POLITIK
Arzneimittel: Grüne sehen Versandverbot kritisch


Bündnis 90/Die Grünen bezweifeln, dass das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel rechtssicher umgesetzt werden kann.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte zum Fachgespräch geladen. Thema: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arzneimittelpreisbindung, das am 19. Oktober insbesondere in der Apothekerschaft hohe Wellen geschlagen hatte. Denn nach der Entscheidung der Luxemburger Richter müssen sich ausländische Versandapotheken nicht an die in Deutschland geltenden einheitlichen Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten. Die Apotheker warnen seither vor den möglichen Folgen: einem ruinösen Preiswettbewerb, der die bewährten Strukturen der Arzneimittelversorgung zerstören könne. Auch die Politik reagierte. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte kurz nach dem Urteil an, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Für ein Versandverbot sprach sich am 25. November auch der Bundesrat aus. Er will die Änderung in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) einbringen, das am 14. Dezember im Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten wird. Dass das geplante Versandverbot auf die Schnelle an das AMVSG angehängt werden könnte, hatte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Lutz Stroppe, hingegen Anfang November bei einer Veranstaltung der Schwenninger Krankenkasse bezweifelt. Ein Gesetz zum Versandverbot müsse der Europäischen Kommission vorgelegt werden. Dafür sei eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern erforderlich.
Keine Schnellschüsse
Auf Ablehnung stoßen die Verbotspläne beim Koalitionspartner SPD. Auch bei den Grünen herrscht Skepsis darüber, ob sich ein Versandverbot rechtssicher umsetzen ließe. Deren Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Katja Dörner, bezeichnete die Pläne von Gröhe deshalb als „Schnellschuss“, obwohl auch sie Handlungsbedarf sah. „Ein Verbot ist aber nicht rechtssicher und löst auch keine grundsätzlichen Probleme“, sagte Dörner. Bei den Grünen setzt man, ähnlich wie in der SPD, eher auf Alternativen zum derzeitigen Vergütungsmodell der Apotheker als auf ein Versandverbot, um die Wettbewerbsnachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu beseitigen. Zumal negative Folgen des Versandhandels für die Apothekendichte insbesondere im ländlichen Raum nicht empirisch belegt seien, erklärte Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft der Grünen-Bundestagsfraktion. Das hatte auch der EuGH in seinem Urteil beanstandet.
Für ein Versandverbot und gegen den Preiswettbewerb bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln sprach sich der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, Friedemann Schmidt, aus. Einheitliche Arzneimittelpreise dienten dem Patientenschutz. Patienten sollten für ihre Arzneimittelversorgung – wie überall im Gesundheitswesen – nicht den billigsten Anbieter auswählen müssen, sondern den, dem sie am meisten vertrauten. „Patienten sollen keine Wirtschaftlichkeitsentscheidung treffen“, sagte Schmidt, ebenso wenig wie Apotheker ihre Beratungsleistung von der Höhe ihres Honorars abhängig machen sollten. Die Arzneimittelpreisverordnung ermögliche eine Mischkalkulation, die Patientenselektion verhindere. „Die Politik tut gut daran, das Einfallsportal für Preiswettbewerb zu schließen“, erklärte Schmidt.
Der Versandhandel mit Arzneimitteln sei eine Ergänzung zur klassischen Versorgung durch die Präsenzapotheken und nie als Ersatz dafür gedacht worden, erklärte dagegen Max Müller, Vorstandsmitglied der niederländischen Versandapotheke DocMorris, die in dem Verfahren vor dem EuGH Recht bekommen hatte. Es sei nicht der Versandhandel, der die flächendeckende Versorgung durch Apotheken auf dem Land gefährde. Das seien vielmehr strukturelle Probleme, die mit dem derzeitigen Vergütungssystem zu tun hätten, so Müller. Der Versandhandel habe trotz Boni seit seiner Einführung im Jahr 2004 lediglich einen Marktanteil von drei Prozent erreicht. „Er ist nicht kausal für Apothekensterben“, sagte Müller. Es sei Aufgabe der Politik, Lösungen für das strukturelle Gefälle zwischen Apotheken in der Stadt und auf dem Land zu finden.
Beratung besser vergüten
Denkbar sei ein alternatives Honorarsystem, das die pharmazeutische Beratung und nicht die Abgabe eines Arzneimittels in den Mittelpunkt stellt, meinte Landapotheker Christian Richter aus dem brandenburgischen Bad Wilsnau. Er warnte angesichts der derzeitigen Situation zugleich vor Wettbewerbsverzerrungen. „Einzelne Patienten, die wegen günstigerer Preise zu DocMorris wechseln, kann ich verkraften“, sagte Richter. Wenn aber Patientenverbände für ihre Mitglieder günstigere Konditionen bei ausländischen Versandhändlern aushandelten oder Krankenkassen mit diesen Verträge schlössen, halte er das finanziell nicht mehr durch.
Heike Korzilius