MEDIZINREPORT
Adipositas und Übergewicht: Strategien gegen den Jo-Jo-Effekt


Von der Obesity Week in New Orleans kommt die Botschaft, dass körperliche Aktivität entscheidend ist, um die Gewichtsreduktion dauerhaft zu stabilisieren.
Den meisten Menschen, die abnehmen wollen, gelingt dies mit unterschiedlichen Methoden relativ gut. Probleme macht oft erst die Stabilisierung des niedrigeren Gewichtes. Woran das liegt, erläuterte Prof. Dr. Holly Wyatt, Anschutz Health and Wellness Center der Universität Colorado in Denver, in einer Key Note Lecture auf der Obesity Week in New Orleans.
Langfristig ein niedriges Gewicht zu halten, ist aus vielen Gründen erheblich schwieriger, als kurzfristig abzunehmen. Dennoch sind die Erfolgsraten besser, als oft angenommen wird: In einer telefonischen Befragung gab ein Fünftel derjenigen, die mindestens 10 % des Gewichtes verloren hatten, ein Jahr später an, immer noch mindestens 10 % weniger zu wiegen (1).
Um langfristig erfolgreich zu sein, dürfe das Abnehmen nicht nur als akuter Prozess von vielleicht 4 oder 6 Monaten gesehen werden, sondern als langfristige Strategie, so Wyatt. Doch die Konzepte hierfür unterscheiden sich erheblich.
Zwei verschiedene Konzepte
Abnehmen geht nur über eine negative Energiebilanz und Steigerung der Fettverbrennung. Dies gelingt vor allem mit Reduktion der Kalorienzufuhr, wobei es nur wenig auf die Zusammensetzung des Essens ankommt. Auch körperliche Aktivität ist hier zweitrangig. Aber in der lebenslangen Phase der Stabilisierung danach ist sie entscheidend für den Erfolg. Auch die Nährstoffzusammensetzung wird dann wichtig. Entscheidend sei, so Wyatt, dass der Schritt von der akuten in die chronische Phase gelingt. „Wenn man nicht umschaltet, kann man nur scheitern“, betonte er.
Der Körper kompensiert den Gewichtsverlust zum Beispiel mit dem Anstieg von Ghrelin oder der Abnahme von Leptin und GLP-1. Das verstärkt den Hunger und die Energiespeicherung. Solche Veränderungen haben über Jahre Bestand und zielen auf erneute Gewichtszunahme. Außerdem sinkt nach dem Abnehmen der Grundumsatz und so der Energiebedarf. Daher kann nur durch intensive körperliche Aktivität der Energieverbrauch ausreichend gesteigert werden. Auch der metabolischen Kompensation lässt sich damit entgegenwirken.
Lob für den Gewichtserhalt
Psychologische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Das Abnehmen ist viel attraktiver als das schlank bleiben, weil man nur dafür anerkennendes Feedback bekommt, etwa so: „Wow, du hast ja ziemlich abgenommen“. Wenn es der Betreffende dann schafft, sein Gewicht zu stabilisieren, fällt niemandem mehr etwas auf. Keiner lobe ihn dafür noch ein Jahr später, sagte Wyatt. So bliebe die Anerkennung für das Meistern der schwierigeren Aufgabe aus.
Für das National Weight Control Registry (NWCR) sind folgende Faktoren mit Erfolg beim Gewichts-erhalt assoziiert:
- Mindestens eine Stunde körperliche Aktivität pro Tag
- täglich frühstücken
- reduzierte Fettaufnahme
- Selbstmonitoring von Nahrungsaufnahme und Aktivität
- einmal wöchentlich wiegen.
Auch Medikamente zur Adipositastherapie könnten dazu beitragen, eine Gewichtsreduktion zu stabilisieren. Sie hemmen jene Adaptionsmechanismen, die eine erneute Gewichtszunahme begünstigen. Damit helfen sie, eine kalorienreduzierte Nahrung dauerhaft beizubehalten. Wyatt hält die Bedeutung von Medikamenten beim Gewichtserhalt sogar für größer als in der Abnehmphase selbst, in der sie bisher klinisch untersucht wurden.
In New Orleans wurden die ersten Ergebnisse der von Novo Nor-disk unterstützten ACTION-Studie (Awareness, Care and Treatment in Obesity maNagement) präsentiert (2). Es handelt sich um eine US-amerikanische Querschnitterhebung an etwa 3 000 Menschen mit einem BMI ≥ 30 kg/m2. Von den Teilnehmern gaben nur 23 % an, in den vergangenen 3 Jahren eine Gewichtsreduktion um 10 % erreicht zu haben, 44 % von ihnen für mindestens ein Jahr. In den letzten 6 Monaten hatten allerdings 54 % eine entsprechende Behandlung aktiv gesucht.
Dabei haben sie die Erfahrung gemacht, dass mit einer durchschnittlich vorgeschlagenen Gewichtsreduktion um 20 % oft ein zu hohes Ziel angestrebt wurde. Außerdem fokussierte das Therapieangebot meist nur auf das Abnehmen selbst und nicht auf den Gewichtserhalt. Nur 16 % der Patienten erhielten einen Follow-up-Termin.
Der Aussage, dass Adipositas eine Krankheit ist, stimmten 65 % der Teilnehmer zu. Die Hälfte hält die Fettleibigkeit für mindestens ebenso schwerwiegend wie COPD, Herzinsuffizienz, Diabetes, Krebs, Depression oder Hypertonie. Trotz der Bewertung der Adipositas als Krankheit gaben 82 % der Teilnehmer an, an dieser Erkrankung selbst schuld zu sein
Dr. med. Angelika Bischoff