ArchivDeutsches Ärzteblatt3/2017Abhängig von der subjektiven Empfindung
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In einer methodisch gut angelegten Studie zeigten Trappe und Voigt (1) kürzlich, dass das bloße Hören von Musik mit einer Reduktion der Konzentration des Stresshormons Cortisol vergesellschaftet ist; dieser signifikante Effekt trat unabhängig von der Stilrichtung der dargebotenen Musik auf und war auch nicht allein Ausdruck eines physiologischen Ruheeffektes.

Dieser Befund korrespondiert gut mit der musiktherapeutischen Alltagserfahrung und mit Ergebnissen der musikalischen Präferenzforschung, dass individuell unterschiedliche Musikstile zum Erreichen einer subjektiven Entspannung genutzt werden. Demgegenüber waren die Effekte der unterschiedlichen Musikstile auf Herzfrequenz und Blutdruck im Vergleich zur Kontrollbedingung ohne Musik offensichtlich schwächer ausgeprägt (1). Zum Nachweis derartiger Veränderungen könnten insbesondere auch standardisierte, serielle Messungen der Ruheherzfrequenzvariabilität (HRV) geeignet sein (2). Bei der Untersuchung von „beruhigender“ oder „stimulierender“ Musik auf die HRV fanden wir gleichfalls einen signifikanten Abfall der Herzfrequenz im Verlauf unabhängig von der Art der Musik (Bertling B, Harenbrock S, Agelink MW: Musik und Vegetativum. [Kongressabstract] Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie; Karlsruhe, 17.–19.09.1999). Beide Musikstücke führten nicht zu signifikanten Änderungen der HRV. Interessanterweise aber zeigten Probanden, denen die „beruhigende“ Musik subjektiv gut gefiel, einen tendenziell größeren Anstieg der vagalen Modulation der Herzfrequenz im Vergleich zu Probanden, denen das gleiche Musikstück nicht gefiel. Demgegenüber konnten Trappe und Voigt keine signifikanten Effekte der subjektiven Bewertung nachweisen, allerdings beschrieben auch circa 90 % ihrer Probanden alle drei Musikstile als angenehme Empfindung (1). Die Idee, eine „musikalische Apotheke“ aus bestimmten Musikstücken zu konzipieren, die bei bestehender Indikation eine definierte therapeutische Wirkung entfalten, ist sicher spannend; sie wird aber die subjektive Wahrnehmung des einzelnen Individuums nicht ausblenden dürfen.

DOI: 10.3238/arztebl.2017.0043c

Stefan Harenbrock

Evangelische Kliniken Gelsenkirchen

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg Essen

PD Dr. med. Marcus W. Agelink

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie & Psychosomatik

Klinikum Herford,

Sek.Psychiatrie@klinikum-herford.de

1.
Trappe H-J, Voit G: The cardiovascular effect of musical genres—a randomized controlled study on the effect of compositions by W. A. Mozart, J. Strauss, and ABBA. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 347–52 VOLLTEXT
2.
Agelink MW, Malessa R, Baumann B, et al.: Standardized tests of heart rate variability: normal ranges obtained from 309 healthy humans, and effects of age, gender and heart rate, Clin Auton Res 2001; 11: 99–108 CrossRef MEDLINE
1.Trappe H-J, Voit G: The cardiovascular effect of musical genres—a randomized controlled study on the effect of compositions by W. A. Mozart, J. Strauss, and ABBA. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 347–52 VOLLTEXT
2.Agelink MW, Malessa R, Baumann B, et al.: Standardized tests of heart rate variability: normal ranges obtained from 309 healthy humans, and effects of age, gender and heart rate, Clin Auton Res 2001; 11: 99–108 CrossRef MEDLINE

Fachgebiet

Der klinische Schnappschuss

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