ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2016Arbeitsorganisation: Der Arztbrief – viel mehr als nur lästige Pflicht

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Arbeitsorganisation: Der Arztbrief – viel mehr als nur lästige Pflicht

Bohnenkamp, Berit

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Der Wettbewerb der Krankenhäuser um Einweiser nimmt stetig zu. In diesem Zusammenhang hat der Arztbrief einen hohen Stellenwert: Er ist nicht nur bedeutendes Informations- und Kommunikationsmittel zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten, sondern auch wichtiges Marketing-Instrument.

Foto: 123RF/thodonal
Foto: 123RF/thodonal

Trotz seiner großen Bedeutung erfüllt der Arztbrief im Klinikalltag oft nicht die gewünschten Anforderungen. Neben formalen und sprachlichen Mängeln fehlt nicht selten die Nachvollziehbarkeit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. Ein ganz entscheidendes Defizit ist zudem, dass der Arztbrief dem weiterbehandelnden Arzt nicht rechtzeitig vorliegt.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Für viele Ärzte ist der notwendige Zeitaufwand, um den Arztbrief zu erstellen, in Zeiten zunehmender Arbeitsverdichtung eine große Hürde. Insbesondere bei langen Behandlungsverläufen müssen sie teils erhebliche Datenmengen und Befunde, mitunter aus unterschiedlichen Systemen wie Papierakte oder Krankenhausinformationssystem, sichten und zusammenfassen. Dabei hängt dieser Aufwand natürlich auch von der Art der Aktenführung ab. Hinzu kommt, dass der Prozess der Arztbriefschreibung oft fragmentiert und nicht gut abgestimmt ist.

Informations- und Kommunikationsmittel

Der Arztbrief, eine Form der ärztlichen Dokumentation, trägt dazu bei, die Dokumentationspflicht zu erfüllen, wie sie in der Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) und im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) festgeschrieben ist. Er ist das wohl wichtigste Informations- und Kommunikationsmittel zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten. Mit dessen Hilfe wird der weiterbehandelnde Arzt schnell, umfassend und verständlich über Verlauf und Behandlung des Patienten im Krankenhaus und weitere empfohlene Maßnahmen informiert. Auf diese Art und Weise kann der niedergelassene Arzt den Patienten angemessen weiterbehandeln. Somit ist der Arztbrief nicht nur ein Merkmal von Prozess- und Ergebnisqualität, sondern auch ein Ausdruck der Kooperationsbereitschaft mit den niedergelassenen Kollegen (Visitenkarte einer Klinik). Er hat Einfluss auf die Vertrauensbildung und Bindung der niedergelassenen Ärzte. Insbesondere im Wettbewerb der Krankenhäuser um Einweiser hat der Arztbrief so auch eine bedeutende Marketing-Funktion inne.

Wichtige Kriterien: Form, Inhalt und Logistik

Im Praxisalltag gibt es verschiedene Arten von Arztbriefen wie Kurzarztbriefe, Verlegungs- oder Entlassungsbriefe. Unabhängig davon hat ein guter Arztbrief bestimmte Anforderungen zu erfüllen, wobei man zwischen den Kategorien Form, Inhalt und Logistik differenzieren muss:

