MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
In-vitro-Fertilisation: Brustkrebsrisiko erhöht sich im Langzeitverlauf nicht


Mehr als 6 Millionen Kinder weltweit sind nach In-vitro-Fertilisation (IVF) zur Welt gekommen. Diese Maßnahme beinhaltet meist eine Downregulation der Ovarien mit anschließender hormoneller Stimulation. Beides könnte das Brustkrebsrisiko beeinflussen. Niederländische Epidemiologen geben aufgrund einer landesweiten Kohortenstudie mit rund 25 000 IVF-Patientinnen und einer Nachbeobachtungszeit von rund 21 Jahren „vorsichtige Entwarnung“.
In die Analyse gingen 19 158 Kinderwunsch-Patientinnen aus allen 12 Kliniken ein, die zwischen 1983 und 1995 eine IVF-Therapie vorgenommen hatten. Die Frauen waren bei der ersten Behandlung im Durchschnitt 32,8 Jahre alt und durchliefen im Mittel 3,6 Zyklen. Als Vergleich dienten subfertile Patientinnen, die sich mit anderen Methoden der Sterilitätstherapie behandeln ließen (n = 5 950; Nicht-IVF-Gruppe).
In der gesamten Kohorte wurden im Auswertungszeitraum 839 Fälle von invasivem Brustkrebs und 109 Fälle von duktalen Carcinoma in situ (DCIS) diagnostiziert. Das Brustkrebsrisiko von IVF-Patientinnen unterschied sich nach rund 21 Jahren nicht signifikant von dem der weiblichen Normalbevölkerung (Standard Inzidenz-Rate [SIR]: 1,01; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: 0,93– 1,09) und dem Risiko der Nicht-IVF-Gruppe (Hazard Ratio [HR]: 1,01; 95-%-KI: 0,86–1,19). Es berechnete sich keine Zunahme der SIR bei einer Nachbeobachtung von mehr als 20 Jahren seit der Therapie. Außerdem konnten die Autoren kein gesteigertes, sondern sogar ein signifikant vermindertes Risiko bei Patientinnen mit sieben oder mehr IVF-Zyklen feststellen (HR: 0,55; 95-%- KI: 0,39–0,77) im Vergleich mit Frauen, die nur einen oder zwei Zyklen vornehmen ließen und bei „schlechten Respondern“ mit < 4 Eizellen nach Hormonstimulation (HR: 0,77; 95-%-KI: 0,61–0,96).
Fazit: Die IVF-Behandlung geht im Verlauf von circa 20 Jahren nicht mit einem höheren Brustkrebsrisiko einher als andere Methoden der Sterilitätstherapie. Die Wahrscheinlichkeit für Mammakarzinome ist gegenüber der Normalbevölkerung nicht gesteigert.
Trotz hoher Fallzahlen und langfristiger, umfassender (96 %) Nachverfolgung seien die Ergebnisse insofern als vorläufig zu werten, als erst 14 % der Kohorte ein Alter von 60 Jahren erreicht haben, räumen die Autoren ein. Der Altersgipfel von Mammakarzinomen liege bei 65 Jahren. Außerdem hätten sich die Regimes zur ovariellen Stimulation bei IVF vom Agonisten-Protokoll mit Downregulation zum kürzer dauernden Antagonisten-Protokoll verschoben. Und wichtige Einflussfaktoren wie Art der Subfertilität und Alter bei Erstgeburt sowie Parität hätten in der Studie nicht berücksichtigt werden können.
Dr. rer. nat. Renate Leinmüller
van den Belt-Dusebout A, et al.: Ovarian stimulation for in vitro fertilization and long-term risk of breast cancer, JAMA 2016; 316: 300–12.