ArchivDeutsches Ärzteblatt46/2016Endovaskuläre Thrombektomie: Fuktionelle Unabhängigkeit nur bei rascher Intervention

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Endovaskuläre Thrombektomie: Fuktionelle Unabhängigkeit nur bei rascher Intervention

Eckert, Nadine

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Patienten mit ischämischem Schlaganfall profitieren von einer zusätzlichen endovaskulären Thrombektomie im Vergleich zur medikamentösen Therapie alleine. Doch wie rasch nach Symptombeginn muss die Rekanalisation erfolgen? Eine Metaanalyse aus 5 randomisierten Studien ergibt: so schnell wie möglich innerhalb von 7 Stunden nach Symptombeginn.

Die Analyse basiert auf Daten von 1 287 Patienten: 653 wurden nur medikamentös behandelt, 634 erhielten zusätzlich eine endovaskuläre Thrombektomie. Als primärer Parameter für den Outcome diente der Grad der Behinderung (mRS-Score von 0–6, niedrigere Werte = weniger Behinderung) nach 3 Monaten. Durchschnittlich dauerte es in der Thrombektomiegruppe von Symptombeginn bis zur Punktion der Arterie 238 Minuten (IQR: 180–302) und bis zur Reperfusion 286 Minuten (IQR: 215–363). Nach 90 Tagen lag der mRS-Score in der Thrombektomiegruppe bei 2,9 (95-%-Konfidenzintervall [KI]: 2,7–3,1) und in der nur medikamentös behandelten Gruppe bei 3,6 (95-%-KI: 3,5–3,8). Je mehr Zeit vom Symptombeginn bis zur Punktion der Arterie verging, desto geringer war in der Thrombektomiegruppe die Wahrscheinlichkeit eines besseren Outcomes.

Während die Odds Ratio (OR) für einen geringeren Behinderungsgrad nach 3 Stunden noch 2,79 (95-%-KI: 1,96–3,98) betrug, lag sie nach 6 Stunden bei 1,98 (95-%-KI: 1,30–3,00) und nach 8 Stunden bei 1,57 (95-%-KI: 0,86–2,88). Statistisch signifikant blieb der Unterschied zwischen den beiden Gruppen bis 7 Stunden und 18 Minuten nach Symptombeginn. Bei den 390 Patienten, die durch die Thrombektomie eine substanzielle Reperfusion erreichten, war jede Stunde Verzögerung mit einem höheren Behinderungsgrad (OR: 0,84; 95-%-KI: 0,76–0,93) und einer geringeren funktionellen Unabhängigkeit (OR: 0,81; 95-%-KI: 0,71–0,92) assoziiert. Die Mortalität veränderte sich nicht (OR: 1,12; 95-%-KI: 0,93–1,34).

Fazit: „Diese Metaanalyse zeigt, dass das ursprünglich im Zusammenhang mit der Lysetherapie eta-blierte Motto ,time is brainʻ ebenso für die interventionelle Schlaganfalltherapie gilt“, resümiert Prof. Dr. med. Ansgar Berlis, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Neuroradiologen und Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am Klinikum Augsburg. „Der schnelle Transport von Schlaganfallpatienten in eine Stroke Unit und der – nach Blutungsausschluss – rasche Beginn einer Behandlung ist neben der Rekanalisation Voraussetzung für die Chance auf eine funktionelle Unabhängigkeit. Beim schweren Schlaganfall mit proximalem Gefäßverschluss sollte eine endovaskuläre Behandlung mit mechanischer Thrombektomie sofort initiiert werden. Dazu müssen die Infrastruktur zur Einlieferung des Patienten in eine entsprechende Klinik und die klinikinternen Abläufe optimiert werden. Die erst vor Kurzem neu erarbeitete S2k-Leitlinie ,Akuttherapie des ischämischen Schlaganfallesʻ hat darauf reagiert und festgelegt, dass der Eingriff mit Gefäßpunktion innerhalb von 90 Minuten nach Ankunft des Patienten in der Klinik erfolgen muss. Dies ist ambitioniert, sollte aber unter Berücksichtigung der Datenlage noch weiter verbessert werden.“ Nadine Eckert

Saver JL et al.: Time to treatment with endovascular thrombectomy and outcomes from ischemic stroke: a meta-analysis. JAMA 2016; 316: 1279–88.

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