ArchivDeutsches Ärzteblatt50/2016Digitaler Medikationsplan: Aus dem Vollen schöpfen

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Digitaler Medikationsplan: Aus dem Vollen schöpfen

Maibach-Nagel, Egbert

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Egbert Maibach-Nagel, Chefredakteur
Egbert Maibach-Nagel, Chefredakteur

Verlässlich und gut lässt sich im Gesundheitsmarkt Geld verdienen. Das wissen im Umfeld von Patient und Arzt agierende klassische Unternehmen aus Pharma- und medizintechnischer Industrie. Das ist dann nicht schlimm, wenn auch Patient und Arzt etwas davon haben. Nämlich dann, wenn das, was entwickelt und verkauft wird, Krankheit bekämpft und Heilung unterstützt.

Dass selbst internationale digitale Großkonzerne in diesem Bereich ständig ihre Marktstrategien verbessern, um am „Füllhorn“ Gesundheitswesen teilzuhaben, ist ausreichender Beweis dafür, wie lukrativ dieser Markt heute schon ist oder künftig noch wird. Auch das ist kein Problem, solange es um die Bewältigung von Krankheit geht oder zumindest die Verursacher von zusätzlichen Kosten selbst dafür aufkommen.

Dass das nicht immer der Fall ist, musste Deutschlands Gesundheitswesen in den zurückliegenden Jahren immer wieder erfahren. Jüngstes Beispiel ist die Diskussion um die Kosten für die digitale Erstellung des vom Gesetzgeber beschlossenen Medikationsplanes.

In einer auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV-VV) am 9. Dezember einstimmig beschlossenen Resolution lehnen Deutschlands niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten es ab, weiterhin die Kosten für Hard- oder Software-Anpassungen zu tragen, die durch Neuregelungen des Gesetzgebers entstehen. Bei der Implementierung des Medikationsplanes in die Softwaresysteme entstehen je Arzt Kosten in Höhe von bis zu 700 Euro. Das ist es, was der Gesetzgeber unter „gering einzuschätzen“ versteht, so die Begründung im E-Health-Gesetz.

Sicher: Der Gesetzgeber kann nichts gegen das Marktgebaren der Software-Hersteller, die in solchen Fällen ihre jeweilige Arbeit unternehmerisch nutzen. Sie wissen genau, dass solche Zahlen kaum dazu führen, dass Ärzte ihren Software-Anbieter wechseln. Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie der Markt sich an solchen Stellen selbst regelt. Der Kunde ärgert sich, zahlt – und bleibt.

Dass der Gesetzgeber hier kein tieferliegendes Interesse daran hat, die Situation des niedergelassenen Arztes zu hinterfragen, ist an dieser Stelle kaum zu übersehen. Dabei ist es nicht schwer zu erfassen, dass die einschlägigen Software-Anbieter sich die aus den gesetzlichen Vorgaben erwachsenden Änderungen von ihren Kunden gut bezahlen lassen.

Die KBV-VV will jedenfalls mit ihrem Beschluss, „keine weiteren Softwarekosten für neue gesetzliche Vorgaben“ zu übernehmen, das Verursacherprinzip einfordern. Denn angesichts der in den kommenden Jahren gerade im Software-Bereich noch anstehenden Entwicklungen ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Aufwendungen, die für das Digitale einzusetzen sind, weiter zunehmen werden.

Das Verursacherprinzip ist im deutschen Gesundheitswesen übrigens kein Novum. Laut Krankenhausstrukturgesetz können Krankenhäuser dann, wenn kurzfristig Mehrkosten durch Beschlüsse des G-BA entstehen, mit den Krankenkassen vor Ort Zuschläge zur Refinanzierung dieser Kosten vereinbaren. Warum sollte das im Falle der vom Gesetzgeber verursachten Maßnahmen für niedergelassene Ärzte nicht gelten? Hier sind jetzt politische Zeichen gesetzt, die das Geschehen künftig anders betrachten lassen. Mit Blick auf das Erwartbare hat das präventive Logik.

Egbert Maibach-Nagel
Chefredakteur

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