivste und sicherste Intervention erhält, um das beste klinische Ergebnis sicherzustellen.“
Höchste Mortalitätsraten während des ersten Monats
Neue Daten veranschaulichten außerdem, dass die Mortalität während des ersten Monats nach der Diagnose von VF höher ist als zu jedem anderen Zeitpunkt während des Zwei-Jahres-Follow-up. Das Risiko eines vorzeitigen Todes ist bei Patienten mit der Vorgeschichte von Herzinfarkt/instabiler Angina, mäßiger bis schwerer chronischer Niereninsuffizienz oder Schlaganfall höher als ohne diese Komorbiditäten.
„Diese Daten des GARFIELD-AF-Registers belegen die Bedeutung von Komorbiditäten bei der Prognose des Risikos eines vorzeitigen Todes bei Patienten mit Vorhofflimmern“, betonte Prof. Samuel Goldhaber von der Harvard Medical School und dem Brigham and Women’s Hospital, USA. „Die Resultate zeigen, wie wichtig ein integrierter Versorgungsansatz für die Behandlung dieser Patienten ist.“
Bis zu 2 % der Weltbevölkerung leiden unter Vorhofflimmern, wodurch ein fünffach erhöhtes Schlaganfallrisiko besteht.
Dustin Grunert
Quelle: GARFIELD-AF-Satellitensymposium auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC) in Rom, veranstaltet von der Bayer AG