  • Form: Entscheidend sind eine einheitliche und übersichtliche Struktur, eine nutzerorientierte Gliederung sowie Kürze und Prägnanz. Darüber hinaus spielt die sprachlich angemessene Formulierung eine wesentliche Rolle. Medizinische Aussagen sollten weder umständlich noch unverständlich formuliert sein. Damit der Brief gut lesbar ist, empfiehlt es sich, ihn computergestützt zu erstellen.
  • Inhalt: Der Brief sollte Behandlungsanlass, Behandlungsverlauf und nachvollziehbare Handlungsempfehlungen umfassen. Das reicht vom Grund der Zuweisung, Diagnosen, Anamnese über Behandlungszeitraum, Befunde der klinischen Untersuchungen, Zusatzuntersuchungen, differenzialdiagnostische Überlegungen, Behandlungen und Behandlungsergebnisse bis hin zur Medikation und Empfehlungen zur weiteren Diagnostik und Behandlung. Daneben sollte der Arztbrief inhaltlich präzise sein, an die Bedürfnisse des Empfängers angepasst und vollständig, aber nicht überladen.
  • Logistik: Maßgeblich ist, dass der weiterbehandelnde Arzt den Brief schnell verfügbar hat. Nur wenn der Brief rechtzeitig übermittelt wird, liegen ihm alle für die Weiterbehandlung notwendigen Informationen über den Patienten vor. Auch sollte der Brief für eventuelle Rückfragen Kontaktdaten von erreichbaren Ansprechpartnern umfassen. Ein weiteres Kriterium ist die Art der Übermittlung: per Post, Fax, Mail, durch den Patienten oder über ein Internet-Arztportal.

Medienbrüche kosten wertvolle Arbeitszeit

Die meisten Arztbriefe werden elektronisch erstellt, anschließend auf Papier ausgedruckt, kuvertiert und versandt. Beim Empfänger angekommen, werden sie dann mittels Scanner mühevoll digitalisiert. Diese Medienbrüche kosten wertvolle Arbeitszeit. Künftig soll dieser Prozess nur noch digital ohne Medienbruch erfolgen. Die Vorgaben dazu sind im E-Health-Gesetz geregelt: Per Knopfdruck übermittelt der Arzt den elektronischen Arztbrief (eArztbrief) dem Empfänger und ermöglicht so einen schnelleren und effizienteren Austausch der Arztdokumentation. Damit dies reibungslos und sicher funktioniert, wird intensiv daran gearbeitet, vorhandene Lösungen weiterzuentwickeln. Dabei gibt es bestimmte Kriterien zu berücksichtigen. Zum Beispiel müssen die Daten über einen sicheren Kanal übertragen und die auszutauschenden Dokumente verschlüsselt übermittelt werden.

Damit aus einem eArztbrief ein rechtssicheres Dokument wird, muss er mit einer elektronischen Signatur versehen werden. Dadurch ist der Autor des Dokuments identifizierbar und der Inhalt kann im Nachhinein nicht verändert werden. Für die Identifikation kann zum Beispiel der Heilberufsausweis verwendet werden. Mit sogenannten Stapelsignaturen lassen sich zudem mehrere eArztbriefe gleichzeitig elektronisch unterschreiben. Dies erhöht die Akzeptanz für ein Verfahren, das eventuell durch das erforderliche Eingeben von Passwörtern zu administrativem Mehraufwand führt.

Digitale Arztbriefschreibung entlastet Ärzte

Der eArztbrief leitet die Informationen an die jeweiligen Partner schnell und effizient weiter. Alle Werkzeuge vom Erstellen über den Versand bis zum Verarbeiten von eArztbriefen lassen sich in den normalen IT-Workflow integrieren und können direkt innerhalb der Arzt- oder Krankenhaussoftware bereitgestellt werden. Aufbau und Inhalt eines Arztbriefs sind standardisiert. Die relevanten Informationen zu Medikation, Laborwerten und Diagnostik liegen in der Regel bereits digital und strukturiert vor, so dass die Ärzte sie direkt in den Arztbrief übernehmen können. Mit vorkonfigurierten Textbausteinen lassen sich zudem häufig vorkommende komplexe Befunddokumentationen automatisiert erstellen. Der behandelnde Arzt hat die Möglichkeit, die computergestützte Dokumentation seinen Bedürfnissen so anzupassen, dass er den Aufwand für das Erstellen des Dokuments erheblich reduziert. Dieses technisch in einen eArztbrief umzuwandeln, können die Anwendungssysteme größtenteils eigenständig bewältigen.

Dr. med. Berit Bohnenkamp, MBA

Senior-Beraterin

Sanovis GmbH

81679 München



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